Vor den Parlamentswahlen legt Viviane Reding ihr Mandat im Europaparlament nieder. An ihren zahlreichen Nebentätigkeiten hält sie jedoch vorerst fest. Kein Wunder, denn hier verdient die CSV-Politikerin mehr als nur Peanuts.

Viviane Reding ist kein Kind von Traurigkeit. Wenige luxemburgische Politiker verfügen über so viel Erfahrung wie die 67-jährige Berufspolitikerin. Seit 1979 ist die geborene Escherin politisch aktiv. Nach Stationen als Mitglied in Luxemburgs Abgeordnetenkammer, im Europäischen Parlament und als EU-Kommissarin will sie es noch einmal wissen. Ihr aktuelles Mandat im EU-Parlament gibt sie jetzt freiwillig auf und tritt im Oktober in der Heimat bei den Parlamentswahlen an. Im Fall einer Regierungsbeteiligung ihrer CSV gilt sie als aussichtsreiche Kandidatin auf ein Ministeramt.

Doch Reding verfügt nicht nur über viel Erfahrung, sondern auch über diverse Einnahmequellen. Wie ein Bericht von Transparency International EU zeigt, gehört sie unter den EU-Parlamentariern zu den Topverdienern.

Luxemburgerin unter den Top 30 der Spitzenverdiener

Als EU-Kommissarin erhielt sie noch ein Basisgehalt von knapp 22.000 Euro monatlich. Mitglieder des Europaparlaments erhalten ein Gehalt von 8.500 Euro monatlich und zusätzlich 4.400 Euro, um gewisse Kosten zu decken – also insgesamt 12.900 Euro.

Das reicht einem Drittel der EU-Abgeordneten aber nicht aus, sie verdienen nebenbei noch zusätzlich. Und hier ist die Grenze nach oben offen. Laut dem besagten Bericht führt der italienische Abgeordnete Renato Soru die Tabelle der Topverdiener im EU-Parlament an. Seit 2014 verdiente er mindestens 1,5 Millionen Euro zusätzlich.

Auf der Liste von Transparency International EU erreicht Viviane Reding immerhin Platz 29. Der Bericht schätzt ihre Nebeneinkünfte seit 2014 eher grob auf eine Spanne zwischen 113.089 und 541.000 Euro. Diese Angaben basieren auf den Erklärungen von Nebentätigkeiten, die die Abgeordneten gegenüber dem Europaparlament angeben müssen.

Die Zahlen gründen demnach vor allem auf Redings Tätigkeiten als Verwaltungsratsmitglied beim belgischen Konzern Agfa-Gevaert und als Mitglied im Kuratorium der deutschen Bertelsmann-Stiftung. Recherchen von REPORTER zeigen jedoch, dass die untere Grenze der von Transparency International angegebenen Verdienstspanne wohl zu niedrig ansetzt.

Ein Verwaltungsrat – 57.500 Bruttoverdienst pro Jahr

Demnach zahlte allein der belgische Konzern Agfa Viviane Reding 2017 und 2016 jeweils 57.500 Euro brutto. Für 2015 war es eine Summe von 38.333 Euro, da Reding erst im Laufe des Jahres Mitglied im Verwaltungsrat wurde. Sie erhielt demnach von Agfa seit 2015 Vergütungen in Höhe von insgesamt 153.333 Euro.

Auf die Höhe ihrer nebenberuflichen Entlohnungen angesprochen, sagt Reding, dass ihre persönlichen Daten nur die zuständigen Steuerbehörden etwas angehen würden. Die genannten Zahlen im Fall von Agfa-Gevaert seien jedoch « inexakt ». Die Jahresberichte von Agfa geben die Brutto-Vergütungen pro Verwaltungsratsmitglied allerdings namentlich an. Was die letztlich verdienten Netto-Summen betrifft, lassen sich freilich keine gesicherten Aussagen machen.

Ich habe nie, weder von nah noch von fern, eine Tätigkeit ausgeübt, die als Lobbying angesehen werden kann. »Viviane Reding, ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission

Die Bertelsmann-Stiftung gibt hingegen überhaupt nicht an, wie hoch die Vergütung ist, die sie den Kurotariumsmitgliedern zahlt – trotz Transparenzversprechen. Reding ist seit 1. Januar 2015 Teil dieses Aufsichtsgremiums. In ihren Erklärungen zu Nebentätigkeiten gibt Reding für diesen Posten ein Gehalt von zwischen 1.000 und 5.000 Euro monatlich an. Maximal wären das demnach 60.000 Euro pro Jahr.

