Wieso sind Rechtspopulisten in Flandern und den Niederlanden so erfolgreich, in Luxemburg und Wallonien hingegen nicht? Zu dieser Frage promoviert Politologin Léonie de Jonge. Sie kommt zum Schluss: Die etablierten Parteien und die Medien tragen eine Mitverantwortung.

„Man hört viel über den Erfolg rechtspopulistischer Parteien und dass diese überall in Europa im Aufschwung sind. Aber es gibt weiterhin Länder, in denen sie es nicht schaffen, sich zu etablieren“, sagt Léonie de Jonge im Gespräch mit REPORTER. Die Frage nach den Ursachen dieses Phänomens untersucht die Politologin in ihrer Doktorarbeit an der Universität Cambridge. „Meine Eltern sind aus Holland. Ich bin in Luxemburg geboren. Mich hat immer interessiert, wieso Rechtspopulisten in Holland Erfolg haben, in Luxemburg aber nicht. Obwohl mir Luxemburg nicht offener oder toleranter erscheint, als die Niederlande.“

In ihrer Doktorarbeit hat sich de Jonge auf vier Fallstudien konzentriert: Flandern, Wallonien, Luxemburg und Holland. Die Benelux-Staaten sind sich ähnlich, teilen eine gemeinsame Geschichte und haben ein vergleichbares politisches System. Dennoch weisen sie in Bezug auf den Rechtspopulismus unterschiedliche Tendenzen auf, so de Jonge.

Angebot und Nachfrage

Wieso also diese Unterschiede? Traditionell versuchen Politikwissenschaftler, diese Frage anhand von Angebot und Nachfrage zu klären. Das reichte de Jonge allerdings nicht aus. „Die Nachfrage ist in allen Regionen da. Es ist nicht so, dass Holländer anders über Migration denken als Belgier ». In Wallonien sei die Nachfrage nach Rechtspopulismus sogar größer als in Flandern. Dennoch wendet sich die Wählerschaft in Flandern immer mehr der Rechten zu.

Medien und traditionelle Parteien spielen die Rolle des Türwächters. »

Zudem gäbe es auch in Wallonien durchaus Parteien, die rechtspopulistische Ideen vertreten. Etwa den Parti Populaire, dessen Anführer Mischaël Modrikamen das Politmagazin « Politico » zu einem der einflussreichsten Politiker 2019 zählt. Trotzdem konnte sich die Partei nicht etablieren.

Deshalb hat die junge Forscherin die Rolle der Medien und der traditionellen Parteien untersucht. „Sie spielen die Rolle des Türwächters. Sie entscheiden, wer in der elektoralen Arena einen Platz hat.“ Würden sie sich resolut gegen rechtspopulistische Parteien stellen, würden sie es diesen deutlich schwerer machen, Fuß zu fassen.

Parteien und Medien als Türwächter

In Holland und Flandern etwa haben die traditionellen Mitterechts-Parteien früh angefangen, Migration zu politisieren. Mit einem migrationsfeindlichen Diskurs wollten sie eine breitere Wählerschaft ansprechen, sagt Léonie de Jonge. „Doch dadurch haben sie den Weg für rechtspopulistische Parteien geebnet.“ Gleiches gelte für die Mittelinks-Parteien, die sich immer mehr auf die Mitte zubewegt hätten, um mehr Wähler anzusprechen. Doch sie haben das Gegenteil erreicht. „Immer mehr Wähler haben sich bei den Parteien nicht mehr zu Hause gefühlt und nach Alternativen gesucht.“

Die Luxemburger Medien sind näher an der Politik, als am Leser. »

Auch die Medien entscheiden laut de Jonge über den Erfolg rechtspopulistischer Partien. In Holland und Flandern würden sie zunehmend versuchen, so viele Leser wie möglich anzuziehen und sich mehr und mehr kommerzialisieren. Sie halten sich dadurch nicht mehr an eine redaktionelle (Partei)linie. « Wenn diese Säulen in Medien und Politik verschwinden, dann wird eine Nische geschaffen, die rechtspopulistischen Parteien zugutekommt. »

Luxemburgs Sonderstellung

In Luxemburg sei die Situation aber speziell. Denn das Großherzogtum habe eine ganz spezifische Wählerschaft, so die Politologin. « Es gibt zum Beispiel fast keine Arbeiterklasse, da es sich vorwiegend um Ausländer handelt, die nicht wählen dürfen. Unter den Wählern sind viele Staatsbeamten, die sich durch eine Konkurrenz von Migranten auf dem Arbeitsmarkt nicht bedroht fühlen. » Zudem gäbe es in Luxemburg einen viel größeren Kontakt zu Ausländern. « Dadurch ist die Nachfrage für rechtspopulistische Parteien schwächer. » Bisher würden es die traditionellen Parteien noch schaffen, die politische Nachfrage abzudecken – gleichwohl man auch hierzulande einen Negativtrend sehe und Wähler von den Sozialisten und Christdemokraten zum Beispiel zu den Grünen und Piraten abwandern.

Die Medien würden zudem weiterhin gut subventioniert. Daher unterliegen sie nicht dem Druck, dem sie etwa in der Niederlande ausgesetzt sind. « Sie sind näher an der Politik, als am Leser. » So hätte das « Luxemburger Wort » etwa beim Referendum politisch Position beziehen können, obwohl das den Lesern nicht gefallen habe. Die Medien seien zwar keine Parteiblätter, halten sich aber an eine redaktionelle Linie, die die der jeweiligen Parteien widerspiegele. Im Ausland hingegen, verfolgen sie laut de Jonge all jene Themen, die « newsworthy » sind.