Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: die große Boomer-Party und Luxemburgs Weg zur Transparenzdiktatur.

Let’s party like it’s your Mother’s day! Keine Ausgangssperre mehr, zehn Leute nach Hause einladen, Großevents dank « Covid-Check » (sprich: Kowitschäk), und, und, und… Dieses Jahr wird der Muttertag die wildeste Party des Jahrzehnts. Mehr noch: Durchgeimpfte Boomer können zusammen mit ihrer Biontech-gestählten Mutti mal so richtig abfeiern in der Disko. Und ohne Maske! Dankbar für die neuesten Öffnungsorgien werden sie bis an ihr Lebensende Xav und Paulette wählen.

Die Türsteher und DJs sind gerade in der Umschulung, um sich auf die neue Klientel einzustellen. Denn die jungen Corona-Partymacher und andere Gefährder müssen bis auf Weiteres draußen bleiben. Mit etwas Glück erhalten sie ihre Dosis für Allerheiligen, wenn Oma und Opa bereits die Booster-Impfung gegen die Mutanten intus haben. Und das ist auch gut so: Die älteren Generationen sind safe. Und die Jüngeren sollen mal lernen, sich zu benehmen und nicht dauernd für Klimaschutz und anderes Gedöns protestieren!

Iron Lydie motzt

Da kamen diese jungen – und noch schlimmer: jung gebliebenen – Leute doch tatsächlich auf die Idee, zum Weltradtag mitten in der Stadt eine Fahrrad-Demo zu organisieren. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass neben Autos in der Festungsstadt nicht genügend Raum für die Zweiräder bleibt. Oder wie es der Chief Bicycle Correspondent des « Wort » etwas inbrünstiger formulierte: « Radfahrer und Fußgänger sind als Menschen nicht weniger wert als jene, die hinter dem Lenkrad sitzen. »

Doch der rechtsliberale Schöffenrat verbot die Demo – mit dem Weltklasse-Argument, dass bei zu vielen Rädern auf der Demo ja kein Platz mehr wäre für die shoppenden Porsche-Cayenne-Fahrer. Ist ja auch total logisch. In Belarus werden Demos für Demokratie bekanntlich auch verboten, denn würden sie erlaubt, dann wäre es ja keine Diktatur mehr.

Die Fahrrad-Lobby drohte mit einer Klage und um eine Blamage abzuwenden, lenkte Iron Lydie doch noch ein. Doch das ist noch nicht das Ende: Aus gut unterrichteten Boomer-Kreisen verlautet, dass die Bürgermeisterin mehrere städtische Busse aneinanderketten will, um zu veranschaulichen, dass wirklich kein Platz für mehr Fahrradwege in der Hauptstadt ist. Bekanntlich hat die Gemeindevorsteherin so die Tram – noch so eine Radikalen-Idee – schon höchst erfolgreich verhindert.

Die von der militanten Fahrrad-Lobby unterwanderte Presse glaubt aber tatsächlich, die Bürgermeisterin auf Lebenszeit könnte eines Tages durch radelnde Expats abgewählt werden. Pfff. Als nächstes glauben die Journalisten auch noch, die nächste Politiker-Generation würde die Wohnungskrise bekämpfen. Wir wissen dagegen: Durch ihren heroischen Kampf gegen Kampfradler ist Lydie Polfers Wiederwahl 2023 mit den Stimmen der kritischen Masse aka SUV-Fahrer gesichert.

De Jang nuschelt

Apropos keine Chance: Wenn der Außenminister und Boomer-in-Chief schon mal in Luxemburg ist, dann muss das ganze Land auch gleich darüber informiert werden. Unser Jang macht das am liebsten mit Medienauftritten, so geschehen im Doppelformat bei « Radio 100,7 » und eine halbe Stunde später bei « RTL ». Da « de Jang » grundsätzlich nicht auf Fragen von Journalisten antwortet, erzählt er einfach zweimal dasselbe. Merkt eh keiner.

Auch der dienstälteste Außenminister der Milchstraße kennt sich mit lupenreiner Demokratie aus. Asselborn kann ganz gut mit Kritik umgehen, sagt Asselborn. Es gibt nur ein Problem: Sie ist immer so falsch und unfair. Ganz klare Sache! « Inakzeptabel » nannte er etwa die Kritik einer NGO an seiner Migrationspolitik. Was bilden die sich ein? Jang hat bereits 100 Migranten eigenhändig aus dem Mittelmeer gerettet, da sind diese NGOler noch gar nicht aus dem Bett.

