Eine Partei als Sprachrohr einer Tierschutzorganisation, Wahlkampf-Werbung in Boulevardzeitungen: Die Alleingänge von Daniel Frères stoßen in der Piratenpartei immer mehr auf Unverständnis. Doch der parteiintern tolerierte Kandidat ist nicht das einzige Problem der Piraten.

„Mir aleng vun GIVE US A VOICE LËTZEBUERG hunn 2018 eng 118 Kazen angefong an ons em dës Déieren bekëmmert!“ (sic), steht auf der Facebook-Seite der Piratenpartei Osten. Geschrieben wurde der Beitrag von Daniel Frères. Er ist Kandidat der Piraten für die Europawahlen und gleichzeitig Präsident des Tierschutzvereins „Give us a Voice.“

Die Vermischung der Anliegen von Person, Partei und Tierschutzorganisation ist kein Einzelfall. Der selbst ernannte „Kandidat der Tiere“ ist vor allem auch für seine Zusammenarbeit mit « Lëtzebuerg Privat » bekannt. Anzeigen, Fotoreportagen und eine regelmäßige Politkolumne, in der Daniel Frères seine Botschaften verbreitet: Kaum eine Ausgabe der Boulevardzeitung kommt ohne den Immobilienmakler aus.

Aktuelles Beispiel ist die jüngste Ausgabe der zum Verlag von „Privat“ gehörenden Publikation „Wow“:  Auf der Rückseite prangt eine Anzeige für die Europawahlen. „Daniel Frères. Eng Stëmm fir ons Déieren“, steht neben einem großen Foto, auf dem der Kandidat mit einem Hund posiert. Es ist das gleiche Foto, das die Kolumne von Frères illustriert. Und das gleiche, das auf den offiziellen Plakaten der Piraten prangt. Schlägt man die Zeitung auf, stößt der Leser zudem auf eine dreiseitige Wahlanzeige für Piraten-Kandidat Frères. Darauf folgt eine fünfseitige Anzeige für „Give us a Voice“.

Die Botschaften von Piratenpartei und Tierschutzorganisation gehen ineinander über: Innenansicht der Publikation « Wow ».

Vermischung von Interessen

Sei es auf Facebook oder in der Yellow Press: Bei Frères verschwimmen die Grenzen zwischen der Partei und seinen eigenen Interessen. Bei den Piraten scheint das niemanden so recht zu stören. Sven Clement sagt zwar, Frères müsse in Zukunft besser aufpassen, was er wo postet. Doch stehe es den Kandidaten frei, zu teilen, was sie wollen – auch auf den Lokalseiten der Partei.

Mit der Parteispitze abgesprochen sind die Aktionen des Europa-Kandidaten jedenfalls nicht. Auf Nachfrage will niemand etwas von den Anzeigen gewusst haben – weder der Parteisprecher Starsky Flor noch der ehemalige Präsident Sven Clement oder Generalsekretär Marc Goergen. Dabei entscheidet eigentlich das Präsidium – zu dem alle drei sowie auch Daniel Frères gehören –  über die Wahlkampagne und Ausgaben für Werbeanzeigen. Dieses hätte aber keine « Privat »-Anzeigen abgesegnet, so Sven Clement. Wahlwerbung in Printmedien passe ohnehin nicht in die Strategie der Piraten.

Werbung in der Privat ist nicht gut für unser Image. »Generalsekretär Marc Goergen

Dass Frères die „Privat“ auch für politische Zwecke nutzt, ist nicht neu. Bereits bei den Gemeindewahlen 2017 bediente er sich der Zeitung, um den ehemaligen Bürgermeister von Remich, Henri Kox, zu diskreditieren. Damals war Clement noch Parteipräsident. Dass weder er noch das Präsidium über den erneuten Alleingang des Tierschützers Bescheid wisse, « weil niemand die Privat kauft » (Clement), wirkt angesichts dessen wenig glaubwürdig. Es ist auch nicht das erste Mal, dass Daniel Frères durch Alleingänge und unüberlegte Aktionen auffällt. Heikel ist zudem die Frage, wie die Partei mit der Finanzierung solcher Kampagnen umgeht.

Ein Kandidat, « der polarisiert »

Auf Nachfrage halten sich Goergen und Clement jedoch nicht mit Kritik an den Alleingängen ihres Parteifreundes zurück. Eine Vermischung zwischen Partei und privater Organisation sei problematisch, argumentiert Clement. Er würde sich den Tierschützer nun einmal vornehmen. „Werbung in der Privat ist nicht gut für unser Image“, bedauert auch Goergen, der für die Koordination der Piraten-Wahlkampagne zuständig ist. Allerdings stört sich der Generalsekretär dabei wohl vor allem an Formalitäten. „Es ist nicht unser Design und das alte Logo. So eine Aktion gefällt mir gar nicht“, so Goergen.

Daniel Frères wird innerhalb der Partei also durchaus als Problemfall gesehen. Öffentliche Pöbeleien gegen Obdachlose, medienwirksame Wahlkampfbesuche in Altersheimen und letztlich die enge Zusammenarbeit mit « Lëtzebuerg Privat »: Der Immobilienmakler steht regelmäßig in den Schlagzeilen und setzt die Partei damit dem Populismus-Vorwurf aus. Bereits vor Monaten bezeichnete ihn Goergen als „ungefiltert“. Sven Clement sieht in Frères einen „Kandidaten, der polarisiert“.

