In der Affäre um das Gehalt von Frank Engel geriet der « CSV Frëndeskrees » in die Schlagzeilen. Auch die LSAP setzt auf ein ähnliches Konstrukt zur Verwaltung ihrer Immobilien. Dabei wollen eigentlich alle die parteinahen Vereine abschaffen. Doch so einfach ist die Sache nicht.
„Niemand ist glücklich darüber, dass wir über den Umweg eines Vereins fahren müssen“, sagt Yves Cruchten. Der Parteivorsitzende der LSAP spricht vom sogenannten « Freundeskreis ». Damit meint er jedoch nicht den « CSV Frëndeskrees A.s.b.l. », sondern den „Frëndeskrees vun der LSAP A.s.b.l.“. Bei der Gründung vor fast 20 Jahren inspirierten sich die Sozialisten am parteinahen Verein der CSV. Benötigt wurde die ASBL der LSAP für den Kauf einer Immobilie in Gasperich, die auch heute noch im Besitz der Partei ist.
Die beiden Parteien sind die einzigen, die über ihre Freundeskreise Büroräume besitzen. Diese Strukturen wurden nötig, weil Parteien in Luxemburg lange keine Rechtspersönlichkeit hatten. Die CSV und die LSAP sind jeweils eine sogenannte « association de fait », also « De-facto-Vereine », die jedoch keine Befugnis haben, selbst Immobilien zu kaufen. An dieser Stelle kommen die « Freundeskreise » der Parteien ins Spiel, die die Immobilien besitzen und sie an die Parteien weiter vermieten.
855.157 Euro für ein Büro
Die LSAP gründete ihren Freundeskreis 2003 für den Kauf eines Büros in der Rue du Saint-Esprit in der Luxemburger Altstadt. Damaliger Kaufpreis: 728.214,07 Euro. „Das Büro wurde unseren Erwartungen allerdings schnell nicht gerecht. Die Parteizentrale war mit dem Auto kaum zugänglich, sodass das Verteilen von Flyern oder Plakaten an Lokalsektionen sich schwierig gestaltete“, erklärt Yves Cruchten im Gespräch mit Reporter.lu. Nach vier Jahren verkaufte der Verein den Sitz der Parteizentrale wieder.
Jeder weiß, was eine Partei ist, nur die Gesetzgebung nicht. »Yves Cruchten, Parteivorsitzender der LSAP
Kurz danach tätigte der Freundeskreis eine weitere Transaktion. Für 855.157 Euro kaufte die „Frëndeskrees vun der LSAP A.s.b.l.“ die früheren Büros des nationalen Fußballverbandes in der Rue de Gasperich. Ab Juli 2007 zahlte die Partei dem Freundeskreis dafür monatlich eine Miete von 4.500 Euro. Nach einer Neuverhandlung des über die ASBL laufenden Kredits mit der Bank im Jahr 2014 konnte die Miete für das 316 Quadratmeter große Büro mit sieben Parkplätzen auf 2.450 Euro reduziert werden.
Die Laufzeit des Kredits konnte somit verlängert werden. Für die Partei ist dies von großer Bedeutung. Ist der Kredit nämlich einmal getilgt, würde sich das Geld anschließend auf dem Konto des Freundeskreises anhäufen. „Zwar stehen in den Statuten noch andere Zwecke neben dem Kauf von Immobilien, doch letztlich wird die ASBL nur dafür gebraucht“, so Yves Cruchten. Nach der Rückzahlung würde sich allerdings die Frage stellen, was mit dem ganzen Geld geschehen bzw. welche Rolle der Freundeskreis langfristig einnehmen soll.
Der CSV-Freundeskreis
Bei der CSV stellt sich dieses Problem bereits heute. „Soweit ich weiß, ist die Immobilie längst abbezahlt“, sagt Ex-CSV-Präsident Frank Engel im Gespräch mit Reporter.lu. Im Jahr 1988 hat der « CSV Frëndeskrees » Büroflächen in der hauptstädtischen Rue de l’Eau für rund 16 Millionen Luxemburger Franken gekauft. Da der Freundeskreis der CSV seit 1996 keine Jahresbilanzen beim Handelsregister veröffentlicht, ist jedoch unklar, seit wann der Kredit zum Erwerb der Immobilie abbezahlt wurde.
Nur so viel ist bekannt: Die CSV-Zentrale zahlte 2019 etwa 4.100 Euro Miete monatlich an ihren Freundeskreis, Nebenkosten inbegriffen. Es sind diese regelmäßigen Einnahmen, die es dem Verein letztlich ermöglichten, dem Ex-Parteichef Frank Engel während sieben Monaten ein Monatsgehalt von rund 6.000 Euro zu bezahlen – der Ausgangspunkt der « CSV-Freundeskreis »-Affäre, die schließlich zu Engels Rücktritt führte.
