Die OECD hat die Coronapolitik der Regierung unter die Lupe genommen. Die internationale Organisation stellt fest, dass Luxemburg durch die beschlossenen Maßnahmen gut durch die Krise kam. Dennoch gibt es in einigen Bereichen noch Nachholbedarf.

„Es ist nicht an uns, uns selbst zu bewerten“, sagte Xavier Bettel (DP) zu Beginn der Pressekonferenz mit der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch. Die Regierung habe deshalb die internationale Organisation beauftragt, eine Analyse über die Politik der beiden letzten Pandemiejahre durchzuführen. Dabei richtete die OECD den Blick vor allem auf die Entscheidungsprozesse während des Krisenmanagements, inwiefern die Regierung auf diese Situation vorbereitet war und die Maßnahmen, um die negativen Konsequenzen der Pandemie abzufedern.

Ein anpassbares Krisenmanagement

Die Regierung konnte auf ein solides System des Krisenmanagements zurückgreifen, erklärte Elsa Pilichowski von der OECD. Im Bericht wird vor allem die Rolle des Krisenstabs hervorgehoben, der bereits nach Feststellung des ersten Covid-Falls einberufen worden war. In den beiden Monaten zuvor habe das „Haut Commissariat de la Protection Nationale“ in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium Sitzungen mit den anderen Ministerien organisiert, um zu klären, was die Bedürfnisse im Ernstfall seien, heißt es im Bericht.

Ebenfalls positiv wird die Kommunikation nach Beginn der Krise bewertet. Diese hätten laut Bericht 86 Prozent der Gemeinden für gut befunden. Auch das Miteinbeziehen des Parlaments nach dem Ausnahmezustand hebt die OECD als positiv hervor. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keinen Verbesserungsbedarf beim Krisenmanagement gibt. „Die britische Regierung hatte etwa bereits vor der Pandemie ein System eingeführt, das eine klarere Rollenverteilung von Parlament, Regierung und anderen Institutionen festlegt. Das könnte eine Lektion für alle OECD-Mitglieder sein“, sagte Elsa Pilichowski.

Das recht gute Abschneiden der Luxemburger Regierung im Krisenmanagement hat jedoch auch mit dem Umfang der Studie zu tun. Inwiefern die verschiedenen Maßnahmen verhältnismäßig waren, war etwa nicht Teil der Analyse. Die Restriktionen wurden demnach kaum bewertet. „Wir haben uns nur auf den Einfluss der Maßnahmen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Bildung beschränkt“, erklärte die Vertreterin der OECD.

Übersterblichkeit in Alten- und Pflegeheimen

Diese selbstauferlegte Beschränkung findet sich in allen Bereichen des Berichts wieder. Demnach stellten die Experten etwa fest, dass die Übersterblichkeit in Luxemburg im Vergleich zu den anderen OECD-Staaten gering ausfällt. Allerdings gilt dies nicht für die Alten- und Pflegeheime. So seien nur in Belgien und Slowenien mehr Bewohner von Pflegestrukturen an Covid verstorben. Die Analyse beschränkt sich allerdings auf diese Feststellung.

„Die Alten- und Pflegeheime waren zu Beginn der Pandemie keine Priorität in den OECD-Staaten“, sagte dazu Francesca Colombo. Die Maßnahmen seien demnach im Vergleich zu den Krankenhäusern überall zu spät gekommen, so die Vorsitzende der gesundheitspolitischen Abteilung der OECD. Xavier Bettel merkte diesbezüglich an, dass der Bericht auch festgestellt habe, dass die Bevölkerung der Luxemburger Heime im Vergleich zu anderen Ländern älter sei und mehr Komorbiditäten aufweise. Der Waringo-Bericht zu den Alten- und Pflegeheimen wird indes in der OECD-Analyse nicht erwähnt.

Bei der Impfkampagne habe die Regierung « beachtliche Anstrengungen » unternommen, um alle Bevölkerungsschichten zu erreichen, so die Bewertung der OECD. Die mobilen Impfzentren oder auch die vielsprachige Kampagne seien etwa hervorzuheben. Dennoch ist die Impfrate im Vergleich zu anderen OECD-Ländern gering. Die internationale Organisation hätte sich diesbezüglich gewünscht, die Hausärzte und Apotheker früher in die Impfkampagne einzubinden.

Vernachlässigte Jugend

Ein weiterer Teil des Berichts beschäftigt sich mit der Schulpolitik während der Krise. Basierend auf den Daten der „Epreuves standardisées“ wiederholten die Autoren dabei die Befunde des Bildungsministeriums. „Auch wenn die Krise für eine Minderheit von Schülern oder Familien mitunter erhebliche negative Auswirkungen hatte, konnte sich die große Mehrheit der Bevölkerung anpassen“, so die OECD. Demnach bedauern die Autoren, dass das Nachhilfeangebot für die Schüler nicht weiter ausgebaut wurde. Zusätzlich hätte das Ministerium nach der ersten Welle stärker den Dialog mit der Lehrerschaft suchen sollen.

Doch auch in anderen Bereichen sei nicht ausreichend auf die Bedürfnisse von jungen Erwachsenen eingegangen worden, hält der Bericht fest. Arbeitnehmer im Alter von 15 bis 24 Jahren waren etwa stärker vom „Chômage partiel“ betroffen. Ihre Arbeitszeit habe sich bis zum Sommer 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent reduziert. Auch seien sie häufiger von Kündigungen betroffen gewesen als in anderen Ländern, so die Feststellung der OECD.

Die internationale Organisation schlägt deshalb vor, die Berechtigungskriterien für den Revis künftig in Zeiten einer Krise anzupassen. Zurzeit können nur Über-25-Jährige diesen beanspruchen.

Vorbereitungen für die nächste Krise

Die OECD führt auch mehrere Möglichkeiten an, wie das Luxemburger Krisenmanagement in Zukunft verbessert werden könnte. Demnach solle der Staat beispielsweise die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern festigen und einen Expertenpool erstellen, auf den je nach Krise zurückgegriffen werden könnte.

Zusätzlich sollte der Staat seine Politik stärker auf Daten stützen, sagte Matthias Cormann. Der Generalsekretär der OECD schlug vor, zukünftig die Abhängigkeit von Grenzgängern im Gesundheitssystem zu verringern und die Teilarbeitslosigkeit auf Selbstständige auszuweiten.


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