Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Eine Sternstunde in der « Chamber » und andere politische Schlammschlachten.

Man muss sagen, wie es ist: Hin und wieder lohnt es sich, nicht sechs Monate auf das « Chamberbliedchen » zu warten. Manchmal geht nichts über das gute, alte Chamber TV.

« Darf ich auch mal was sagen », fragte Fernand Etgen in der vergangenen Folge in die Runde seiner Kollegen. Im Grunde ist er es ja, der das Wort erteilt. Doch beim Chaos am Donnerstag im Plenum konnte das selbst der wie immer souveräne Parlamentspräsident mal vergessen.

Doch wir fühlen durchaus mit: Nach vollen sechs Stunden Debatten sind auch unsere Supervolksvertreter müde. Da vergessen sie dann auch mal abzustimmen. Irgendwann wurde der nette Herr Etgen dann aber, naja, streng: « Es kann nicht sein, dass wir jede Abstimmung korrigieren müssen. »

Abstimmen, bis das Ergebnis stimmt

Es ging übrigens um den Vertrag zwischen dem Staat und RTL, also den geheimen Teil davon. Praktischerweise war auch der RTL-Verwaltungsrat zahlenmäßig gut im Parlament vertreten. Die Verwaltungsratsmitglieder von CLT-Ufa, Gilles Baum und Georges Engel, meinten etwa: Es sei ja schön und gut, dass die Vertreter des Volkes – oder sogar, Gott bewahre: das Volk – wissen wollen, was die Firma denn so mit Xavier Bettel ausgehandelt habe. Aber: Alles geheim! Und das sei auch gut so.

Böse Zungen behaupten, dass die Vertreter von Blau-Rot-Grün (naja, besonders Grün) nicht wussten, wie sie abstimmen sollten, weil es ihnen vorher niemand gesagt hatte. Das ist aber auch total unfair, fand Grünen-Fraktionschefin Josée Lorsché. Es ist ungefähr so, wie wenn Lehrerin Josée ihren Schülern vor der Prüfung nicht sagt, welche Fragen drankommen werden. Dass ein Abgeordneter nach bestem Wissen und Gewissen (und im Interesse der Allgemeinheit) abstimmen soll, steht ja auch nur in einem uralten Text namens Verfassung, der offenbar nicht mehr zur Pflichtlektüre zählt.

Und überhaupt ist es auch total anstrengend sowohl anwesend zu sein als auch aufzupassen – ein bisschen viel verlangt für das läppische Sitzungsgeld. Klassensprecher Fern hatte übrigens auch den Überblick verloren: Waren es jetzt 29 Nein-Stimmen oder 28? Aber nett wie er ist, ließ der Präsident einfach die Prüfung, also die Abstimmung wiederholen, bis das Ergebnis stimmte. Praktisch.

Masken-Rebellen im Mainstream

Nicht nur letzte Woche zeigte sich: Im Parlament ist es wie in der Schule. Das gefühlte Niveau sinkt Jahr für Jahr. Die Schüler werden immer dümmer, sagen die Lehrer. Die Lehrer sind endnervig und auch nicht gescheiter, erwidern die Schüler. Und tatsächlich stellte sich diese Woche heraus, dass genau 120 Lehrer versetzungsgefährdet sind. Und das bereits im ersten Semester. Leseverständnis: Sechs! Biologie: Sechs! Rechnen: Sechs! Benehmen: Ausbaufähig.

120 Lehrer – oder ein Lehrer und seine imaginären Freunde – finden nämlich, dass sie keine Masken anziehen müssen. Sie würden ja gerne, aber aus Solidarität mit ihren Schülern können sie nicht. Für die sind die Masken nämlich echt gefährlich. Sagt zumindest der Schwager eines Freundes auf Facebook, ein veganer Koch bei Telegram und ein gescheiterter Moderator auf Youtube.

Doch anders als in den meisten Staaten der globalen Covid-Verschwörung brodelt in Luxemburg die anonyme Masken-Rebellion mitten im medialen Mainstream. Ohne mit der Wimper zu zucken, und ohne jegliche journalistische Einordnung, veröffentlichte nämlich RTL den « offenen » Brief auf seiner Webseite. Wir halten es da eher konservativ mit Grünen-Chefin Josée aus der Chamber: Im Zweifel einfach nochmal eine Runde nachdenken.

Don’t mess with Lydie… or Corinne

Manchmal muss man als Politiker aber nicht nur nachdenken, sondern auch etwas nachhelfen. Das dachte sich sicher Lydie Polfer – die vermutlich dienstälteste Bürgermeisterin der Welt. In einem Presseschreiben ihres Schöffenrats erklärte sie, dass ihre Privatpatrouillen im Bahnhofsviertel absolut rechtskonform sind. Also gefühlt.

Die Stadt Luxemburg sei auch sehr froh, dass die Justizministerin endlich Einsicht zeige und das Gesetz zu den Sicherheitsdiensten an die Praxis anpassen wolle. Die gute Sam Tanson hat eben durchaus Erfahrung gesammelt. Als Schöffin der Hauptstadt hat sie etwa gelernt, dass man sich besser nicht mit Iron Lady Lydie anlegt. Aus Prinzip.

Apropos anlegen: Die Affäre Monica Semedo scheint nach rund zwei Wochen atemberaubenden Handlungswechseln doch tatsächlich am Ende der ersten Staffel angelangt zu sein. Die Hauptdarstellerin hat sich zwar immer noch nicht zum Kern der Affäre geäußert. Dafür aber DP-Parteichefin Corinne Cahen, die zwar gerne Wahlsiege feiert und Generalsekretäre ins kommunikative Verderben stürzt, aber offenbar nicht als « Babysitter » oder « Bodyguard » eingestellt wurde.

Die DP will denn auch nach vorne schauen und aus der Affäre lernen. Und sich laut der Parteichefin in Zukunft eingehend mit den Themen « Mobbing » und « Belästigung » beschäftigen. Monica Semedo wird leider nicht mehr dabei sein. Sie hat ihre einstige Partei stilvoll via Facebook-Post verlassen und will nun als anspruchsvolle Einzelgängerin im EU-Parlament so richtig durchstarten. Wir finden: Das kann nur ein Riesenerfolg werden.

Ohne Babysitter oder liberalen Welpenschutz repräsentiert sich das europäische Volk doch schon gleich viel unbeschwerter. Und über allem schwebt denn noch ihre Ankündigung, sich irgendwie, irgendwo, irgendwann per « Interview » zur ganzen Sache zu äußern. Klarer Fall von « Dossier zou ».


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