Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Exklusive Einblicke in das Leben der Minister und ein ausgegrenzter Volksnarr.
Erst wenn der letzte Gesetzesentwurf noch hastig im Parlament eingebracht, die letzte UN-Menschrechtsdelegation eiskalt abserviert, die letzte überflüssige « Question parlamentaire » eingereicht ist, werden wir merken, dass auch die Politiker sich nicht gegen das Sommerloch wehren können. Doch während die Abgeordneten bis auf Weiteres 31/29 gerade sein lassen, wollen zumindest die Ministerinnen beweisen, dass Urlaub für sie ein Fremdwort ist.
Und wo ließe sich das besser belegen als in den sozialen Medien. Denn dort hat bekanntlich noch nie jemand die Wahrheit weichgezeichnet. Den Anfang machte Finanzministerin Yuriko Backes (DP). Nachdem ihr Vorgänger bereits in « Pierre Gramegna entdeckt sein Esch » das Retrospect-Publikum begeisterte, weiß auch die Newcomerin in « Een Dag mam Yuriko Backes » zu überzeugen. Das fünfminütige Video brilliert mit einem Star-Casting. Neben Christian Lindner (« Meine Liebe, ich grüße dich ») und EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat jemand einen Kurzauftritt, neben dem die Finanzministerin regelrecht menschlich wirkt: Luc Frieden.
Ja, aber was macht sie denn jetzt den ganzen Tag? Na natürlich, was alle wirklich wichtigen Minister tun: andere wichtige Minister begrüßen. Jeweils vor wechselnder Kulisse, versteht sich. Nur beim ESM-Meeting durften die Kameras nicht mit. Die seien streng geheim, betont Yuriko Backes. Dass Pierre Gramegna dort künftig mehr Zeit mit seinen Enkeln verbringen will, dazu aber leider erst einmal gewählt werden muss, sparen wir uns. Abends steht dann noch ein « Pättchen » mit den anderen EU-Finanzministerinnen an und danach, wie es sich für luxemburgische Staatsbedienstete gehört, geht es noch einmal kurz, leicht beschwipst, zurück « op de Ministère ».
Noch produktiver und vor allem effizienter als Yuriko Backes ist nur Taina Bofferding (LSAP). Denn während die Finanzministerin geschlagene fünf Minuten braucht, um ihren Tag zu resümieren, braucht die Innenministerin nur 13 Sekunden. Und resümiert dabei nicht bloß einen Tag, sondern gleich eine ganze Woche. Respekt. Oder wie andere Medien sagen würden: « Zielstrebig ». Inhaltlich bleibt Taina Bofferding dabei strikt auf Regierungslinie: Volksnähe ist wichtiger als der olle Papierkram. Sind die « Arrêtés » abgehakt, geht es zum Fähnchenschwenken auf die « Luxembourg Pride » oder auf die « Foire Agricole ». #Zesummen
Anti-Anti-Establishment
Volksnah sind auch die luxemburgischen Künstler. Allen voran Serge Tonnar. Nachdem seine CDs nach der überstandenen Corona-Pandemie wieder in jedem gut sortierten Supermarkt erhältlich sind, gibt sich der « Stamminee »-Barde versöhnlich. In « All d’Mënsche ginn nees Bridder » ruft er uns alle zum Vertragen auf. Ob « Covidioten », « queeschen Denker » oder « houer Regierung », wir sind alle ein bisschen schuldig. Deshalb kann es nur eins geben: « All Aasch gëtt fräigeschwat. » Wir finden auch: Schwamm drüber. Egal, wie zweideutig und patzig sich Serge Tonnar auch in zwei Jahren Pandemie geriert hat. Für uns bleibt er immer noch der staatstragendste Systemkritiker, seit es Che-Guevara-T-Shirts aus China gibt.
Das findet auch die Regierung selbst, die seit Beginn der Pandemie keine Gelegenheit verpasst, den ach so gescholtenen Chansonnier zu hofieren. Sei es, indem sie ihm das erste Konzert nach dem Lockdown in der Rockhal spendierte oder auch jetzt. Denn den Videoclip zu seinem Schwurbler-Kumbaya durfte Serge Tonnar natürlich im Staatsministerium aufnehmen. Und natürlich half die Polizei beim Videodreh mit ein paar Statisten und einem Polizeiwagen aus. Unterstützt wurde die Produktion natürlich vom « Luxembourg Film Fund ». Nach den nächsten Wahlen kann der nächste Videoclip dann im Parlament auf der Oppositionsbank der Linken aufgenommen werden. Ach, einmal dermaßen ausgegrenzt werden wie Serge Tonnar, das wünscht man sich.
