Im Live-Interview mit REPORTER spricht Claude Wiseler über eine mögliche Rentenreform, fehlende rote Linien bei der CSV und über seinen Kampf für die Tram. Alle Highlights des Abends und das Video zum Nachschauen.

Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Claude Wiseler hat sich am Freitag bei REPORTER Live den Fragen von Christoph Bumb gestellt und ist so aufgetreten, wie man ihn kennt: ruhig, besonnen, vorsichtig.

Dabei ist es genau das, was ihm gerne vorgeworfen wird. Er sei „zu nett für die Politik“, zu sanft, zu nachdenklich. Alles Kritiken, die ihm bekannt sind. „Mir geht es darum, meine Ideen und Visionen zu erklären“, stellt Wiseler klar. „Und dass ich das manierlich und nett rüberbringe, ist bei mir nun einmal so. Warum soll ich schreien und frech werden, um Politik zu machen?“ Das sei nicht seine Art.

Er glaube außerdem, dass Menschen genug von Politikern haben, die sonst nichts machen würden als „een dem aneren eng op d’Bëlz ze haen.“

Diplomatisch blieb Claude Wiseler auch beim Thema Tram. Wer ist denn nun der Vater oder die Mutter des Projekts? Er oder Infrastrukturminister François Bausch? Da gingen die Meinungen der beiden Politiker in der Vergangenheit weit auseinander. Sowohl Wiseler als auch Bausch beanspruchten den Titel für sich.

Heute scheinen sich die Wogen wieder geglättet zu haben. „Ich bin auf jeden Fall nicht die Mutter“, scherzte Wiseler. Als Transportminister habe er aber viele Gespräche führen müssen, um die Kollegen vom Projekt zu überzeugen. Unter anderem „auch Herrn Bettel und die DP“, sowie die Grünen, die damals lieber am « Bus-Tram-Bunn »-Konzept festgehalten hätten.

Die breite Akzeptanz kam erst 2014, als Infrastrukturminister Bausch und die Mobilitätsschöffin der Stadt Luxemburg, Sam Tanson, ein neues Tram-Konzept vorstellten. Von Wiseler sprach damals aber niemand mehr. Er sieht das Projekt trotzdem – und zumindest teilweise – als sein eigenes an: „Ich habe für die Tram gekämpft. Sie hat aber viele Väter und Mütter. Vielleicht müssen Sie dafür einen DNA-Test machen.“

Wiseler, die Renten und das Kennedy-Zitat

Unklar ist weiterhin auch, wie Claude Wiseler seine angekündigte Rentenreform umsetzen will, sollte die CSV den Sprung in die Regierung schaffen. Die Reform ist ein Kernthema des Wahlprogramms. Konkrete Umsetzungsvorschläge fehlen aber. Auch während des Gesprächs liefert Wiseler nur so viel: „Wir wollen das System langfristig absichern und es gibt mehrere Punkte, die man dafür ändern kann. »

Eine Erhöhung der Beiträge? „Das ist nicht ausgeschlossen“, sagt er. Ebenso wenig, wie eine Debatte über neue Finanzierungsmöglichkeiten und eine Anpassung des realen an das gesetzliche Rentenalter von 65 Jahren. Alles Punkte, die die Partei mit den Sozialpartnern diskutieren will, bevor sie konkrete Vorschläge öffentlich macht. Kürzungen bei den Renten, die jetzt ausgezahlt werden, wird es aber nicht geben, versichert Wiseler.

Wir wollen die Betriebssteuer von 26 auf 20 Prozent senken, weil es in unseren Augen notwendig ist, dass unsere Betriebe konkurrenzfähig bleiben. »

Und während ein Etienne Schneider überhaupt keinen Handlungsbedarf beim Thema Renten sieht, hält Claude Wiseler an seinem Credo fest. „Es ist besser, wir handeln, so lange es uns noch gut geht“, wiederholt er bereits seit Monaten gebetsmühlenartig. Nur so könne man die Renten langfristig absichern, sagt er auch im Gespräch mit REPORTER. Dabei greift Claude Wiseler immer wieder auf ein Zitat von John F. Kennedy zurück, um seinen Handlungsbedarf bei der Renten-Problematik zu veranschaulichen. So auch am vergangenen Freitag: „Die beste Zeit, um das Dach zu reparieren, ist, wenn die Sonne scheint.“

Eine Betriebssteuersenkung „step by step“

Keine Metaphern, dafür aber klare Worte beim Thema Steuersenkung für Unternehmen: „Wir wollen die Betriebssteuer von 26 auf 20 Prozent senken, weil es in unseren Augen notwendig ist, dass unsere Firmen konkurrenzfähig bleiben“, sagt Wiseler.

Wegen neuen EU-Regulierungen sei Luxemburg ab 2019 nicht mehr in der Lage, Absetzung von Steuern für Betriebe attraktiv zu gestalten. Der „Taux d’affichage“ sei der einzige Punkt, der dabei helfe, die Wettbewerbsfähigkeit der bereits angesiedelten Unternehmen und die Attraktivität für neue Investitionen in Luxemburg sicherzustellen.