Es läuft alles nach einer klaren Prozedur: Die Beamten sagen Nein, die Richter sagen Nein und dann entscheidet Jang. „Zenter datt ech Minister ginn sinn ass keen an Afghanistan deporteiert ginn. Keen! » Das war denn auch die Headline des großen Interviewtages. Bei « Radio 100,7 » schränkte der Minister diese starke Aussage zwar etwas ein, als er nuschelte: « Et ass een zeréck gaangen aus Secherheetsgrënn, deen hunn mer missten zeréck schecken aus…, ehh,..“ Ja gut, ehh. Warum, ehh, wissen wir auch nicht genau. Könnte man bei Gelegenheit recherchieren und den netten Jang im Interview darauf ansprechen. Aber kein Stress!

Die hohe Kunst

Doch gleichzeitig zeigte Jean Asselborn mal wieder, warum er im Volk so beliebt ist: Er spricht, naja, Klartext. „Dat ass een scheinen Tuttifrutti deen sech do gesammelt huet“, sagte der Außenminister etwa über die neue Koalition, die sich in Israel anbahnt. Und man darf es ihm nicht übel nehmen, denn es war wohl ein Anflug von Asselborn’scher Nostalgie. « Tuttifrutti » ist nämlich nicht nur eine äußerst treffende Bezeichnung für eine Koalition, sondern auch eine Boomer-Reminiszenz an die schöne alte Zeit, als TV-Sendungen mit leicht gekleideten Frauen noch angesagt waren.

Völlig ok ist laut Asselborn auch die russische Außen-…, pardon Friedenspolitik. Man dürfe sich nicht immer nur mit neuen Sanktionen befassen, sondern müsse die « Kanäle » für Diplomatie und Verhandlungen offenhalten. Das sei die wahre « Kunst der Außenpolitik », dozierte der Chefkünstler. Dass das in diesem Fall bedeutet, dass Wladimir Putin, Alexander Lukaschenko und all die anderen lupenreinen Demokraten letztlich machen können, was sie wollen, gehört allerdings zu den unausgesprochenen Wahrheiten der internationalen Kunstszene.

So auch Asselborns Antwort auf die Frage, ob Luxemburg wegen seiner wirtschaftlichen Interessen nicht ein Glaubwürdigkeitsproblem auf der Weltbühne habe: « Mir sinn eng Finanzplaaz. » Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit seien ja schon wichtig. Aber bisschen Cash in der Täsch, ist auch nicht schlecht.

Immer diese bösen Transparenzfanatiker

„Haben sie darüber mal nachgedacht?“, das fragt kein Verschwörungstheoretiker, sondern der frühere Cheflobbyist der Unternehmer über das sogenannte Transparenzregister. Gleich zu Beginn stellt Jean-Jacques Rommes (JJR) fest, dass Transparenz sowohl gut für Demokratien als auch unverzichtbar für Diktaturen sei. Logisch. Das hatte bereits eine andere Staatsphilosophin überzeugend im Februar dargelegt. Mit anderen Worten ist das neue Lobbyregister also ein erster Schritt in Richtung Diktatur! Nach der Corona-Impfung steht also bereits ein nächster Feind für Verschwörungstheoretiker fest.

Aber zurück zu JJR. Mit dem Lobbyregister würde „den Avantage vun de kuerze Weeër am Kär erstéckt ginn“ und noch schlimmer „Politik wäert spierbar manner Informatioune hunn“, also noch weniger Ahnung als heute schon. Es bahnt sich also ein handfester Skandal an. Denn indem die Lobbyisten sich in ein Register eintragen müssen, erfährt die Öffentlichkeit, wie oft sie mit Politikern reden. Somit könnte man ja – Gott bewahre! – feststellen, wie Politiker ihre Meinung bilden.

Und das soll nun wirklich niemanden etwas angehen, denn „konstruktive Verhandlungen werden durch frühzeitige Öffentlichkeit unmöglich“, so der Ex-Cheflobbyist. Bei so einer handfesten Argumentation können wir nur zustimmen. Im Parlament wundern sich derweil die Abgeordneten über die Diskussion: In Sitzungen scrollen sie sich durch Facebook, liken das lustige Video ihres Fraktionskollegen, kassieren « Jetons » und heben bei Bedarf die Hand oder drücken einen Knopf. Dass sie Einfluss auf Gesetze nehmen könnten – das hatte ihnen niemand gesagt.


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