Unabhängig von der juristischen und politischen Bewertung von Frank Engels Gehalt als « Chargé de mission » des Freundeskreises, trifft die Affäre den Kern eines seit langem bekannten blinden Flecks der Parteienfinanzierung. Die Geschäfte der parteinahen Vereine entziehen sich nämlich der ansonst strengen Kontrolle der Parteifinanzen durch das Parlament und den Rechnungshof.
Ursprünglich hatte Frank Engel dabei einen durchaus sinnvollen Plan: Er wollte das Konstrukt des « CSV Frëndeskrees » laut eigener Aussage abschaffen und in eine Stiftung umwandeln. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, die sich häufenden Geldbeträge sinnvoll zu nutzen. Weitere Details zu Engels gescheiterter « Mission » sind jedoch nicht bekannt.
Die ungeklärte Frage des Statuts
Auch wenn sich die Situation einer vollständig abbezahlten Immobilie für die LSAP noch nicht stellt, fordert Yves Cruchten Klarheit in der Frage des juristischen Statuts der Parteien. Dies würde es den Parteien künftig erlauben, als eigenständige Organisation Immobilien zu besitzen. Undurchschaubare Konstrukte wie die Freundeskreise würden sich somit erübrigen. Ein entsprechender Versuch, das Parteifinanzierungsgesetz anzupassen, scheiterte allerdings im vergangenen Jahr an juristischen Unklarheiten bzw. am unbedingten politischen Willen der Parteien selbst.
Entsprechende Reformbemühungen schlagen jedoch nicht zum ersten Mal fehl. Bereits in den 1980er Jahren befasste sich eine vom Staatsministerium beauftragte Arbeitsgruppe mit der Frage, die Rolle der Parteien in der Verfassung zu verankern. Doch erst mit der Verfassungsreform im Jahr 2008 wurden Parteien in der Verfassung überhaupt erwähnt – ein juristisches Statut, das es ihnen erlauben würde, etwa vor Gericht zu ziehen oder Immobilien zu kaufen, erhielten sie nicht.
Der lange Schatten des « Maulkorbgesetzes »
Der frühere LSAP-Fraktionschef Alex Bodry sieht den Grund für ein fehlendes Statut in der Luxemburger Zeitgeschichte, vor allem im Referendum zum Maulkorbgesetz von 1937. Per Gesetz sollte damals die kommunistische Partei verboten werden und es der Regierung erlauben, jegliche Vereinigung, die nicht im Einklang mit der Verfassung sei, ebenfalls zu verbieten. „Diese Erfahrung prägt auch heute noch die Diskussion über das Statut der Parteien“, sagt das heutige Mitglied des Staatsrats im Gespräch mit Reporter.lu.
Eine zu enge Definition würde die Parteien in ihrer Vereinigungsfreiheit einschränken, befürchtet Alex Bodry, der vor wenigen Jahren einen Bericht zum Thema verfasste. Darin spricht der Autor sich auch für eine Reform der Rechtspersönlichkeit der Parteien aus. Bodry argumentiert nicht zuletzt damit, dass Parteien die Möglichkeit haben sollten, in Streitfällen vor Gericht ziehen zu können.
Das Ministerium ist berechtigt, eine ASBL aufzulösen, was für eine Partei natürlich unvorstellbar wäre. »Alex Bodry, Mitglied des Staatsrats
„Die gleiche Situation stellt sich für die Gewerkschaften“, erklärt Alex Bodry im Gespräch mit Reporter.lu. Die beiden Gewerkschaften OGBL und LCGB sind auch nur De-facto-Vereinigungen und besitzen keine Rechtspersönlichkeit. Das Gesetz hat den Gewerkschaften in einigen Bereichen dennoch die Möglichkeit gegeben, als Vereinigung vor Gericht zu ziehen. Es ist etwa gesetzlich vorgesehen, dass Gewerkschaften, die Teil eines Kollektivvertrags sind, auch die Möglichkeit haben, zu klagen.
Der Verfassungsausschuss im Parlament wollte dieses pragmatische Prinzip mit dem Parteifinanzierungsgesetz auch auf Parteien ausweiten. Der Vorschlag sah vor, dass Parteien Personal einstellen, Immobilien mieten oder kaufen, Verträge abschließen oder eben auch die Justiz einschalten können. Nachdem der Staatsrat allerdings mehrere Bedenken (in Form von zwölf « oppositions formelles ») äußerte, beschlossen die Parteien, den Gesetzesvorschlag komplett anzupassen. Bei den Arbeiten wurde der entsprechende Paragraf zum Statut der Parteien fallengelassen. Somit bleibt diese Frage bis heute ungeklärt.
