Die Prestigeprojekte Fënsterschlass und Cloître Saint-François sind fast schlüsselfertig. Die Wohnungen mit Quadratmeterpreisen von bis zu 25.000 Euro bringen einen neuen Typus an Einwohnern in die Innenstadt: reich, transnational und teils hinter Finanzkonstruktionen versteckt.
Die Gerüste der letzten Jahre sind verschwunden, die sandsteinerne Fassade scheint golden in der Sonne, die spiegelnden Fenster machen dem Namen alle Ehre: Das Fënsterschlass an der Ecke Rue des Bains und Rue Aldringen erstrahlt in neuem Glanz. Die Schlüsselübergabe für die knapp 20 Wohnungen hat begonnen.
„Vor 15 Jahren als ich in Luxemburg anfing, wollten die Kunden eine große Villa“, erzählt der Immobilienentwickler Nik Coenegrachts. „Heute suchen sie hochwertige Wohnungen im Stadtzentrum – am liebsten in geschichtsträchtigen Gebäuden“, so der Belgier, der zusammen mit seinem Bruder das Unternehmen ICN leitet. Diese Erwartungen erfüllt ebenfalls das Cloître Saint-François am Fischmarkt, wo die Arbeiten ebenfalls kurz vor dem Abschluss stehen. Auch im früheren Hospital der Franziskanerinnen befinden sich nun Luxuswohnungen.
„Leben im Herzen der Hauptstadt, gönnen Sie sich dieses Privileg“, wirbt die Immobilienagentur Inowai für eine Wohnung im Fënsterschlass. Der Preis: 1,63 Millionen Euro für 117 Quadratmeter. Dieses Angebot an luxuriösen Residenzen ist neu, denn bisher galt das Stadtzentrum nicht als besonders attraktiv.
11.500 bis 25.000 Euro pro Quadratmeter
Das zeigt sich auch in den Wohnungspreisen: In Limpertsberg (11.832 Euro/m2), Kirchberg (9.242 Euro/m2) und Belair (9.162 Euro/m2) lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis deutlich höher als in der Oberstadt (7.810 Euro/m2). Das zeigen die Auswertungen der Anzeigen durch das „Observatoire de l’Habitat“ von Mitte 2016 bis Mitte 2017.
Beide genannten Projekte erreichen ein ganz anderes Preisniveau. Beim Fënsterschlass liegen die Quadratmeterpreise zwischen 11.500 und 14.500 Euro, sagt Nik Coenegrachts. Im Luxus-Objekt am Fischmarkt werden zwischen 22.000 und 25.000 Euro pro Quadratmeter fällig.

Als im Gemeinderat der Stadt das Projekt diskutiert wurde, kritisierte Guy Foetz (déi Lénk) die hohen Preise. Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) antwortete, die Umbauarbeiten in alten Gebäuden seien eben teuer. Andererseits seien die hohen Preise ein Hinweis, dass die Stadt attraktiv sei. Tatsächlich steigt das Angebot an hochwertigen Wohnungen.
Wenige Hundert Meter vom Fënsterschlass entfernt entstehen über 70 Einheiten im Royal-Hamilius. Auch dort erreichen die Quadratmeterpreise bis zu 13.600 Euro. In Kirchberg entstehen 150 Einheiten im Wohnturm Infinity Living, direkt gegenüber der Philharmonie. Hier sollen die Preise deutlich über einer Million Euro pro Wohnung liegen. Selbst Wohnungen im « Soho »-Projekt im deutlich weniger attraktiveren Bahnhofsviertel erreichen Werte von 12.000 Euro pro Quadratmeter.
In einem Markt in dem die Preise für neue Wohnungen über sechs Prozent pro Jahr steigen, wird es entsprechend schwieriger sich von der Konkurrenz abzusetzen. Das « High-end » hat eine Höchstgrenze erreicht, war die Analyse des « Lëtzebuerger Land ».
