Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer freitags blickt die REPORTER-Redaktion auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein Wahlprogramm, das noch immer keines ist.
Lange wurde darauf gewartet, dann fand man sich damit ab, dass es wohl nicht vor der Sommerpause kommt. Am Mittwoch war es dann doch soweit. Die CSV hat ihr Wahlprogramm vorgestellt. Naja, ganz so stimmt das dann doch wieder nicht. Es handelte sich nämlich nur um den « ersten Teil », wie Generalsekretär Laurent Zeimet vor versammelter Presse erklärte. Den zweiten Teil gibt es im August, den dritten Anfang September. Die Strategie ist klar: Man vertraut wohl darauf, dass die Presse nicht nur ein, sondern drei Mal über das CSV-Programm berichtet.
Das ganze Wahlprogramm präsentiert die stolze Volkspartei erst am 15. September, pünktlich zur Rentrée. Vier Wochen sollten dann genügen, um sich ein Bild von der christlich-sozialen Programmatik zu machen. Im Grunde sind vier Wochen aber fast schon zu lang, denn wie es die Parteioberen auf der Pressekonferenz immer wieder selbst einräumten, enthält das Programm – zumindest der « erste Teil » – nur « wenig Neues ». Dass die CSV den Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer leicht anheben und weniger Gemeinden will, ist in der Tat schon länger bekannt. Zugegeben, der « erste Teil » enthält noch ein, zwei weitere längst bekannte Vorschläge.
Überhaupt ist nicht ganz sicher, ob es zum Wahlkampf kommt. Oder besser gesagt, ob die CSV sich daran beteiligen wird. Denn wie es Spitzenkandidat Claude Wiseler immer wieder betonte, halte er wenig von solch « martialischen » Begriffen wie « Kampf » oder « rote Linien ». Ihm gehe es jedenfalls nicht darum, jemanden zu bekämpfen, ja noch nicht einmal darum, jemanden zu besiegen, sondern schlicht darum, die Regierungsgeschäfte wieder zu übernehmen, um zu gestalten, Verantwortung zu übernehmen, die Probleme des Landes zu lösen, und so weiter.
Wahlkampfverweigerung mit Ankündigung
Ähnlich revolutionär formulierte die CSV auch ihr Wahlprogramm, also wohlgemerkt den « ersten Teil ». « Mir hunn e Plang fir Lëtzebuerg », steht in großen Lettern auf dem Cover. Dazu das Motto der Partei: « CSV – Kloer, No & Gerecht ». Auf der ersten Seite dann: « Gerechtigkeit – Innovation – Effizienz ». Wem das alles noch nicht reicht, der erhält von der Partei auch noch eine Antwort darauf, was sie will: « Wir wollen neue Perspektiven für die Zukunft ».
« Neue Perspektiven für die Zukunft » – die CSV hat damit das für unmöglich erachtete geschafft, nämlich, den flachen Wahlslogan der DP (« Zukunft op Lëtzebuergesch ») in Sachen Kreativität noch zu unterbieten. « Neue Perspektiven für die Zukunft » – das ist ungefähr so originell und aussagekräftig wie wenn ein Restaurant mit dem Spruch für sich werben würde: « Saubere Teller für das Essen ». Oder ein Autogeschäft: « Bereifte Fahrzeuge für das Herumfahren ». Oder eine Zeitung: « Bedrucktes Papier für das Lesen »…

Doch die wahre Wahlkampfstrategie der CSV hat eh nicht viel mit Inhalten und Konzepten zu tun. So lässt es jedenfalls die Darbietung von Fraktionschef Claude Wiseler und Parteichef Marc Spautz bei der Pressekonferenz am Mittwoch vermuten. Rund eine Stunde referierten die beiden Politiker über das Programm – « erster Teil » – und lasen dabei fast alles von jenem Papier ab, das man den Journalisten zuvor ausgeteilt hatte. So als ob man es der Journaille nicht zutrauen würde, selbst vom Blatt abzulesen und gleich auf Anhieb zu verstehen. Nach der guten Stunde Frontalunterricht, war dann – welch Überraschung – leider nicht mehr allzu viel Zeit für kritische Nachfragen der ohnehin latent eingelullten Pressevertreter. Dem Volk könnte es bis zum 14. Oktober jedenfalls ähnlich ergehen. Zuerst die sorgfältige christlich-soziale Sedationsphase, und dann ist es ohnehin schon fast zu spät, um noch viel über Inhalte zu streiten.
Christlich-soziale Champions League
Im Gegensatz zur originellen Präsentation des Wahlprogramms spielt die CSV dafür bei einer anderen politischen Disziplin in der Champions League. Von den vier Abgeordneten, die in der « Chamber » die meisten Nebenverdienste aufweisen, sind drei CSV-Mitglieder. Jeder der drei hat dabei seine eigene Strategie, seine kümmerliche Vergütung als Parlamentarier von in der Regel mehr als 12.000 Euro im Monat etwas aufzustocken. Léon Gloden verdient als Anwalt mindestens genauso viel wie als Abgeordneter. Gilles Roth kann sich im Zweifel auf seine « pension spéciale » als früherer Spitzenbeamter verlassen. Und Michel Wolter, der bereits über Rentenansprüche als Minister und Abgeordneter verfügt, hat es eher mit lukrativen Verwaltungsräten.
Alle drei Topverdiener im Parlament spielen gehaltsmäßig in der gleichen Liga wie die nachweisliche Vielverdienerin Viviane Reding, übrigens auch CSV-Mitglied. Ein anderer Reding überflügelt allerdings alle bisher genannten Christsozialen. Roy Reding (ADR) gibt freiwillig Nebeneinkommen von über 200.000 Euro an. Im Detail verbirgt sich dahinter aber ein Konstrukt an Geschäften, das ähnlich diversifiziert daherkommt wie Luxemburgs Volkswirtschaft – der Finanzplatz ist jedenfalls auch hier Trumpf.
Die Berichterstattung über die Nebenverdienste von Abgeordneten spaltet indes unsere Leserschaft. Manche sind regelrecht entsetzt und fordern strengere Transparenzregeln. Andere sehen das ganze Thema viel entspannter und gönnen den Parlamentariern sogar noch höhere Einkünfte. Auch die Reaktionen im politischen Betrieb sind dem Vernehmen nach recht ambivalent. Manche Abgeordnete wussten längst, wer die Topverdiener sind, und wohl noch mehr. Andere wundern sich eher, warum sie selbst nicht für die Besetzung von lukrativen Verwaltungsräten in Frage kommen. An dieser Stelle können wir leider auch nicht weiterhelfen.