Eine Partei ist keine Vereinigung
Der Staatsrat stellte dabei vor allem infrage, wie weit ein neues juristisches Statut für Parteien gehen könne. Was würde etwa mit dem Besitz einer Partei und den Arbeitsverhältnissen passieren, wenn die Organisation sich auflöst? Hat eine Partei das Recht, aus dem Verkauf von Immobilien einen Mehrwert zu erzielen? Der Staatsrat befürchtete zudem, dass die Rechte der Parteien, die bereits als ASBL funktionieren – etwa Déi Gréng und die Piratepartei – mit diesem Text eingeschränkt werden.
Die Betroffenen sehen dies allerdings anders. 1979 besaß auch die LSAP eine ASBL, deren Zweck nur der rechtliche Schutz des Namens der Partei war, erklärt Alex Bodry. Der Verein lief deshalb gleich unter sieben Namen: Sozialistesch Partei, Sozialistesch Partei vun Lëtzebuerg, Lëtzebuerger Sozialistesch Partei, Partei vun de lëtzebuerger Sozialisten, Parti Socialiste, Parti Socialiste Luxembourgeois und Parti des Socialistes Luxembourgeois. Weder dieser Verein noch der bis heute bestehende Freundeskreis dienten jedoch als Ersatz für die Partei selbst, also die „association de fait“ LSAP.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. „Das Ministerium ist berechtigt, eine ASBL aufzulösen, was für eine Partei natürlich unvorstellbar wäre“, erklärt Alex Bodry. Zudem müssten als ASBL auch die Mitgliedslisten der Partei jährlich veröffentlich werden. Lediglich die Piratenpartei reichte eine entsprechende Liste kurz nach ihrer Gründung ein, seitdem haben aber auch sie auf eine vollständige Liste verzichtet. „Wir haben die Partei nur deshalb als Verein gegründet, weil wir ein Konto benötigten. Eigentlich hätten wir es auch bevorzugt, eine Association de fait zu sein“, sagt Sven Clement, Gründungsmitglied der Piraten, auf Nachfrage von Reporter.lu.
Reform auf unbestimmte Zeit vertagt
Die Parteien tragen jedoch selbst die Verantwortung für die anhaltende, und von allen Beteiligten als « suboptimal » eingeschätzte, Situation. Die Notwendigkeit der Freundeskreise von CSV und LSAP ergibt sich nur aus der Tatsache, dass beide Parteien Immobilien erwerben und besitzen wollten. Die DP zum Beispiel, auch eine « Association de fait », besitzt keine eigenen Immobilien, sondern mietet die für die Parteiarbeit benötigten Büroräume. Allerdings unterhalten die Liberalen seit 1988 mit dem „Centre d’Etudes Eugène Schaus“ einen parteinahen Verein, der bis heute vor allem der mehrheitlichen Teilhabe an den « Editions Lëtzebuerger Journal » dient.
Durch den Erwerb von Immobilien haben sich CSV und LSAP allerdings dauerhaft in die Abhängigkeit ihrer jeweiligen Freundeskreis-Strukturen begeben. Die Parteien können mittlerweile auch nicht anders, als weiter Miete für die Nutzung der Büroflächen zu bezahlen. Eine Gratisnutzung ist keine Option, da dies gegen das Parteifinanzierungsgesetz verstoßen würde. Dies käme einer Schenkung an die Partei gleich, was einer Vereinigung per Gesetz untersagt ist.
Die jetzige Lage führt deshalb zu einer absurden Situation. „Jeder weiß, was eine Partei ist, nur die Gesetzgebung nicht“, bringt es LSAP-Parteichef Yves Cruchten auf den Punkt. Die ursprüngliche Vereinbarung zum Gesetz über die Parteienfinanzierung sah vor, die finanziellen Mittel zu erhöhen und diese Schwachstellen im Gegenzug zu beheben. Nach dem vernichtenden Gutachten des Staatsrats wurden die Arbeiten allerdings vertagt. Und dies, obwohl während der parlamentarischen Debatte im vergangenen Dezember nahezu alle Parteien dazu aufriefen, schleunigst eine Lösung für das offensichtliche Problem zu finden.
Laut Yves Cruchten sollte eine Reform allerdings nicht nur ein Statut für Parteien erschaffen, sondern auch für mehr Transparenz sorgen. Die Zeit der obskuren Freundeskreise wäre somit zukünftig vorbei. Langfristig wird wohl auch die CSV ohne Frank Engel ihren eigenen « Freundeskreis » abschaffen – wann und wie genau muss sich dann allerdings noch zeigen. Bis heute fand nämlich kein neuer Anlauf zwischen den Vertretern der Parteien statt, um über das unbestrittene Problem überhaupt zu reden.