Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Vorbildliche Piraten und ein Premier in seinem Element.
« Es ist alles in Ordnung, jetzt können wir anfangen! » Nein, das ist nicht ein ungelenker Lehrer. Und auch nicht ein peinlicher Onkel bei einer Familienfeier. Der Spruch stammt vom obersten Zeremonienmeister des Landes, Xavier Bettel. Am Montag war « Uschi » zu Besuch, wie sie in der heimischen Presse liebevoll genannt wird, quasi Mutti 2.0. Angesichts der weltfräulichen Aura der neuen Chefin der EU-Kommission wurde unser Premier wohl etwas aus dem Konzept gebracht.
Von der Leyen war aber auch verwirrt: Erst sagte sie Bettel « Bonjour, bonjour », wechselte sogleich ins Englische und dann ins Deutsche. Diese Luxemburger aber auch! Die sprechen alles und verstehen noch mehr. Dann musste sie auch noch den Kopf drehen, als Xavier ihr seine wahrlich beeindruckende Kunstsammlung zeigte. « Und da hinten ist Pringles », sagte er und zeigte auf das kunstvolle Bild des Chipsrollen-Mannes, das den Sitzungsraum im Staatsministerium dominiert. Uschi schaute verwirrt.
Aber wenn erst einmal « alles in Ordnung » ist und Xavier Bettel angefangen hat, kann quasi keiner seinem Charme widerstehen. Oder wie Mr. Pringles sagt: Einmal gepoppt, nie mehr gestoppt!

Kein Alkohol ist auch keine Lösung …
Nicht nur die neue Kommissionschefin, auch der alte ist wieder da, oder immer noch. Nachdem Jean-Claude Juncker kürzlich zum ersten Mal als Politpensionär am « Neijoerspatt » der CSV teilgenommen hatte, nahm sich der ehemalige Langzeitpremier am Donnerstag doch ganze zwei Stunden Zeit, um mit RTL-Prime-Time-Moderatorin Caroline Mart über sein ereignisreiches politisches Leben zu plaudern. Wir geben zu: Es gibt wohl nicht viele Luxemburger (Politiker), bei denen ein 120-Minuten-Interview so kurzweilig und überhaupt auszuhalten ist.
Und doch hatte das « Kloertext Special » einige unbehagliche Momente. So etwa, als sich Juncker mal wieder veranlasst sah, die hartnäckigen Gerüchte über seinen konsequenten Alkoholkonsum dementieren zu müssen. Er habe es gar nicht so mit « starkem Alkohol » erklärte sich der Mann, der schon große Politik machte, als der Pringles-Premier noch für Spielplätze demonstrierte. Jeden Tag zu erklären, er sei gar kein Trinker, das sei doch nun wirklich « lächerlich », sagt Juncker. « Dofir hale mer och elo op. » Zu Befehl!
Juncker, das selektive Gedächtnis der Nation
Der aufmerksame Zuschauer ist denn auch durchaus beeindruckt, wie gut Junckers Gedächtnis trotz der nervigen Dauerfragen zum Fusel immer noch ist. So merke er sich jede und jeden, die ihn in den vergangenen Jahrzehnten enttäuscht bis verraten haben, und notiert sie immer noch in seinem ominösen « schwarzen Büchlein ». Auch erinnert er sich noch an so ziemlich jedes Detail aus seiner politischen Jugend in den 1980er Jahren und kann bei Bedarf mit etlichen lustigen Anekdoten aufwarten. Dabei dürfen Klassiker wie Helmut Kohl, Jean Asselborn und der Flipper im Keller natürlich nicht fehlen.
Nur bei einer Etappe seiner Karriere kann er sich plötzlich nicht mehr so recht an viel erinnern: die Geheimdienstaffäre. Was war das noch gleich? Eh nicht so wichtig, wenn es nach Juncker geht. Was waren das damals aber auch für hektische, unübersichtliche Zeiten! Da vergisst man so einiges. Hatte die CSV 2013 eigentlich die Wahlen verloren? Oder wurde der Liebling der Massen, der besser gewählt wurde « als alle anderen » wider die demokratischen Regeln aus der Macht bugsiert, wie es Juncker immer noch behauptet? Wir können uns grad auch nicht mehr erinnern.
Deshalb haben wir nochmal höchst exklusiv nachgerechnet, und natürlich hat Juncker Recht! Drei Sitze und mehr als vier Prozent weniger als bei den Wahlen zuvor: 2013, das war ein wahrer Erdrutschsieg der Christsozialen. Und auch die Tatsache, dass die blau-rot-grünen Putschisten seitdem über eine Mehrheit im Parlament verfügen, ist letztlich irrelevant und wenn überhaupt nur böse, geschichtsklitternde Anti-CSV-Propaganda. « Dofir hale mer och elo op. »
Saubermänner im Visier einer Verschwörung
Weniger unbehaglich als absolut vorbildlich präsentieren sich dagegen Luxemburgs Piraten. Nach ihrem phänomenalen Einzug ins Parlament, glänzen die beiden Abgeordneten der Piraten mit hervorragender, ja aufopferungsvoller Oppositionspolitik, sagen die Piraten. Sie treiben die Regierungsparteien geradezu vor sich her und sind quasi schon auf dem Weg zur absoluten Mehrheit, sagen ihre Fans. Kein Wunder also, dass die politische Konkurrenz langsam Angst vor den geradezu brillanten Piraten bekommt, wie es Sven Clement und Marc Goergen immer wieder behaupten.
Um gegen die Saubermänner der Luxemburger Politik, die sich absolut nichts vorzuwerfen haben, vorzugehen, muss man sich also schon etwas einfallen lassen. Dabei schrecken die anderen Parteien vor nichts zurück. Kürzlich wurde sogar der « unabhängige » (Buuuuuh!) Rechnungshof eingespannt, um das einwandfreie Image der Piraten zu beschmutzen. Die Partei soll bei ihrer Finanzführung gegen das « Gesetz » verstoßen haben, heißt es. Gleich mehrmals sollen die nachweislichen Polit- und Finanz-Profis aus Kopstal in ihrer Buchhaltung getrickst und Anfängerfehler gemacht haben, so kritzelte es sich zumindest die « Cour des Comptes » in ihrem jüngsten Bericht zusammen.
Wir finden: Die ganze Aufregung ist komplett übertrieben. Wahlwerbung, von der niemand etwas wissen will, ein paar Zehntausend Euro, die falsch abgerechnet wurden und weitere dubiose Vorgänge: Alles das beweist rein gar nichts, außer, dass die Piraten hier eindeutig das Opfer sind und die anderen Parteien noch viel schlimmer sind, wie es Ehrenpräsident Sven Clement behauptete. Beweisen kann das zwar keiner. Aber dass die Piraten blitzsauber mit ihrem vom Steuerzahler überwiesenen Geld umgehen, das liegt mindestens so sehr auf der Hand wie der fulminante Wahlsieg der CSV im Oktober 2013.
Und auch, dass die Partei gemeinsame Sache macht mit einer « Boulevardzeitung », für die sich selbst die « BILD » schämen würde, ist absolut ok und noch lange kein Grund, morgens nicht mehr in den Spiegel schauen zu können. Deshalb: Ahoi und weiter so, liebe Piraten!