Was Transparency International aber offensichtlich übersah: Reding lässt sich seit Anfang 2015 ebenfalls als Rednerin bezahlen. Wer möchte, kann die Ex-Kommissarin etwa bei den Agenturen « Celebrity Speakers » oder « London Speaker Bureau » buchen. Für solche Auftritte erhält Reding zwischen 500 und 1.000 Euro brutto pro Monat. Es sind aber mindestens 5.000 Euro pro Jahr, ansonsten müsste sie diese Nebentätigkeit nicht offenlegen.

Rechnet man die bekannten Summen und einen mittleren Wert der anderen Vergütungen zusammen, kommt man jedenfalls knapp auf ein Kommissargehalt. Zusätzlich erhielt Reding in den drei Jahren nach Ende ihres Amtes in der Europäischen Kommission übrigens ein Ruhegehalt von 40 bis 65 Prozent ihres früheren Basis-Monatsgehaltes von etwa 20.000 Euro.

Viviane Reding verwahrt sich gegen « Lobby »-Vorwürfe

Die Nebentätigkeiten der Abgeordneten stehen öffentlich immer wieder in der Kritik. So auch im Fall Viviane Reding. Der Vorwurf des Interessenkonflikts steht stets im Raum, insbesondere, wenn es sich um ehemalige Kommissionsmitglieder handelt. Auch Reding wurde bereits vorgeworfen, dass sie jetzt in Aufsichtsgremien von Unternehmen sitzt, für deren Regulierung sie vorher als Kommissarin zuständig war.

Viviane Reding widerspricht dieser Darstellung. « Ich habe nie, weder von nah noch von fern, eine Tätigkeit ausgeübt, die als Lobbying angesehen werden kann », sagt sie auf Nachfrage von REPORTER. Sie sei zwar in ihrer gesetzgeberischen Arbeit, etwa bei der Abschaffung der Roaming-Gebühren oder beim Datenschutz, oft die « Zielscheibe von Lobbyisten » gewesen. Doch « kein Unternehmen, kein Staat » habe sie je von ihrem « Einsatz für das Gemeinwohl » abbringen lassen.

Alle ihre Nebentätigkeiten seien zudem von der Europäischen Kommission in Konformität mit dem Verhaltenskodex für Kommissare genehmigt worden und seien auf der Webseite des EU-Parlaments öffentlich einsehbar, betont die CSV-Politikerin.

Die gut bezahlten Posten von Charles Goerens und Frank Engel

Viviane Reding ist freilich nicht das einzige Mitglied des EU-Parlaments, das wesentlichen Nebentätigkeiten nachgeht.

Charles Goerens (DP) ist etwa Mitglied im Verwaltungsrat von « Foyer Finance ». Das Unternehmen zahlte laut Dokumenten des Handelsregisters 2017 insgesamt knapp 460.000 Euro an die Mitglieder des Verwaltungsrates aus. Wer von den 11 Personen genau wie viel erhielt, ist im Jahresbericht nicht aufgeschlüsselt. Goerens gibt für diese Tätigkeit gegenüber dem Europaparlament eine Spanne von 1.000 bis 5.000 Euro brutto monatlich an, sprich maximal 60.000 Euro jährlich.

Frank Engel (CSV) tagt im Verwaltungsrat der « Global Strategies Group Holding SA », einem Sicherheitsunternehmen mit Sitz in Luxemburg. Die Holding gab laut Jahresbericht 2016 insgesamt 739.583 Euro aus für einen Mitarbeiter und drei Mitglieder des Verwaltungsrates. Öffentlich zugängliche Dokumente geben keinen Aufschluss darüber, welchen Anteil Engel von dieser Summe erhält. Gegenüber dem Europaparlament gab er an, durch diese Tätigkeit Brutto zwischen 1.000 bis 5.000 EUR monatlich zu verdienen.

Georges Bach (CSV) und Mady Delvaux (LSAP) geben keine bezahlten Nebentätigkeiten an. Die erst kürzlich für Claude Turmes nachgerückte EU-Abgeordnete Tilly Metz (Déi Gréng) hat noch keine Erklärung hinterlegt.

Laut den Zahlen von Transparency International verdient Reding mehr hinzu als der Durchschnitt der EU-Abgeordneten. Selbst in der EVP-Fraktion haben nur 37 Prozent der Parlamentarier überhaupt einen bezahlten Nebenjob. Bei Reding sind die drei bezahlten nur ein Teil der insgesamt 13 Nebentätigkeiten, die sie auflistet.

