Der bisherige Generaldirektor von « Editpress », Jean-Lou Siweck, wird neuer Direktor von « Radio 100,7 ». Der Posten war vakant, nachdem der Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Senders Marc Gerges im April nach einem lange schwelenden Konflikt abgesetzt hatte.

Jean-Lou Siweck zieht weiter. Nach etwas mehr als drei Jahren an der Spitze von « Editpress » wird der 50-Jährige ab Mitte September die Direktion von « Radio 100,7 » leiten. Das teilte der Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Radiosenders am Freitag mit. « Der Professionalismus und die große Erfahrung machen aus Jean-Lou Siweck den idealen Kandidaten, um das Radio 100,7 weiter als Referenzmedium in der Luxemburger Medienlandschaft zu verankern », wird die Präsidentin des Verwaltungsrats des Senders, Véronique Faber, zitiert.

Der neue Direktor sieht seinen neuen Arbeitgeber seinerseits « an einem besonderen Punkt in seiner Entwicklung angekommen, weil seine Mission als ‘Service Public’ präzisiert und gestärkt werden soll ». « Ich bin froh, die Direktion zu diesem Zeitpunkt zu übernehmen und dem Team des Radios meine Erfahrung zur Verfügung zu stellen. »

Mission (nicht ganz) accomplished

In einer Mitteilung an die Belegschaft von « Editpress » erklärte Siweck die Entscheidung seines Wechsels sowohl mit « persönlichen und familiären » Gründen als auch mit dem Wunsch nach einem « neuen Gleichgewicht » bei der Führung eines Unternehmens und der Entwicklung eines Mediums. Er könne zwar nicht behaupten, dass seine Mission im Escher Verlagshaus « komplett abgeschlossen » sei. Allerdings könne « Editpress » auf die von ihm eingeleitete finanzielle Konsolidierung und strategische Neuorientierung aufbauen, so der scheidende Generaldirektor in der E-Mail, die Reporter.lu vorliegt.

In der Tat hat Siweck in seiner Zeit an der Spitze des Herausgebers des « Tageblatt » einige Weichenstellungen vorgenommen. Unter seine Verantwortung fällt sowohl die Einstellung des Betriebs der Wochenzeitung « Le Jeudi » als auch der Verkauf des langjährigen Firmen- und Redaktionssitzes in der Escher Rue du Canal. Durch diese Umstrukturierungen konnte der Medienkonzern 2020 erstmals seit längerer Zeit wieder schwarze Zahlen schreiben.

Dabei hatte der Ex-Chefredakteur des « Luxemburger Wort » bei seinem Antritt als CEO von « Editpress » im Mai 2018 einige große Baustellen vorgefunden. Laut Informationen von Reporter.lu war die finanzielle Lage bei « Editpress » damals so kritisch, dass die Banken angesichts von stark rückläufigen Leser- und Geschäftszahlen und einer hohen Verschuldung an der Kreditwürdigkeit des Medienkonzerns zweifelten. In seiner Zeit als Generaldirektor hat Siweck dem Unternehmen zumindest in rein finanzieller Hinsicht etwas Luft verschafft.

Neues Gesetz, neue Perspektiven

Bei « Radio 100,7 » erwartet Siweck eine ebenso erfahrene wie selbstbewusste Redaktion, die gegen ihren ehemaligen Direktor, Marc Gerges, offen rebelliert hatte. Die Vorwürfe gegen den ehemaligen Direktor reichten von einer unzulässigen Einmischung in die redaktionellen Inhalte über strukturelle Probleme in der Kommunikation bis hin zu „Einschüchterungsversuchen“, wie es in einem gemeinsamen Brief von Mitarbeitern an den Verwaltungsrat noch Ende 2020 hieß.

Im Kern ging es beim Konflikt jedoch um die unklare Rollenverteilung in der Governance des Radiosenders, insbesondere zwischen Direktion und Chefredaktion. Dieses Problem soll durch ein neues Gesetz gelöst werden, das Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) Anfang des Jahres ins Parlament einbrachte. Zudem soll das Gesetz eine klare Mission definieren sowie die langfristige Finanzierung und nicht zuletzt die politische Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks garantieren.

Letzterer Punkt sorgte dabei auch schon vor dem internen Konflikt für Diskussionen in der Medienwelt. Eine Situation wie unter der Präsidentschaft von Laurent Loschetter soll durch das neue Gesetz vermieden werden. Der ehemalige Vorsitzende des Verwaltungsrats hatte sich selbst in einem Interview als „Vertrauensperson“ des Premiers bezeichnet. In der Öffentlichkeit wurde Loschetter diese eingestandene persönliche Freundschaft zu Xavier Bettel letztlich zum Verhängnis.

Jean-Lou Siweck hatte in dieser Debatte um die Unabhängigkeit von « Radio 100,7 » stets eine klare Position eingenommen. Noch als Chefredakteur des « Luxemburger Wort » hatte er in einem Leitartikel die politisch motivierte Ernennung von Loschetter offen kritisiert. Nach seiner Entlassung beim « Wort » kehrte Siweck, der zwischen 2004 und 2013 als Wirtschaftsberater von Premierminister Jean-Claude Juncker arbeitete, übrigens ins Staatsministerium zurück. In dieser Funktion wurde er selbst für kurze Zeit in den Verwaltungsrat von « Radio 100,7 » berufen.


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