Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: die wahren Probleme und das süße Leben des Premiers der Herzen.

In den vergangenen Wochen wurde uns öfter eine besondere Frage gestellt: Haben wir sonst keine Probleme? Die Antwort ist natürlich schwierig, denn es gibt immer andere Probleme. Gerade haben wir ja noch eine Pandemie, aus der wir uns rausboostern müssen. Aber die ultimative Antwort auf diese Frage hat natürlich nichts mit einem tödlichen Virus zu tun.

Xavier Bettel sieht das alles entspannt. Er hat immer gut geschlafen, sagt er. Ganz nach dem Motto: Was kümmert mich mein Copy-and-Paste von vor 22 Jahren. Entsprechend war der Premier der Herzen diese Woche auf Entspannungstour, bis er dann am Freitag wieder Krisenmanager spielen musste.

Am vorigen Wochenende gab es ein gemütliches Dinner mit Ex-Kollege Matteo Renzi. Der italienische Ex-Shooting-Star ist gewissermaßen ein Bruder im Geiste, der wie Bettel früh die Macht von Facebook für seine politische Karriere entdeckte. Wenige Tage später unterstützte Dr. h.c. mult. Xavier Bettel seinen Busenfreund Stéphane Bern, als dieser zum « Commandeur dans l’Ordre de l’Honneur grec » befördert wurde. Brigitte (Macron) war übrigens auch da. Toll!

Dann ging es weiter nach Brüssel, wo Xav das 100-jährige Bestehen der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion feierte. Natürlich auf seine moderne Art: « L’occasion pour le Premier ministre, Xavier Bettel, de réapparaître sur TikTok », feierte « L’Essentiel » den Check zwischen Bettel und seinem belgischen Kollegen. Man muss ja die jungen Leute da abholen, wo sie sind, und nicht mit hochtrabenden politischen Inhalten (oder Fußnoten) nerven.

Xavier « Je n’y peux rien »

Wie man sieht, ist Xav durch seine Plagiatsaffäre nicht zum Paria geworden. « Niemand meidet Luxemburg deswegen », betonte er am Freitag. Der Grund ist einleuchtend: « Der eine oder andere ausländische Kollege hat ja auch bereits Erfahrungen mit solchen Affären gemacht. » Ein Plagiat quasi als Auszeichnung für Staatsfrauen und -männer. Darauf kommt nur Xav.

Er selbst hat mit seinem Plagiat nichts zu tun, er hatte eine « Kompilation » gemacht – klingt natürlich vornehmer. Das war die Schuld seines Professors. An dieser Stelle erblassen alle Schüler vor Neid. Eine solch abgebrühte Ausrede ist auf ihre Weise genial. Keine Hausaufgaben gemacht? Da ist der Lehrer schuld, schließlich wusste er, dass der Schüler faul und dumm ist.

Andererseits ist es ja auch nachvollziehbar: Wenn es Dummheit war, dann war es « kein Gefuddels ». Wenn der Lehrer beim « Knäipen » geflissentlich wegschaut, dann ist das voll legal – zumindest in der Welt des Xavier. Es passt aber zur liberalen Lebenseinstellung: Die Arbeit anderer muss sich für mich lohnen.

« Schoulmeeschter », bleib bei deiner Tafel

Von seinen Parteifreunden muss Xav nichts befürchten. Sein Junior-Minister Lex Delles meinte im « RTL-Kloertext », dass die Universität Nancy Bettels Arbeit im « akademischen und historischen Kontext » prüfen müsse. Nach dem Motto: Sie hatten ja damals nichts. Nicht einmal Fußnoten.

Sexy Lexi (wie ihn Bettel liebevoll nennt) kann das Plagiat natürlich nicht bewerten. « Ech si Schoulmeeschter », betonte er. Und trotzdem wurde er zum Minister für Märchenparks und Péckvillercher. Respekt!

Lex Delles weiß, was er kann und was nicht, das schätzen die Bürger. Im Gruselkabinett namens « Politmonitor » ist er zweitbeliebtester Liberaler, immerhin! Die Menschen halten ihn für doppelt so sympathisch und kompetent wie Corinne Cahen. Selbst Marc Hansen – Sie wissen schon, der Mann, der vorgibt Minister zu sein – wird als kompetenter als die DP-Präsidentin gehandelt.

Im Grunde ist das die liberale Lehre: Je weniger du machst, desto beliebter bist du. Corinne Cahen hatte aber den Fehler gemacht, diese Maxime in einer Pandemie in Altenheimen umzusetzen. Das klappte nicht so optimal. Aber wie Paulette Lenert zu bullshitten pflegt: Nachher ist man immer schlauer.

Zum Herunterspülen

Dass das Parlament der Regierung alles durchgehen lässt, ist übrigens völlig falsch. Sie kümmern sich halt um die anderen « Probleme ». Nicht weniger als sechs Abgeordnete von LSAP, CSV, Piraten und Déi Gréng nahmen ihren Job sehr ernst und grillten die Exekutive. Der unglaubliche Skandal: Im Luxemburger Pavillon der Weltausstellung wurde nur zu 60 Prozent Wein von der Luxemburger Mosel verkauft, der Rest war irgendein Gesöff aus der Bourgogne oder der Toskana. Und wie das CSV-Einfrau-Kompetenzteam Octavie Modert richtig bemerkte: « 40 Prozent sind aber knapp die Hälfte. »

Die grüne Hobbywinzerin Chantal Gary klagte, dass überhaupt kein Biowein auf der Karte in Dubai steht. Dabei bestehe « ein überparteilicher Konsens, dass Luxemburger Weine und Crémants von exzellenter Qualität sind », betonte sie. Tatsächlich kann man wohl mit Fug und Recht behaupten, dass sich in diesem Dossier alle Abgeordneten hervorragend auskennen – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Dieser geballten Kompetenz hatte der Kaviar-Sozi Franz Fayot kaum etwas entgegenzusetzen. Tatsächlich sei es angenehm, bei 30 Grad im Schatten seine « Kniddelen » mit einem kalten (und exzellenten) Luxemburger Wein « rofzespullen », äh, zu genießen.

Die Franzosen klauen uns die « cancoillotte »

Déi Lénk ließen den bürgerlichen und konterrevolutionären Crémant rechts liegen und kümmerten sich dagegen um die Kraftquelle Luxemburger Arbeiter: den « Kachkéis ». Was die Currywurst für Gerhard Schröder ist, ist die « cancoillotte » für Myriam Cecchetti und Nathalie Oberweis.

Und jetzt kommt der Skandal: Die Franzosen wollen unserem Prinzen Charel den Käse von der Schmier klauen. Also fast: Die Franche-Comté will eine « geschützte geografische Angabe » für die « cancoillotte » bei der EU beantragen. Dann dürften die Luxemburger Hersteller ihren « Kachkéis » nicht mehr so nennen. Sozi-Landwirtschaftsminister Schnicki (mit bürgerlichem Namen Romain Schneider) hatte dieses brenzlige Thema nicht auf dem Schirm. Allerdings versteht man dann auch, warum er keine Lust mehr auf seinen Job hat.

Der Aufreger nächste Woche: Warum gibt es in der Schengen-Lounge in Dubai kein « Cochon à la volonté » der Marque nationale?


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