Die « Pandora Papers » sorgten nicht nur für Aufruhr in Medien und Politik. Auch die Polizeibehörde der EU « Europol » reagiert auf das Leak und will stärker gegen Geldwäsche und organisierte Kriminalität vorgehen. Ein Teil der Daten wurde zudem öffentlich zugänglich gemacht.

Der Nikolaus bringt neue Leaks. Am 6. Dezember um 16 Uhr publizierte das „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) einen Teil der Daten aus den „Pandora Papers“ auf seiner „Offshore-Leaks“-Plattform. Laut dem ICIJ sollen ab Anfang 2022 weitere Veröffentlichungen folgen. Die online verfügbaren Daten betreffen aktuell lediglich zwei der insgesamt 14 Offshore-Anbieter, die in den fast zwölf Millionen Dokumenten der « Pandora Papers » enthalten sind.

Durch den Schritt erhält die Öffentlichkeit Einsicht in einen Teil der Quellen der Recherchen über die Schattenwelt der Offshore-Firmen. Ein Vorteil: Die „Offshore-Leaks“-Plattform vernetzt die Daten von vier anderen Leaks mit den „Pandora Papers“. So wird ermöglicht, Nachforschungen in den „Paradise Papers“, den „Panama Papers“, den „Bahamas Leaks“ und den „Offshore-Leaks“ zu kombinieren. « This data should be public », lautet das Motto des ICIJ.

Veröffentlicht werden Namen von Verwaltungsratsmitgliedern, Firmen und Anbietern – und die Länder, aus denen sie operieren. Mit einer Visualisierungssoftware können die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Knotenpunkten auch grafisch dargestellt werden. Eine Recherche mit „Luxemburg“ ergibt aktuell 1.627 Treffer. Dokumente und E-Mails aus den „Pandora Papers“ werden allerdings nicht auf der Plattform veröffentlicht. Dies aus Gründen des Quellenschutzes.

Europol begrüßt « Pandora Papers »

Doch auch die bisher zugänglichen Daten haben einen Wert, der über die journalistischen Recherchen und das öffentliche Interesse hinausgeht. Etliche Informationen können zur Kriminalitätsbekämpfung genutzt werden. Das gilt für nationale Behörden, aber auch für das europäische Polizeiamt « Europol ». An diesem Mittwoch veröffentlicht die Behörde mit Sitz in Den Haag in den Niederlanden einen Bericht mit dem Titel „Shadow Money. The International Networks of Illicit Finance“.

Darin geht es um die Kriminalitätsbekämpfung im Hinblick auf die „Pandora Papers“ und vorherige Leaks. „Nach der Veröffentlichung der Panama Papers 2016 machte das ICIJ viele Daten publik. Darauf basierend haben wir Verbindungen zu mehr als 20 EU-Staaten und verschiedenen Europol-Partnerländern festgestellt“, erklärte Europol-Direktorin Catherine De Bolle dem belgischen Magazin „Knack“, das auch in die Recherchen zu den „Pandora Papers“ eingebunden war.

Steuervermeidung und Steuerflucht sind nicht zwingenderweise in jedem Land gleich ein Verbrechen – auch nicht in jedem EU-Land.“Catherine De Bolle, Europol-Direktorin

Für Catherine De Bolle geht es dabei nicht in erster Linie um Steuerflucht. Der Grund: „Steuervermeidung und Steuerflucht sind nicht zwingenderweise in jedem Land gleich ein Verbrechen – auch nicht in jedem EU-Land“, heißt es im Europol-Bericht, den Reporter.lu vorab einsehen konnte.

Vielmehr geht es um die Bekämpfung von organisierter Kriminalität. Dem Europol-Bericht zufolge sind rund 7,5 Billionen Euro offshore versteckt – der Anteil der EU-Länder an dieser Summe wird auf 1,5 Billionen geschätzt. Im Kern interessiert sich die Strafverfolgungsbehörde der EU für Geldwäsche, also die Einschleusung von illegal erwirtschaftetem Geld in Finanzkonstruktionen mit legalem Anschein.

Dem Geldwäsche-Verdacht auf der Spur

Dabei beschreibt der Bericht Strukturen, die laut den Recherchen von Reporter.lu in den „Pandora Papers“ vorkommen. Demnach dient der Aufbau von komplexen Finanzstrukturen anhand von Briefkastenfirmen oder Investmentfonds oft genug der Tarnung der Identität der wahren Geldgeber. Diese Verschleierung kann wiederum als Anfangsverdacht für Geschäfte mit Geldwäscherisiko gelten.

Wie schon die « Panama Papers » enthüllen auch die « Pandora Papers » die fundamentale Rolle von Offshore-Dienstleistern. Europol nennt sie die « Trust and Company Service Providers » (TCSP). Die Strafverfolgungsbehörde der EU schreibt über die Angestellten der TCSP-Branche: „Offshore-Professionelle versorgen ihre Klientel nicht nur mit einfachen Briefkastenfirmen, sondern auch mit Trusts, in denen Firmen, Konzerne, Holdings und Aktienanteile enthalten sind, mit dem Ziel, das Besitzverhältnis zu verschleiern und dem Ganzen einen legitimen Anstrich zu verleihen.“

Der Europol-Bericht beschreibt exakt solche Strukturen, die auch Reporter.lu in der Recherche « Auf den Spuren der Russian Cases » nachzeichnete. Die komplexen Strukturen von Gesellschaften oder Trusts werden dabei nicht nur entwickelt, um die Identität der wahren Nutznießer schwer bis unmöglich ermittelbar zu machen. Es geht auch darum, die Geldflüsse zu kaschieren. Komplizierte Offshore-Strukturen, die sich über mehrere Länder erstrecken und von Strohmännern besetzt sind, erleichtern es, Geld aus korrupten und kriminellen Quellen hin und her zu verschieben und schließlich weißzuwaschen.

