Während sich das Land auf dem Weg von « Gambia » zu « Gambia II » befindet, ist es höchste Zeit für eine Klarstellung. « Gambia » war ein Scherz, ein Zufall, jedenfalls nicht so ernst gemeint. Ein persönlicher Kommentar von Christoph Bumb.
Eigentlich sind wir bei REPORTER der Meinung, dass wir die Ich-Form im Journalismus tunlichst vermeiden sollten. Ich mache heute eine Ausnahme. Denn dieser Artikel handelt durchaus von einem persönlichen Anliegen, das nur in dieser Perspektive sinnvoll erscheint.
Denn es tut mir leid. Ehrlich. Als der bzw. einer der Erfinder von « Gambia » habe ich längst eingesehen, dass es mittlerweile reicht. Der Begriff war eigentlich mit einem Augenzwinkern gemeint. Er war wohl kurzzeitig auch ansatzweise witzig. Mittlerweile ist er aber schlicht außer Kontrolle geraten. Wenn sogar François Bausch, der anfangs zu den überzeugten Kritikern des Begriffs gehörte, am Wahlabend das Wort « Gambia » in den Mund nimmt, um damit die seit knapp fünf Jahren regierende Koalition aus DP, LSAP und Grünen zu bezeichnen, dann ist wohl eine Grenze erreicht.
Worum geht es? Als Redakteur des Politik-Ressorts beim « Luxemburger Wort » hatte ich mir kurz vor den Parlamentswahlen 2013 ein Wortspiel erlaubt. Wenn die heiß diskutierte neuartige Koalition aus den besagten drei Parteien schon nach den Wahlen Realität werden könnte, dann brauchen wir dafür auch einen originellen Namen, so die Überlegung damals. « Regierung », « Dreierkoalition », « Blau-Rot-Grün » bzw. « Rot-Blau-Grün » könnte schnell langweilig werden. Mehr steckte jedenfalls nicht dahinter.
Vom « Gespenst » zum Grundbegriff
Angelehnt an die inflationäre Kreativität deutscher Berufsgenossen bei der Bezeichnung von Koalitionen aus mehr als zwei Parteien – Stichwort: « Ampelkoalition », « schwarze Ampel », « Jamaika-Koalition » – kam ich irgendwann eher aus Zufall auf den Begriff « Gambia-Koalition ». Im Austausch mit meinem damaligen Ressortchef Marc Schlammes führten wir zunächst einen Faktencheck durch. Wir vergewisserten uns (ja, per Google-Suchbegriff: « Flags of the world »), dass « Gambia » auch wirklich das Nationalflaggen-Pendant von Blau, Rot und Grün war. Und schlossen Alternativen aus. « Aserbaidschan- » oder « Neukaledonien-Koalition » hatten jedenfalls schlechte Karten. « Namibia » war zumindest in der engeren Auswahl.
Der Rest ist gewissermaßen « Geschichte ». Der entsprechende Artikel mit dem Titel « Das Gespenst der Gambia-Koalition » erschien drei Tage vor den Wahlen. Seitdem entwickelte der Begriff eine Eigendynamik. Zunächst galt « Gambia » als Gimmick der Medien, dann für manche als abwertender Kampfbegriff der CSV-Opposition, die in Teilen der nach den Wahlen Gestalt annehmenden Dreierkoalition lange die Legitimität absprach. « Gambia » insinuiere, dass diese Koalition exotisch oder sogar nicht ganz demokratisch sei, so manche Kritiker der Bezeichnung.
Doch der Begriff setzte sich nicht nur bei der Opposition, sondern bald generell durch. Auch Minister, die nun wirklich nicht in den Verdacht der « Gambia »-Denunziation geraten konnten, sprachen bald wie selbstverständlich von « Gambia ». Allen voran Vize-Premier Etienne Schneider. « Gambia in Amt und Würden »: Auch die vielsagende Schlagzeile des liberalen, DP-nahen « Journal » am Tag der Vereidigung der neuen Regierung am 4. Dezember 2013 zeigte, dass der Begriff längst Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch hielt.
Ohne « Jamaika » kein « Gambia »
In der Tat fanden vor allem die Medien Gefallen daran. « Gambia-Koalition bootet Juncker aus », « Luxemburg auf dem Weg nach Gambia », « Juncker zittert vor der Gambia-Koalition », um nur einige Schlagzeilen aus der internationalen Presse zu nennen. Nicht verwunderlich war dabei, dass fast ausschließlich deutschsprachige Medien auf den « Gambia »-Zug aufsprangen. Denn es waren wohl mitunter die gleichen, die sich bei der deutschen Bundestagswahl 2005 scherzhaft den Begriff « Jamaika » für eine Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen ausgedacht hatten, die jetzt « Gambia » als feststehenden Begriff übernahmen.
Und auch ich muss zugeben: Wenn vor bald 15 Jahren niemand in Deutschlands Redaktionen auf die Idee von « Jamaika » gekommen wäre, gäbe es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Luxemburger « Gambia »-Koalition – also rein semantisch, versteht sich.
Mittlerweile hat sich der Scherz aber ausgelaufen. Damals war definitiv nicht abzusehen, dass sich das Wort als Bezeichnung für die liberal-sozial-ökologische Koalition in Luxemburg durchsetzen und zum politischen Grundbegriff avancieren würde. Andererseits war ich vielleicht auch etwas naiv. Denn eigentlich sollte man als Journalist die ersten Seiten der größten Tageszeitung des Landes nicht für Scherze oder spontan als originell empfundene Wortspiele missbrauchen.
Doch all die Rückblicke, Erklärungen und Entschuldigungen helfen heute auch nichts mehr. Auch nach diesen Wahlen ist « Gambia » bzw. « Gambia II » in aller Munde. Wir dürften denn auch schon längst über den « Point of no return » der politisch-sozialen Begriffsbildung hinaus sein.