Seit Sommer vergangenen Jahres ist in Luxemburg Cannabis für medizinische Zwecke erlaubt. Damit wird Patienten eine ganz neue Therapieform angeboten. Das hört sich gut an – in der Praxis stoßen Ärzte, Apotheker und Patienten aber immer noch auf Probleme.

250 Ärzte verschreiben es, 180 Patienten nehmen es: Seit Anfang des Jahres dürfen Mediziner in Luxemburg medizinisches Cannabis per Rezept verordnen – wenn sie eine entsprechende Schulung absolviert haben. Im vergangenen Sommer hat das Parlament für den Einsatz von medizinischem Gras gestimmt. Damit sollte die Substanz zu einem normalen Medikament avancieren. Eigentlich ein Segen für alle Patienten, die unter chronischen Schmerzen, Krebs, Multiple Sklerose oder anderen schweren Krankheiten leiden.

Doch von dieser Normalität ist Luxemburg noch weit entfernt. Denn es hapert bei der Umsetzung. Das zeigt sich schon bei der Nachfrage. 20 Kilo Cannabis für medizinische Zwecke (darunter drei unterschiedliche Sorten) wurden vom Gesundheitsministerium im Dezember bestellt, acht wurden bisher freigegeben. Dennoch gibt es bereits erste Engpässe. In mindestens zwei Krankenhausapotheken fehlt die Sorte, die den gleichen Anteil an THC wie CBD enthält.

Die ganze Handhabung lässt es so wirken, als wäre Cannabis immer noch etwas Schlimmes oder Verbotenes. »Dr. Claude Bollendorff

Wann sie wieder erhältlich ist? Weiß man nicht. Dr. Paul Wirtgen, medizinischer Leiter des Centre Hospitalier du Nord (CHdN) bestätigt, dass das Produkt in seinem Krankenhaus ausverkauft ist. « Es gibt aber leider keine Informationen des Gesundheitsministeriums dazu, wann es wieder erhältlich sein wird », so der Arzt. Die Krankenhausapotheken würden deshalb versuchen, sich so gut wie möglich untereinander auszutauschen. « So können wir dem Patienten sagen, wo es das Produkt noch gibt », sagt Paul Wirtgen.

Kann der Patient sein Medikament aber nicht regelmäßig einnehmen, kann das schwerwiegende Folgen haben. Bestimmte Symptome treten wieder akuter auf und später wird der Körper wieder Zeit brauchen, um sich erneut an das Medikament zu gewöhnen. Bis es wieder wirkt, ist der Betroffene seinen Schmerzen ausgesetzt.

Ärzte und Apotheken müssen improvisieren

Doch das ist nicht das einzige Problem. Schwierig ist auch das Ansehen von Cannabis als normales Medikament. Es ist zwar mittlerweile legal, an ihm haftet aber immer noch das Drogenstigma. Es soll den Betroffenen zwar helfen, muss aber streng überwacht werden. Patienten bekommen kein herkömmliches Rezept vom Arzt ausgestellt, sondern ein gesondertes Dokument. Ist der Block mit den Verschreibungszetteln des Arztes aufgebraucht, muss dieser einen neuen beim Gesundheitsministerium beantragen.

Mit dem Zettel und mit ihrem Ausweis müssten Patienten laut Gesetz persönlich in eine Krankenhausapotheke, um das Medikament abzuholen. Medizinisches Cannabis ist nur dort erhältlich. Apotheker kontrollieren, ob das Rezept richtig ausgefüllt ist und geben es zur Kontrolle an das Gesundheitsministerium. « Warum gibt es medizinisches Cannabis nicht überall? », fragt Dr. Claude Bollendorf. « Die ganze Handhabung ist umständlich und lässt es so wirken, als wäre Cannabis immer noch etwas Schlimmes oder Verbotenes », sagt der Addiktologe.