Politik, Korruption und Krypto-Geschäfte

Ein weiterer Aspekt der Recherche um die « Pandora Papers » kommt im Europol-Bericht vor: « Diejenigen, die korrupt sind und Bestechungsgelder erhalten, können ihr Geld in illegalen Fonds verstecken, was es schwer macht, Korruption zu entdecken. Dies ist besonders besorgniserregend, weil die ‘Pandora Papers’ beweisen, dass viele von denen, die ihr Geld in Offshore-Strukturen verstecken, politische Entscheidungsträger sind. » Der Strafverfolgungsbehörde zufolge sind sogenannte « PEPs » (« Politically Exposed Persons ») sowie ihre Familien und innere Kreise « besonders anfällig, von Korruptionsversuchen anvisiert zu werden. »

Wir sehen eine ständige Zunahme an Fällen, in denen Kryptowährungen gebraucht werden, und erwarten, dass diese auch in Zukunft mehr werden. »Catherine De Bolle, Europol-Direktorin

Europol verweist denn auch auf die eigene Erfahrung in Sachen Korruptionsbekämpfung. Vor allem darauf, dass diese Personen « auf chronische Weise nicht erfasst bleiben », was es schwer mache, überhaupt eine Schätzung über die Reichweite des Phänomens vorzunehmen. Was der Behörde zudem Schwierigkeiten bereitet: der immer häufigere Gebrauch von Kryptowährungen in kriminellen Milieus.

« Wir sehen eine ständige Zunahme an Fällen, in denen Kryptowährungen gebraucht werden, und erwarten, dass diese auch in Zukunft mehr werden », sagte Catherine De Bolle dem belgischen Magazin « Knack ». Deshalb investiere Europol auch in Training und Expertise auf diesem Gebiet. « Wir arbeiten mit dem privaten Finanzsektor zusammen, um neue Entwicklungen zu verfolgen. Dies könnte zum Beispiel auch auf kriminelle chinesische Gruppen zutreffen, die virtuelles Geld benutzen. »

Damit spielt De Bolle auf eine rezente Neuaufstellung ihrer Behörde an. Erst 2020 wurde das « European Financial and Economic Crime Center » (EFECC) ins Leben gerufen. Das Ziel ist es, den Mitgliedstaaten schnelle und effektive Hilfe zu bieten, wenn sie größere, grenzüberschreitende Ermittlungen anstellen. Das EFECC ist bestens mit bereits bestehenden Behörden vernetzt: Es gibt Verbindungsbeamte zur Anti-Korruptionsbehörde « OLAF » sowie zum Europäischen Amt für geistiges Eigentum « EUIPO », die zur Bekämpfung von Fälschungen eingesetzt werden. Auch die Zusammenarbeit mit der ebenfalls neuen – und noch nicht voll funktionsfähigen – Europäischen Staatsanwaltschaft wird in diesem Kontext hervorgehoben.

Luxemburg setzt Open-Data-Richtlinie nicht um

Neben neuen Infrastrukturen ist Europol auch auf die EU-Gesetzgebung angewiesen. Hierbei setzt die Behörde vor allem auf die EU-Richtlinie « über offene Daten und die Wiederverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors » von Juni 2019. Diese sieht nämlich vor, dass Handelsregister und Register über Besitzverhältnisse « mit sozioökonomischen Vorteilen verbunden » und deshalb « von besonders hohem Wert » seien. In Luxemburg würde dies das « Registre du Commerce et des Sociétés » (RCS) und das « Registre des Bénéficiaires Effectifs » (RBE) betreffen.

Besonders interessant: Die Richtlinie sieht nicht nur vor, dass solche Register öffentlich und kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen. Sie sollten auch in einem Format angeboten werden, das einen sogenannten « Bulk Download » erlaubt. Solche Massendownloads erlauben es, große Mengen an Daten auf einen PC zu übertragen und so anzuordnen, dass sie durchsuchbar werden. Dies entspricht in etwa der Logik der « OpenLux »-Recherche von Anfang des Jahres, die das RCS und das RBE für Journalisten lesbar machte und die es zudem erlaubt, Statistiken zu den Inhalten der beiden prinzipiell öffentlich zugänglichen Register zu erstellen.

Nach der « OpenLux »-Recherche hatte sich Luxemburgs Regierung zwar zu Recht damit verteidigt, dass man solche Register anders als die meisten Staaten kostenlos zur Verfügung stelle. Allerdings hat die blau-rot-grüne Koalition die besagte Richtlinie in Bezug auf Massendownloads bisher noch nicht umgesetzt.

Luxemburg, das 2018 eine « Open Data »-Strategie vorgestellt hatte, ist in diesem Politikbereich ins Hintertreffen geraten. Am 23. November 2021 hatte Premier-, Medien- und Digitalisierungsminister Xavier Bettel (DP) noch die Eröffnungsrede zu den ersten « EU-Open Data Days » gehalten. Bereits am 30. September hatte die Europäische Kommission jedoch genau in diesem Punkt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg – und 18 weitere Staaten – eingeleitet.


Die „Pandora Papers“ sind ein internationales Rechercheprojekt des „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) in Zusammenarbeit mit über 600 Journalisten, 150 Medien aus 117 Ländern der Welt. Reporter.lu ist als Luxemburger Medienpartner erstmals Teil der ICIJ-Kooperation.

Mehr Informationen zum Projekt erfahren Sie auf der Webseite des ICIJ.


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