Ich mache Politik, um Tieren zu helfen. »Daniel Frères, Kandidat der Piratenpartei bei den Europawahlen

Das hat die Piraten aber nicht davon abgehalten, Daniel Frères für die Europawahlen aufzustellen. Zudem sind seine politischen Forderungen längst zum Topthema des Wahlkampfs der Piraten avanciert. Tierschutz ist auch bei den Europawahlen eines der zentralen Anliegen der Partei, die sich ursprünglich einmal mit Datenschutz, Transparenz und Informationsfreiheit profiliert hatte.

Die offene Frage der Finanzierung

Dabei dürften die Aktionen des umstrittenen Kandidaten innerhalb der Partei kaum jemanden überraschen. Dass er die Politik nutzt, um auf diesem Weg für seine Tierschutzarbeit zu werben, sei kein Geheimnis, sagt Daniel Frères. « Ich mache Politik, um Tieren zu helfen », so der Politiker im Gespräch mit REPORTER. Die Kooperation mit « Lëtzebuerg Privat » sieht er nicht als Problem an. « Den paar Leuten, die uns unterstützen, schlage ich nicht die Tür zu », sagt Frères. Wobei er nicht präzisiert, wer mit « uns » gemeint ist.

Ich könnte mir vorstellen, dass Frères die Anzeigen aus eigener Tasche bezahlt und dann als Spende verrechnet hat. »Sven Clement, Abgeordneter und früherer Parteipräsident

Letztlich dürfte die Parteispitze alleine deswegen über die Werbeanzeigen Bescheid wissen, weil diese eigentlich in den Finanzen der Partei erfasst sein müssten. Die Partei ist gesetzlich dazu verpflichtet, über ihre Werbeausgaben Rechenschaft abzulegen. Doch auch in dieser Frage scheint niemand einen Überblick zu haben. „Ich könnte mir vorstellen, dass Frères die Anzeigen aus eigener Tasche bezahlt hat und dann als Spende verrechnet hat“, vermutet Sven Clement. Rein rechtlich ist dieses Vorgehen zwar erlaubt. Ideal sei es aber nicht, so der Rechnungshof auf Nachfrage.

„Ich muss jetzt mal gut aufpassen, ob wir eine Rechnung kriegen“, sagt Sven Clement, der eigentlich kein Parteiamt mehr innehat. Er wisse von nichts, sagt seinerseits der Co-Parteivorsitzende Starsky Flor. Dabei reicht ein Anruf bei Daniel Frères zur Klärung aus. Dieser betont, er habe die Rechnung für eine Anzeigenserie über rund 500 Euro aus eigener Tasche bezahlt und sie dann bei der Zentrale eingereicht, damit sie als Spende verrechnet werde. Das tue er regelmäßig. Ein eigenes Konto für die Piraten im Osten habe die Partei nämlich nicht.

Ob das „immer so“ (Frères) gehandhabt wird, ist jedoch unklar: Laut dem Spendenregister hat der Immobilienmakler in 2017 exakt 300 Euro an die Partei gespendet. Eigenen Angaben nach hat er in dem Jahr aber weitaus mehr für die Partei bezahlt. Marc Goergen sagt zudem, dass er noch nie eine Rechnung der „Privat“ gesehen habe.

Nicht die erste Auffälligkeit

Es ist nicht das erste Mal, dass die Piraten den Überblick über ihre Parteifinanzen verlieren. Der Rechnungshof bemängelte in der Vergangenheit bereits zu spät eingereichte Bilanzen und eine nachlässige Buchführung. Damals sprach Sven Clement noch von « Anfängerfehlern ».

Erst im vergangenen Dezember hatte der Rechnungshof jedoch nochmals die Partei ermahnt. Dieses Mal ging es unter anderem um Bestellungen im Ausland, die im Namen der Partei getätigt wurden, aber mit Kreditkarten der Unternehmen von Sven Clement (« Clement&Weyer ») und Marc Goergen (« Gowe SARL ») bezahlt wurden. Die Gründe dafür seien laut Piratenpartei unter anderem, dass man bei Auslandsbestellungen so die Mehrwertsteuer einsparen könne.

Der Rechnungshof bemerkt in seinem Bericht seinerseits, dass das Zurückgreifen auf eine zwischengeschaltete Firma nicht nötig sei, da die Partei selbst als ASBL eine TVA-Nummer anfragen könne, um in den Genuss der besagten Vorteile zu kommen. Zwar könne man nach Studium von weiteren angefragten Dokumenten eine « versteckte Spende » an die Partei ausschließen. Doch bleibt der Rechnungshof der Meinung, dass die Vorgehensweise der Piratenpartei « nicht akzeptabel » sei, und sei es nur aus « Gründen der Transparenz ».

Auf Nachfrage von REPORTER beteuert Sven Clement, dass die Partei ihre Lehren aus der Kritik gezogen habe und die betreffende Praxis « drastisch reduziert » habe. Ebenso arbeite die Partei mittlerweile mit einer externen Buchhaltungsfirma zusammen, um ähnliche Fehler künftig zu vermeiden wie Clements Abgeordnetenkollege Marc Goergen betont. Die Partei hat also erste Konsequenzen gezogen. Was für den Umgang mit den Parteifinanzen gilt, trifft auf ihren Problemkandidaten jedoch nicht wirklich zu.