Die Legalisierung wurde angekündigt und dann mussten schnell Taten folgen. Die Umsetzung wurde aber nicht zu Ende gedacht. » Dr. Jeff Wirtz

Viele Betroffene sind aber nicht mobil und können ihr Medikament nicht selbst abholen. Das wissen auch die Apotheker. Deshalb habe man sich untereinander abgesprochen und sich darauf geeinigt, dass man auch einer Drittperson das Medikament ausstellt. « Dafür muss sie mit dem Rezept, dem Ausweis des Patienten und dem eigenen Ausweis in der Apotheke vorbeikommen », so Paul Wirtgen. Das würde die Prozedur für die Betroffenen vereinfachen, sagt Wirtgen – auch, wenn es im Gesetz anders festgeschrieben sei.

Intensive Betreuung, die nicht gewürdigt wird

Vieles läuft demnach bei der Vergabe von medizinischem Cannabis noch nicht ganz rund. Die Beschaffung des Medikamentes ist schwierig, die Kommunikation nicht transparent, die Ware teilweise knapp. Die Freigabe wurde schnell umgesetzt. Offenbar zu schnell, wenn man den damit beschäftigten Experten glauben darf.

Darunter leidet in erster Hinsicht der Patient. Kompliziert ist die Situation aber auch für Ärzte und Apotheker. Denn wer Cannabis verschreibt und ausgibt, muss die Betroffenen intensiv betreuen. Für Claude Bollendorff ist klar, dass eine eintägige Schulung für Ärzte, die im Januar stattgefunden hat, dafür bei Weitem nicht ausreicht.

Das bestätigt auch Dr. Jeff Wirtz. Die Schulung sei seiner Meinung nach nur wenig « pädagogisch wertvoll » gewesen. « Ich habe mich im Vorfeld selbst informiert und viel Literatur dazu gelesen », sagt er. Die Schulung sei vor allem deshalb da gewesen, um das nötige Diplom zu erhalten, um Cannabis verschreiben zu können. Eine reine Formalität.

Kritik an Umsetzung im Hauruckverfahren

« Die Umsetzung wurde im Hauruckverfahren umgesetzt », sagt Wirtz. « Die Legalisierung wurde angekündigt und dann mussten schnell Taten folgen. Die Umsetzung wurde aber nicht zu Ende gedacht. »

Dabei ist Cannabis eine komplexe Pflanze und Patienten müssen den Umgang damit erst einmal lernen. Und das braucht Zeit. « Die Betroffenen sind meist Schmerzpatienten, die einen langen Leidensweg hinter sich haben », so Claude Bollendorff. Damit Cannabis ihnen hilft, braucht es viele Gespräche, genaue Erklärungen und eine präzise Diagnose. « Das ist alles Arbeit, die nicht anerkannt wird, dabei ist sie besonders anspruchsvoll », erklärt der Arzt.

Jeff Wirtz sagt seinerseits, dass er für Cannabis-Patienten 30 bis 60 Minuten Beratungsgespräche einplant. « Wir verschreiben ja nicht nur ein Medikament. Es ist auch an uns zu erklären, wie man richtig vaporisiert oder den Cannabis-Tee zubereitet. »

Es fehlen die richtigen Medikamente

Momentan ist medizinisches Cannabis nur in Blütenform in Luxemburg erhältlich. Es gibt aber unterschiedliche Möglichkeiten, das Produkt einzunehmen. Der Patient kann es inhalieren oder als Tee trinken. Für Dr. Jeff Wirtz wäre eine bessere und leichter verträgliche Variante aber das Cannabis-Öl oder Pillen. « Wenn Sie Krebspatient sind und ihnen ohnehin schon übel ist, dann wollen sie nicht auch noch vaporisieren oder einen Tee trinken, der nicht schmeckt. » Vaporisieren und die Zubereitung des Tees brauche seine Zeit, die Öltropfen oder Pillen seien da um einiges praktischer.

Hinzu kommt, dass der Patient seine Blüten zwar in der Apotheke erhält, weiteres Material wie einen Vaporizer muss er sich aber selbst organisieren. Deshalb meint auch Claude Bollendorff, dass eine Behandlung der Patienten einfacher wird, sobald in Luxemburg auch Cannabis-Öl verfügbar sein wird. Das ist geplant – allerdings erst Ende des Jahres.


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