Durch akuten Lehrkräftemangel sind Luxemburgs Grundschulen vermehrt auf Quereinsteiger angewiesen. Im laufenden Schuljahr sollen über 200 Neulinge im Beruf zu regulären Lehrern werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es bei diesem Übergang immer noch Hürden gibt.

Im Schuljahr 2017/2018 offenbarte sich ein enormer Lehrermangel in den Grundschulen: Für 291 offene Stellen hatten sich lediglich 168 Kandidaten gemeldet. Davon waren nur 91 frisch diplomierte Pädagogen, die restlichen hatten bereits als Hilfslehrer im luxemburgischen Schulwesen gearbeitet. Eine Lösung musste her und zwar schnell. Das luxemburgische Quereinsteiger-Modell war geboren. Ein Abkommen mit der Lehrergewerkschaft SNE/CGFP wurde Anfang 2018 unterzeichnet. Das passende Gesetz folgte noch vor der Sommerpause.

463 Kandidaten meldeten sich daraufhin. Annabelle Schmit* war eine davon, sie begreift das Quereinsteiger-Modell als Chance. Die Mittvierzigerin hat schon eine längere berufliche Laufbahn hinter sich: ein Studium der Wirtschafts- und Politikwissenschaft, ein Job in der Personalabteilung eines großen Unternehmens, Selbstständigkeit, einige Jahre als Ersatzlehrerin im Grundschulsystem. Jetzt dann endlich eine Festanstellung als Quereinsteigerin.

Nebenbei hat Schmit noch Kinder großgezogen. Der Lehrberuf lag ihr schon immer, sagt sie. Warum sie wechseln wollte? Nicht zuletzt die familienfreundlichen Arbeitsstunden hatten es ihr angetan. Da brauchte es nur den Tipp einer Bekannten. Sie hatte vorher nicht gewusst, dass Ersatzpersonal in der Schule so schnell anfangen konnte. Damals war von wirklichen Quereinsteigern noch keine Rede.

Ein Quereinstieg mit Perspektive

Diesen September wurden 229 Quereinsteiger angestellt: Rund die Hälfte der Kandidaten wurde also zurückbehalten. Voraussetzung war ein Studium in einem « schulnahen » Fach mit mindestens einem Bachelorabschluss. Neben der Festanstellung besteht die Möglichkeit anschließend den « Concours » zu machen und in die reguläre Beamtenkarriere einzusteigen. Aber nur wer die angebotene Weiterbildung besteht, hat Aussichten auf eine reguläre Lehreranstellung.

Unter den Quereinsteigern sind ganz unterschiedliche Profile zu finden: Einige Bewerber unterrichten schon seit längerem, andere standen noch nie vor einer Klasse. Einzelne haben sogar einen Abschluss in Erziehungswissenschaft vorzuweisen. Zudem gibt es solche, die wie Annabelle Schmit, einiges an Lebenserfahrung mit sich bringen. Andere kommen dagegen frisch von der Universität.

Kein klar definiertes Kandidatenprofil

Die Quereinsteigerin Schmit bezeichnet das Quereinsteiger-Modell als « zeitgemäß ». Kaum jemand würde heute lebenslang denselben Job machen wollen. Von der Bank an die Schulbank zu wechseln, sollte heute nichts Außergewöhnliches mehr sein. Das System erlaubt es zudem, je nach Bedarf mehr oder weniger Kandidaten anzunehmen, wenn das Instrument Quereinsteiger richtig genutzt wird. Annabelle Schmit ist jedoch der Meinung, dass nicht alle Kandidaten passend zum Job ausgewählt wurden.

Auf Nachfrage von REPORTER betont das Ministerium die Auswahlkriterien: ein Bachelor im Einklang mit den Zielen der Grundschule, bestenfalls in einem oder mehreren Hauptfächern. Außerdem wurden prioritär Kandidaten ausgewählt, die bereits als Hilfslehrkräfte gearbeitet haben oder sonstige Erfahrung mit Kinderbetreuung hatten. Eine Kommission hat im Sommer entschieden, welche Kandidaten zurückbehalten wurden.

Aus vielen Schulen kriegen wir positive Rückmeldungen, es herrscht durchaus der Konsens, dass das Modell eine Bereicherung darstellt. »Elisabeth Houtmann, IFEN

Um die neuen Lehrkräfte auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten, gab es einen Intensivkurs im September. Anschließend waren die zum Teil frischgebackenen Lehrpersonen fünf Stunden pro Woche freigestellt, um sich der obligatorischen Weiterbildung zu widmen. Zudem ist die dauernde Unterstützung durch erfahrene Lehrkräfte vorgesehen. Das Bildungsministerium räumt dabei ein, dass  einige Quereinsteiger ziemlich wahrscheinlich im September das erste Mal vor einer Klasse standen.

Mangelnde Erfahrung und Abbrecher

Joel Mischaux, Regionaldirektor in Dudelange berichtet, dass in seiner Region zwei von 23 Lehrkräften momentan Anpassungsschwierigkeiten hätten und deshalb näher betreut werden müssten. « Sie denken aber nicht daran aufzuhören. » Mit Hilfe der ohnehin vorgesehenen Referenzpersonen würden diese ihren Erfahrungsrückstand in den Griff bekommen, so Mischaux.