Seine Mission ist klar: Claude Wiseler will Premier werden. « Und bis zum Schluss werde ich mit den Bürgern über meine Standpunkte und Pläne diskutieren », sagt er bei REPORTER-Live. (Foto: Matic Zorman)

Es ist einer der wenigen Punkte des Wahlprogramms, bei dem Wiseler einen konkreten « Plan » hat: Die Steuersenkung soll nicht in einem Schritt, sondern etappenweise umgesetzt werden. „Wir würden das gerne in zwei, drei Etappen angehen, damit wir keine finanziellen Schwierigkeiten bekommen“, sagt der CSV-Spitzenkandidat. „Das Budget muss im Gleichgewicht bleiben.“ Wiseler plant sieben Jahre ein, um schließlich bei den geplanten 20 Prozent anzukommen.

Die Kosten für den Staat werden sich dabei auf 400 bis 500 Millionen pro Jahr belaufen, die Reform sei somit finanziell durchaus tragbar, meint Wiseler: « Ich bin davon überzeugt. » Zudem zeige die Erfahrung zumindest in Luxemburg, dass es durchaus positive Effekte einer solchen Steuersenkung gebe. Will heißen: Durch zusätzliches Wachstum finanziere sich die Senkung des Steuersatzes für den Staatshaushalt zum Teil von selbst.

Koalitionsmöglichkeiten: Alles geht, nichts muss

Zahlen liegen Wiseler („Das ist Mathematik“). Klare Aussagen zu Koalitionen dagegen weniger. Während sich Etienner Schneider ganz klar dafür ausspricht, die Dreier-Koalition weiterzuführen, will Claude Wiseler sich nicht zu einer Wunsch-Koalition äußern. Und das, obwohl seit einiger Zeit hinter den Kulissen über ein schwarz-blaues Projekt gesprochen wird.

Darauf angesprochen, bleibt Wiseler ruhig – wie immer. LSAP, die Grünen oder doch tatsächlich die DP? Knackpunkte findet er bei allen drei Partien. „Die Gespräche werden kompliziert“, sagt Wiseler über mögliche Koalitionsverhandlungen. Für „Gambia“, wie er sagt, sehe er aber auch keine Zukunft. „Auch das wird schwierig“, schaue man sich die unterschiedlichen Programme an.

Was sind also die Optionen? Xavier Bettel macht keinen Hehl mehr daraus, dass er sich mit einer CSV-Koalition anfreunden könnte. Mit Claude Wiseler könne er auch menschlich gut, sagte der Premier im Gespräch mit REPORTER. Claude Wiseler hält es lieber vage. „Ich habe menschlich überhaupt kein Problem mit Herrn Bettel. Ich habe aber auch keins mit Herrn Bausch oder Herrn Schneider“, sagt er ganz diplomatisch. Alles geht, nichts muss.

Als neue Regierung hat man die Pflicht, eine gewisse Kontinuität aufrecht zu erhalten. »Claude Wiseler

Dabei wird Wiseler selbst gerne als liberal eingestuft. Aber: « Dann wäre ich bei der DP. Ich fühle mich wohl, dort, wo ich bin. Und ich werde auch dort bleiben. »

Bei der DP sieht Wiseler die größten Probleme bei der Familien- und Erziehungspolitik, bei der LSAP sind ihm Themen wie die 38-Stunden-Woche oder die Netto-Mindestlohn-Erhöhung ein Dorn im Auge und bei den Grünen tut er sich mit dem erst kürzlich verabschiedeten Naturschutzgesetz schwer. „Daran muss gearbeitet werden. Das ist ein großer Knackpunkt für uns mit den Grünen“, sagt Wiseler.

Keine « No Go’s », aber eine Reihe von « Musts“

Anders als manche Konkurrenten hat Claude Wiseler sich keine roten Linien für Koalitionsgespräche gesetzt. „Ich mache Politik nicht auf eine martialische Art“. Er habe deshalb « keine No Go’s », dafür aber „eine Reihe von Musts“. Fest steht aber: Die großen Gesellschaftsreformen des Xavier Bettel, findet er zwar nicht alle gut, wolle er aber nicht antasten. „Als neue Regierung hat man die Pflicht, eine gewisse Kontinuität aufrecht zu erhalten“, so Wiseler. Alles wieder rückgängig zu machen, würde der Gesellschaft nicht gut tun.

Einige Punkte will er dennoch angehen – und ändern. Unter anderem will er den neu eingeführten „Vie et Société“-Kurs überarbeiten. Ebenso wie die Reform der Kirchenfabriken. „Dat Gesetz gëtt op de Leescht geholl“, sagt Wiseler mit Verweis auf punktuelle Anpassungen. „Eine Gemeinde muss keine Kirche instand halten, wenn sie das nicht will. Wenn sie das aber machen will, dann soll sie das auch machen können“, so Wiseler. „Für mich gehört eine Kirche ins Dorf.“

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