Die « Corona-Steuer » ist ein Paradebeispiel für Debatten, die im Sommerloch angestoßen werden. Nur selten überleben sie jedoch die Rückkehr zur politischen Tagesordnung im Herbst. Darum geht es den Urhebern der Kontroversen auch nur bedingt. Eine Sommerloch-Analyse.

Sommerferien sind eine schwierige Zeit für politischen Journalismus. Minister sind im Urlaub und übertragen sich gegenseitig die Zeichnungsbefugnis, das Parlament ist verwaist und auch in vielen Verwaltungen fehlen wichtige Ansprechpartner. Für die Medien, besonders die tagesaktuellen Publikationen, ist die Zeit zwischen Mitte Juli und Mitte September demnach eine Herausforderung.

Dass die politische Aktualität auf Sparflamme läuft, sehen manche Protagonisten der politischen Klasse aber auch als Chance. Es ist die perfekte Gelegenheit, um mit Forderungen in den ansonsten dicht bevölkerten Raum der Berichterstattung vorzudringen. Die erhoffte Logik dahinter ist bekannt: Im Sommerloch werden politische Vorstöße von vielen Medien dankbar aufgegriffen und führen so oft genug zu Schlagzeilen und Reaktionen, die wiederum zu Schlagzeilen führen, bis der Sommer irgendwann wieder vorbei ist.

So ähnlich verhält es sich auch dieses Jahr mit Dan Kerschs Vorstoß zur « Corona-Steuer ». Dabei muss man dem Vizepremier zugute halten, dass er bei seiner Initiative durchaus Transparenz walten lässt. Seine Steueridee sei noch nicht ausgereift, er habe auch kein durchgerechnetes Konzept parat, aber man dürfe dennoch darüber diskutieren, so die Devise des LSAP-Politikers.

Die Verlockung des Sommerlochs

Der interessierte Beobachter mag dieses Vorgehen als politisch unseriös und latent populistisch auffassen. Doch auch dieser Eindruck ist typisch für eine Sommerlochdebatte. Es handelt sich oft um relevante Themen, die es eigentlich verdient hätten, ernsthaft erörtert zu werden. Stattdessen werden sie aber nur emotional andiskutiert und nach kurzer Zeit wieder fallengelassen. Die Kurzlebigkeit, aber auch die fehlende Tiefe und Ernsthaftigkeit des politischen Diskurses sind klassische Merkmale einer Sommerlochdebatte.

So aussichtslos das Steuerkonzept von Frank Engel innerhalb der CSV war, so durchschaubar ist Dan Kerschs Testballon namens Corona-Steuer. »

Ein weiteres Beispiel für solch eine Diskussion war Frank Engels Ruf nach mehr Steuergerechtigkeit im August 2020. Zur Schärfung des sozialen Profils seiner damaligen Partei ließ sich der ehemalige Vorsitzende der CSV gleich zu einer ganzen Reihe von knackigen, nicht nur innerhalb seiner eigenen (Ex-)Partei kontroversen Forderungen hinreißen. Stichwort: Erbschafts-, Vermögen-, Finanztransaktionssteuer. Nach wenigen Wochen verlief die Debatte im Sand.

Was Kerschs und Engels Vorstöße gemeinsam haben: Sie formulierten beide ebenso originelle wie kontroverse Ideen, von denen sie wissen mussten, dass sie kaum Chancen haben, verwirklicht zu werden. Bei Frank Engels steuerpolitischem Feuerwerk war es der mangelnde parteiinterne Rückhalt, bei Dan Kersch der zu erahnende Widerstand vom liberalen Koalitionspartner, der einer Umsetzung in reale Politik im Weg steht.

Doch um eine eventuelle Verwirklichung ihrer Forderungen geht es den Anregern von Sommerlochdebatten auch nicht wirklich. Sonst würden sie ihre Ideen nicht spontan im saisonalen Nachrichtenvakuum vortragen, sondern zuvor dafür sorgen, dass das Konzept dahinter durchdacht ist und dass sie über die nötige politische Unterstützung verfügen. Beide Voraussetzungen sind bei diesen Debatten nur äußerst selten gegeben.

Politische Profilierung ist Trumpf

Stattdessen geht es vor allem um Profilierung, sei es persönlich oder auch für die eigene Partei. Auch das gab Dan Kersch in der aktuellen Debatte mit der ihm eigenen Gradlinigkeit zu: « Die Menschen sollen wissen, für was die Parteien stehen. Das gilt auch, wenn sie gemeinsam in einer Regierung sind », sagte er im Gespräch mit Reporter.lu. Der Satz klingt so, als wollte der Vizepremier schon ganz formal den Wahlkampf einleiten.

Genau dieser Ansatz der politischen Profilierung ist aber durchaus legitim. Ein oft hörbarer Vorwurf lautet bekanntlich, dass sich die Regierungsparteien inhaltlich nicht viel voneinander unterscheiden. Vorstöße wie jener der LSAP zur « Corona-Steuer » können dagegen aufzeigen, für was eine Partei steht. Die prompte Absage, die Kerschs bis heute noch sehr abstrakte Forderung vonseiten der DP erhielt, sowie das Schweigen von Déi Gréng, sprechen zudem Bände über die Haltung der blauen und grünen Koalitionspartner.

Die Ironie des politischen Spiels besteht dabei darin, dass Politiker und Parteien, die selbst Sommerlochdebatten lancieren, ihnen unliebsame Diskussionen regelmäßig als Sommerlochdebatten abtun. »

Die Kehrseite der persönlichen und parteipolitischen Profilierung ist jedoch ebenso klar erkennbar. Denn die Vorstöße à la « Corona-Steuer » lassen sich meistens ziemlich leicht als politische Manöver entlarven. Wäre es anders, würden die Urheber der jeweiligen Ideen ihre Forderungen nicht als sommerliche Versuchsballons in den Medien steigen lassen, sondern würden sie dort lancieren, wo sie eigentlich hingehören, nämlich im Parlament oder am Kabinettstisch.

