In seinem Wochenrückblick erkennt das Gesundheitsministerium mehrere ermutigende Trends und erläutert auch konkreter als bisher, an welchen Daten sich die Regierung für ihre Politik orientiert. Die Grundlage für die am Dienstag beschlossenen Lockerungen bleibt aber dünn.

Das Gesundheitsministerium forderte Anfang der Woche in einem Bericht strengere Maßnahmen, „um eine neue, noch bedeutendere Infektionswelle Anfang 2021 zu verhindern.“ Die Regierung kam letztlich aber zu einer anderen Schlussfolgerung und will ab Montag einige bestehende Restriktionen wieder auflockern. Reporter.lu berichtete über diese offensichtliche Diskrepanz in der rezenten Regierungsstrategie.

Im Kern wurde der Widerspruch zwischen Faktenbasis und politischer Schlussfolgerung noch nicht ausgeräumt. In der Begründung des Gesetzvorschlags, mit dem sich die Abgeordneten bis zum Wochenende auseinandersetzen sollen, nennt das Ministerium mehrere epidemiologische Risiken, die zurzeit bestehen würden. Dagegen werden keine nachweislichen Faktoren genannt, die eine Aufhebung von Maßnahmen rechtfertigen könnten. Das sieht auch der Staatsrat so. Die Regierung wolle Lockerungen beschließen, ohne dafür eine Begründung zu nennen, kritisiert der « Conseil d’Etat » in seinem Gutachten zum neuen Covid-Gesetz.

Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch versuchte Paulette Lenert (LSAP) einen anderen Ton anzuschlagen und die Grundlagen für ihre Entscheidung konkreter darzulegen: „Uns war es wichtig, dass nach dem 10. Januar überhaupt noch Maßnahmen gelten“, sagte die Gesundheitsministerin. Soll heißen: Das Ministerium bezieht sich weniger auf die Situation der vergangenen Tage als auf die Aussicht auf bessere Zahlen und den befürchteten Ruf nach einer vollständigen Lockerung der Restriktionen. So versuchte Paulette Lenert denn auch ihre missverständliche Äußerung vom Dienstag zu erklären, wonach die neuen Maßnahmen « kein Paket von Lockerungen » seien.

Rückläufige Neuinfektionen

„Wir wissen mittlerweile, dass vor allem während des Essens oder eines Besuches das Infektionsrisiko steigt“, so Paulette Lenert. Deshalb müssten Restaurants und Cafés weiterhin geschlossen bleiben und der Besuch von Freunden oder Familie dürfe nur begrenzt stattfinden. Für die nun wieder öffnenden Bereiche gelten demnächst strengere Maßnahmen als noch vor Weihnachten, um auch dort das Risiko in Schach zu halten. „Das Paket ist mit einem partiellen Lockdown vergleichbar“, fasst die Gesundheitsministerin die neuen Maßnahmen zusammen. Das jetzige Infektionsgeschehen könne leichte Auflockerungen erlauben, allerdings seien die Werte „nicht niedrig genug, um sich jetzt zurücklehnen zu können“, sagte Paulette Lenert am Mittwoch.

Dennoch stimme die Lage das Ministerium optimistisch. Im Vergleich zur Vorwoche hat die Zahl der Neuinfektionen in der vergangenen Woche um elf Prozent abgenommen. Zudem musste das Contact Tracing rund ein Drittel weniger Kontakte nachverfolgen. Auch in den Krankenhäusern zeichnet sich eine Besserung ab. In der vergangenen Woche mussten nur noch 135 Covid-Patienten behandelt werden, davon 32 auf der Intensivstation. In der Vorwoche lag der Gesamtwert noch bei 175.

Außerdem registrierte das Ministerium im Schnitt nur noch 150 Neuinfektionen pro Tag. Damit könne auch die Kontaktnachverfolgung wieder besser gewährleistet werden. „Wir haben unseren Rückstand aufgeholt“, sagte Jean-Claude Schmit am Mittwoch vor der Presse. Auch in den Kläranlagen ist der Abwärtstrend erkennbar. Laut den Forschern haben die Infektionen sich jedoch in den letzten Tagen erneut auf einem hohen Niveau stabilisiert.

Wenig Erkenntnisse zur Virus-Mutation

Zusätzlich hätten die Ungewissheiten über das Infektionsgeschehen an den Feiertagen und die neue britische Mutation des Virus das Ministerium dazu veranlasst, die Maßnahmen nicht noch weiter aufzulockern. Wie weit sich die neue Variante ausgebreitet hat, ist weiterhin unbekannt. Von den drei bekannten Infektionen mit der neuartigen Virusversion in Luxemburg seien zwei vermutlich auf private Haushalte zurückzuführen, so Jean-Claude Schmit. Bei der dritten Person handelt es sich um einen Taxifahrer. Die ursprüngliche Infektionsquelle ist dem Ministerium nicht bekannt.

Angesichts der zwiespältigen Lage versucht das Ministerium eine Kompromisslösung. Fast alle Maßnahmen, die vor dem 26. Dezember in Kraft waren, sollen ab dem 11. Januar erneut gelten. Da der Abwärtstrend bereits vor der Schließung von Schulen und Geschäften stattfand, rechnet das Ministerium für die kommenden Tage deshalb mit weiter fallenden Neuinfektionen.

Psychische Belastung nimmt zu

Als weiteren Beweggrund für das neue Maßnahmenpaket nannten Xavier Bettel (DP) und Paulette Lenert am Dienstag deutliche Warnungen des Psychiatriepersonals, wonach die psychische Belastung der Bevölkerung zunehme. Konkrete Belege für die Verschlechterung dieser Lage konnten die Minister allerdings nicht nennen. Nun reagierte das Gesundheitsministerium auf die Kritik und fragte in den Krankenhäusern nach.

Laut dem Ministerium sind sowohl Depressionen als auch Suizidtendenzen angestiegen. Gleichzeitig sollen auch Fälle von Anorexie und Bulimie zugenommen haben. Allerdings sei die Lage noch nicht alarmierend, so die Gesundheitsministerin. Genaue Zahlen nannte das Ministerium auch dieses Mal nicht.

Schüler und Lehrer werden erneut getestet

Als zusätzliche Schutzmaßnahme hat das Ministerium vor dem Schulstart am Montag das Lehrpersonal und die Schüler zu einem Test eingeladen. Seit Mitte Dezember sind etwa zehn Prozent der Schüler dem Aufruf gefolgt, heißt es von offizieller Stelle. Lediglich 71 von ihnen wurden positiv getestet. Eigentlich sollten die Tests bis zum 9. Januar durchgeführt werden, da die Nachfrage jedoch groß ist, werden auch in der zweiten Januarwoche Schüler und Lehrer getestet.

Zusätzlich haben laut dem Bildungsministerium mehr als 80 Prozent der Eltern eingewilligt, ihre Kinder in den Schulen testen zu lassen. Demnach können mobile Teststationen an Schulen künftig leichter eingesetzt werden.

Am Freitagnachmittag soll das Parlament über das neue Covid-Gesetz beraten und abstimmen.