Die Praxis kann ernüchternd sein: « Die meisten Referenzpersonen haben kaum Zeit, uns viel zu unterstützen », sagt Annabelle Schmit. Außerdem sei die Rolle nicht klar zwischen Evaluationen und Coaching unterschieden, denn die zugeteilten erfahrenen Lehrer würden auch an Begutachtungen von Schulstunden teilnehmen. In ihrer Region hätten auch schon ein paar das Handtuch geschmissen, berichtet Annabelle Schmit.

Im Ganzen haben drei im September eingestellte Quereinsteiger aufgehört, heißt es aus dem Ministerium. Weitere Wackelkandidaten würde es durchaus geben, berichtet eine andere Quereinsteigerin.

Eine Bereicherung für die Schulen

Der Quereinstieg wird meist als Bereicherung der Schullandschaft wahrgenommen. In Luxemburg scheint dies trotz anhaltender Herausforderungen auch der Fall zu sein. Quereinsteiger bringen Berufserfahrungen oder zumindest fundierte Kompetenzen in einem der Schulfächer mit. Diese Tatsache empfinden die Arbeitskollegen oft als interessanten Zusatz in der Schule. Ein Quereinsteiger mit einem Geografie-Bachelor kann beispielsweise seinen Lehrerkollegen mit fachlich fundiertem Wissen in seinem Fach assistieren.

« Aus vielen Schulen kriegen wir positive Rückmeldungen, es herrscht durchaus der Konsens, dass das Modell eine Bereicherung darstellt », sagt Elisabeth Houtmann vom « Institut de Formation de l’Éducation national » (IFEN). Im Vergleich zu den klassischen Lehreranwärtern des IFEN seien viele Quereinsteiger deutlich motivierter, bemerkt die beigeordnete Direktorin. Nach den Stunden würden sie nach zusätzlichem Input fragen und eifrig die Referenzen aufschreiben.

Skepsis und mangelnde Akzeptanz

Annabelle Schmit berichtet dagegen von der etwas festgefahrenen beruflichen Identität. Manche alteingesessene Lehrer würden gerne anmerken, dass sie im Gegensatz zu den Quereinsteigern das erforderte Studium absolviert hätten. Mit der Integration hatte die Quereinsteigerin persönlich bisher keine Mühe, das hänge aber sicher auch mit dem individuellen Auftreten und der Lebenserfahrung zu zusammen.

Vor allem jüngere Kollegen würden sich aber über einen Mangel an Akzeptanz beklagen. In den Weiterbildungen kommen die negativen Rückmeldungen der Quereinsteiger auch an: Elisabeth Houtmann vom IFEN hat vernommen, dass einige die Integration als Hürde empfinden und sich in den Schulen nicht akzeptiert fühlten.

Groß war die Skepsis nicht nur bei den Lehrern, sondern auch die Ausbilder taten sich am Anfang schwer mit der Idee der Quereinsteiger. « Die Ausbilder mussten erst überzeugt werden », sagt Elisabeth Houtmann. Einige Mitarbeiter am IFEN wären sogar gegen die Idee gewesen und hätten anfangs die Mitarbeit verweigert.

Zwischenbilanz eines neuen Modells

Die angebotene Weiterbildung beträgt insgesamt 240 Stunden. Die Fächer sind ganz exakt in einer großherzoglichen Verordnung festgehalten. « Viel Stoff, um das alles in einem Jahr zu bewältigen », sagt Annabelle Schmit. Sie hätte sich etwas mehr Zeit gewünscht. Vor allem, da die meisten schriftlichen Vorbereitungen und Probestunden im 2. Trimester zu bewerkstelligen seien. Aber dennoch empfindet sie die Kurse als wertvoll.

Andere Quereinsteiger hätten sich derart auf die Aufgabe mit den Schülern konzentriert, dass ihnen bis jetzt kaum Zeit blieb, die erforderten schriftlichen Vorbereitungen einzureichen. « Ich war fast jeden Tag in einer anderen Klasse », sagt eine Quereinsteigerin. Didaktische Fortschritte waren ihr so kaum möglich, die Anwendung der erlernten Fähigkeiten sind bei ihrer Fächerkombination auch heute schwierig. Außerhalb der festen Stunden sind viele Quereinsteiger auf Abruf, da ist es schwer eine Stabilität in das Vorbereiten und Abhalten von Schulstunden zu bekommen.

Eine grundsätzliche Frage, die das Quereinsteiger-Modell aufwirft: Warum ist es nicht fester Bestandteil des Rekrutierungssystems? Im Gesetz wurde festgehalten, dass das Modell auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt soll. Die Lehrergewerkschaft SEW hatte sich sogar für einen Zeitraum von lediglich zwei Jahren eingesetzt. Sie befürchtet eine weitere Abnahme der Studierenden der Erziehungswissenschaften an der Universität Luxemburg – eine schon im vergangenen Schuljahr als bedenklich eingestufte Entwicklung.

« Wir gehen davon aus, dass es weiter geht mit der Weiterbildung », meint Elisabeth Houtmann vom IFEN. Dass ein Quereinsteigerstudium eigentlich an die Universität gehört, davon ist Patrick Arendt vom SEW überzeugt. Der Studienrektor der Erziehungswissenschaften an der Universität, Gilbert Busana, sagt dazu schlicht: « Wir wurden nicht gefragt. » Fest steht, dass die Quereinsteiger nach einem Jahr und 240 Stunden Weiterbildung den Lehrbeauftragten im zweiten universitären Bildungsweg gleichgestellt sind. Fest steht aber auch, dass die Quereinsteiger bis auf Weiteres gebraucht werden.

*Name von der Redaktion geändert.