Hinzu kommt, dass typische Sommerlochdebatten oft mit einem Glaubwürdigkeitsproblem einhergehen. Im Fall von Dan Kersch ließe sich etwa kritisch hinterfragen, warum der Vizepremier zwar in diesem präzisen Punkt mehr Steuergerechtigkeit erreichen will, sich jedoch gleichzeitig bei anderen Maßnahmen wie der Erbschafts-, Vermögen- oder Spekulationssteuer vornehm zurückhält. Oder, warum ausgerechnet ein Politiker, bei dem ein ausgeglichener Staatshaushalt nun wirklich nie zu den politischen Prioritäten gehörte, nun auf einmal die Karte der finanziellen Kosten der Krise spielt.

Ernsthafte Debatten kaum möglich

Die Ironie des politischen Geschäfts besteht dabei darin, dass Politiker und Parteien, die selbst Sommerlochdebatten lancieren, ihnen unliebsame Diskussionen regelmäßig als Sommerlochdebatten abtun. Demnach sind diese Episoden immer auch ein Balanceakt. Für Politiker geht es darum, öffentliche Kontroversen anzustoßen, die im besten Fall den eigenen Bekanntheitsgrad steigern und das Profil der eigenen Partei schärfen. Gleichzeitig will man dabei nicht so weit gehen, dass in der erhofften Debatte der Eindruck der politischen Scheinheiligkeit den eigentlichen Vorschlag überschattet. Diese Übung gelingt nicht immer.

Eine wohlklingende Idee in den Raum werfen, kann jeder Politiker. Gewählt sind sie allerdings dafür, dass sie Probleme erkennen, Lösungsvorschläge formulieren und sich dafür einsetzen, dass diese auch verwirklicht werden. »

Dabei sprechen viele von den zwischen Juli und September angestoßenen Debatten durchaus wichtige Themen an. Die Gerechtigkeit des Steuersystems gehört ohne Zweifel dazu. Es ist nicht nur eines der fundamentalsten Felder der politischen Gestaltung schlechthin. In der Steuerpolitik spiegeln sich zudem andere politische Probleme wie die Wohnungskrise, die soziale Gerechtigkeit oder eben auch die finanzielle Bewältigung der Coronakrise.

Doch genau deshalb darf man von der Politik auch erwarten, dass sie diese Debatte auf eine ernsthafte und konstruktive Weise führt. Im Fall Dan Kersch liegt diese Schlussfolgerung besonders nahe: Eine Debatte über Steuergerechtigkeit kann sich nicht nur auf eine zusätzliche Besteuerung von Unternehmen beziehen, sie sollte das gesamte, sehr komplexe Gefüge des Luxemburger Steuersystems einbeziehen.

Auch Dan Kersch weiß das, doch genau diese ernsthafte politische Debatte will er offenbar nicht führen. Ein Grund für seine Zurückhaltung an dieser Stelle: Eine zusätzliche Besteuerung von privatem Vermögen, Erbschaften oder Grundstücken könnte auch Teile der Wählerschaft der LSAP betreffen. Dagegen ist die abstrakt-emotionale Debatte über eine « Corona-Steuer » für nicht weiter ausgeführte « Krisengewinner » aus sozialistischer Sicht viel unverfänglicher.

Die Verantwortung der Medien

Genau diese Kehrseiten und Fallstricke von Debatten hervorzuheben und sichtbar zu machen, ist allerdings die Aufgabe der Medien. So ambivalent die plakative Profilierung für Politiker ist, so verständlich und gleichzeitig problematisch ist auch der Reflex der Presse, diese Manöver aufzugreifen und weiter- bzw. nachzudrehen, wie es im Fachjargon heißt. Das gilt besonders für die Sommermonate, in denen die politische Aktualität in den Leerlauf schaltet.

Zugleich gehört es aber auch zur Verantwortung der Presse, die Beweggründe für eventuelle Scheindebatten offenzulegen. So aussichtslos das Steuerkonzept von Frank Engel innerhalb der CSV war, so durchschaubar ist Dan Kerschs Testballon namens « Corona-Steuer » – zumindest solange der Vizepremier seinen Vorstoß nicht konkreter und damit für die breite Öffentlichkeit nachvollziehbarer macht. Der große Interpretationsspielraum, der seiner konzeptlosen Idee zugrunde liegt, macht dagegen eine ernsthafte inhaltliche Debatte darüber unmöglich.

Eine wohlklingende Idee in den Raum werfen und sich kontroverse Reaktionen erhoffen, kann nun wirklich jeder Politiker. Gewählt sind sie allerdings dafür, dass sie Probleme erkennen, Lösungsvorschläge formulieren und sich dafür einsetzen, dass diese auch verwirklicht werden. Das trifft umso mehr auf Vize-Premierminister zu, von denen man erwarten kann, dass sie tatsächlich mehr Gestaltungsmacht besitzen als die meisten ihrer Berufskollegen.

Dabei ist die Jahreszeit eigentlich zweitrangig. Der LSAP-Vorstoß zur « Corona-Steuer » stammt ursprünglich denn auch schon aus dem vergangenen März, als Dan Kersch die Idee im Vorfeld des jüngsten Parteitages formulierte. So richtig durchbrechen konnte die Debatte aber erst jetzt, als die Temperaturen höher und die seriös vorbereiteten politischen Initiativen rarer wurden.


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