Geschichtsschreibung mit Politikern
Etwas mehr Ausgrenzung wollte wohl Djuna Bernard erleben. Könnte sie, wäre sie gerne beim ersten paramilitärischen Jugendcamp (auch Pfadfindercamp genannt) im Jahr 1907 dabei gewesen, verriet sie dem « Luxemburger Wort ». Damals waren die Jungscamps natürlich für Mädchen nicht zugänglich. Aber im Ernst: Es gibt wahrscheinlich wirklich kein spannenderes historisches Event, das man gerne miterlebt hätte, als das erste Pfadfindercamp, oder?
Dennoch, verschiedene Politiker würden es sicher schaffen, diesen Höhepunkt der Geschichtsschreibung noch zu toppen. Sven Clement wäre etwa sicherlich gerne bei der Erfindung der Demokratie in Griechenland dabei gewesen. « Dann hätte ich endlich mal Gesprächspartner, die meines Intellekts würdig sind », so der Besserwisser. Fred Keup wollte bestimmt unbedingt beim Klëppelkrich dabei sein: « Um es den Franzosen mal so richtig zu zeigen. » Xavier Bettel wäre wohl gerne bei der Grundsteinlegung der Universität in Nancy dabei gewesen – einfach, um seine Dankbarkeit zu zeigen.
Obwohl auch andere Politiker noch gerne in der Vergangenheit schwelgen (und manche auch leben), holt die Gegenwart sie doch schnell wieder ein.
Minister geben Spartipps
Die derzeit hochsommerlichen Temperaturen sollen nicht über den bevorstehenden kalten Winter hinwegtäuschen. Wenn schon nicht « Mister Energy » Claude Turmes eine Sparkampagne vor dem Herbst organisiert, dann muss man halt die anderen Minister fragen, wie man sich auf die anbahnende Krise vorbereitet, dachte man sich beim « Luxemburger Wort ». Und siehe da: Unsere Regierung ist in Sachen Klimaschutz kaum zu toppen! Zumindest, wenn es auf die eigene Klimabilanz ankommt, nicht die des Landes versteht sich. #SinnloserTankrabatt
Im Artikel erfährt man etwa, dass Corinne Cahen (DP) ihr Schlafzimmer nie heizt. Die natürliche Wärme, die die Familienministerin ausstrahlt, reicht wohl, um die ganze Wohnung zu beheizen. Auch Wirtschaftsminister Franz Fayot wird es selbst ohne Heizung nie kalt im Bett. Schön. François Bausch (Déi Gréng) seinerseits sieht nicht ein, warum man « stundenlang duscht ». Also liebe Langzeitduscher, nehmt euch ein Beispiel am Vizepremier und dann wird das mit dem Bissener Google-Datenzentrum auch kein Problem. #TripleA-Klimaschutz
Die Prioritäten setzten die Minister im Übrigen unterschiedlich. Für Claude Haagen (LSAP) ist etwa die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung besonders wichtig, heißt es im Artikel. Die Maxime « Et gëtt giess, wat op den Teller kennt », wird im Haushalt Haagen offenbar hochgehalten. Dabei leistet der Landwirtschaftsminister bestimmt auch außer Haus seinen Beitrag beim Gas sparen. Unser Tipp: Das Steak darf auch gerne mal « saignant » sein und nicht « à point ». So können auch Sie beim nächsten Restaurantbesuch es Putin mal so richtig zeigen.
Einige DP-Minister wollten allerdings nicht verraten, ob und wie sie Energie sparen. Schade. Aber immerhin weiß man bereits, wie Xavier Bettel es mit dem Klimaschutz hält. Eine Joghurtmaschine macht alle Klimasünden des Premiers wett. Und wenn das nicht reicht, ist man ja ohnehin nur ein « Reiskorn » in den globalen Emissionen. Also alles halb so wild.
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