Auffällig ist ebenfalls, dass Reding zu den lediglich drei Abgeordneten zählt, die für Organisationen tätig sind, die im EU-Lobbyregister verzeichnet sind. Die Bertelsmann-Stiftung ist seit 2011 als Lobbygruppe registriert. 15 Mitarbeiter sind als Interessenvertreter auf EU-Ebene tätig, gibt die Stiftung an. Sie verfolgt dabei Politikfelder wie etwa eine « bessere Steuerung der Migration ».

Kontinuierlicher Ausbau der Nebenjobs ab 2014

Die CSV-Politikerin ist allerdings auch ein Sonderfall, weil sie sich als Ex-Kommissarin alle Nebentätigkeiten von der aktuellen EU-Kommission absegnen lassen musste – sprich von Jean-Claude Juncker. Die Kadenz ist beeindruckend: Am 29. Oktober 2014 genehmigte die Kommission ihre Tätigkeiten für die Bertelsmann-Stiftung und das Minenunternehmen Nyrstar. Am 10. Dezember 2014 ging es um ihren Posten bei Agfa-Gevaert, am 19. Dezember 2014 um ihre Reden-Aufträge und den (nicht vergüteten) Verwaltungsratsposten bei der UEFA-Stiftung für Kinder.

Besonders die Anfragen zu Nyrstar und Bertelsmann sorgten für öffentlichen Aufruhr. Der Posten bei Nyrstar galt als möglicher Interessenkonflikt zu ihren Kommissionsmandaten. Schließlich tagte Reding nie im Verwaltungsrat des Unternehmen, wie sie gegenüber REPORTER betont. Nicht ganz unwesentlich war dabei wohl neben der schlechten Presse auch der Fakt, dass der Luxemburger CEO von Nyrstar, Roland Junck, Ende November 2014 das Unternehmen recht plötzlich verließ.

Da die Aktivität der Bertelsmann-Stiftung im Zusammenhang mit Redings Zuständigkeitsbereich als Kommissarin steht, fragte Kommissionspräsident Juncker in diesem Fall zudem ein Gutachten beim Ethikkomitee der Kommission an. Dieses Gremium befand, dass das Kuratorium der Stiftung lediglich eine Aufsicht ausübe und die Stiftung keinen Gewinnzweck verfolge. Allerdings solle sich Reding zurückhalten, wenn das Kuratorium über Projekte entscheide, die EU-Kofinanzierung vorsehen. Dem schloss sich die EU-Kommission an.

Ministerin oder Abgeordnete?

Zum Abschied aus Straßburg gab sich Viviane Reding sehr bescheiden: Ihr einziger Wunsch sei es, ins Luxemburger Parlament gewählt zu werden – und nicht Ministerin zu werden, wie ein französischer Journalist meinte. Fast vergessen scheint dabei also die Rivalität mit CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler. Auch Reding bewarb sich um die Spitzenkandidatur, musste sich parteiintern aber ebenso wie Ex-Finanzminister Luc Frieden und Parteivize Martine Hansen dem Fraktionsvorsitzenden geschlagen geben.

Doch zumindest in einem Punkt, der finanziellen Vergütung, hat Reding Wiseler bereits überflügelt. Der CSV-Spitzenkandidat sitzt in seiner Eigenschaft als CSV-Fraktionschef im Verwaltungsrat von CLT-Ufa, der Muttergesellschaft von RTL – neben den Fraktionschefs von DP und LSAP. Er erhält dort laut seiner Erklärung bei der Abgeordnetenkammer eine Vergütung von zwischen 10.000 und 50.000 Euro pro Jahr. Tatsächlich liegt die Summe am unteren Ende dieser Spanne: CLT-Ufa zahlte 2017 allen 13 Verwaltungsratsmitgliedern zusammen 228.000 Euro.

Ob Redings Aussage, dass sie nach den Wahlen nicht auf die Machtfülle eines Ministerpostens abziele, glaubhaft ist, sei dahingestellt. Innerhalb der CSV ist jedenfalls schon von gewissen Abmachungen hinter den Kulissen die Rede. Doch wie die Erfahrung auf europäischer Ebene zeigt, hat der Job des Parlamentariers in rein finanzieller Hinsicht ohnehin einen entscheidenden Vorteil. Sowohl als Kommissarin als auch als als Ministerin könnte Reding jedenfalls nicht so viele Nebenjobs annehmen, wie sie möchte.