Im Fall vom Fënsterschlass beriet eine Innenarchitektin alle Käufer und die Baufirma Tralux erfüllte zahlreiche Anpassungswünsche, erklärt Coenegrachts. Manche Kunden legten mehrere Wohnungen zu einem Duplex oder gar Triplex zusammen.
Abriss bis auf die Fassade
Eine Menge Geld war nötig, um aus einem heruntergekommenen Gebäude wieder ein Fënsterschlass zu machen. Im Dezember 2006 gründete Charles Ruppert – kurz nach seinem Abschied als Generaldirektor von Saint-Paul – zusammen mit dem Münchner Architekten Gisbert Dreyer die Dreyer Ruppert Real Estate S.A.
„Charles Ruppert ist der Begründer des Projekts, indem er die drei Gebäude zusammenbrachte, die heute das Fënsterschlass ausmachen“, erklärt Coenegrachts. Doch richtig konkret wurde die Umsetzung erst, als Anfang 2015 mit ICN (damals NC Management) und der Baufirma Tralux zwei neue Partner an Bord kamen.

Bald darauf begannen die Bauarbeiten an den Gebäuden an 23 und 25 Rue des Bains sowie 1, rue Aldringen. Das Vorgehen war dabei radikal: Das Hauptgebäude, das sowohl unter nationalem wie kommunalem Denkmalschutz steht, wurde bis auf die Fassade abgerissen. Die Außenwand wurde in einer tiefen Betonplatte verankert und dahinter ein Neubau aus Stahlbeton errichtet, erläutert das beteiligte Ingenieurbüro Inca.
Ein umstrittenes Finanzinstrument
Das nötige Investment chiffriert Nik Coenegrachts auf etwa 35 Millionen Euro. Um diese Summe zu stemmen, griffen die drei Projektpartner ICN, die Baufirma Tralux und Charles Ruppert auf ein in der heimischen Immobilienbranche ungewöhnliches Finanzinstrument zurück: die Verbriefung (französisch: titrisation). Aus der Immobilienholding Dreyer Ruppert Real Estate wurde die Verbriefungsgesellschaft DRRE Securisation.
Dieses Finanzinstrument ist jedoch umstritten. „Es ist ein risikoreiches Investment“, gibt Coenegrachts zu. Anders als die große Mehrheit der Luxemburger Fonds sind die Verbriefungsgesellschaften unreguliert. Sie fallen nicht unter die Kontrolle der Finanzaufsichtsbehörde CSSF, außer sie verkaufen die Wertpapiere an ein breites Kundenspektrum.
Daraus folgt eine gewisse Intransparenz, die durchaus riskant ist. „Professionelle Dienstleister werden misstrauisch bei diesem Typ von Investmentgesellschaften“, sagt der Anti-Geldwäsche-Experte Thierry Pouliquen. Es seien komplexe Strukturen, die durchaus ein hohes Geldwäscherisiko bergen. „Es gab manche Verbriefungsgesellschaften, die etwas grenzwertig waren“, sagt auch der Anwalt und Steuerexperte Denis-Emmanuel Philippe. Allerdings wäre es die Aufgabe der Depotbank und der Domizilierungsdienstleister zu kontrollieren, woher das Geld stammt, das in die Wertpapiere investiert wird, so Philippe.
Coenegrachts sieht das anders. „Wir haben ein Investmentvehikel über welches Interessenten sich am Projekt beteiligen können. Wir stehen in direktem Kontakt mit den Investoren, die die Wertpapiere zeichnen“, erklärt Coenegrachts die Grundzüge des Vorgehens. Anfangs seien die Beteiligten Familienmitglieder und Freunde gewesen, mittlerweile habe sich das Netzwerk jedoch erweitert. Jeder Investor müsse mindestens 200.000 Euro investieren, so der ICN-Geschäftsführer.
Auch das Risiko für die Investoren sei begrenzt, schließlich gehe es um eine Luxemburger Immobilie, meint er. Sprich: Der Totalverlust ist letztlich unwahrscheinlich.
Der Einstieg in eine andere Liga
Grundlage für dieses Konstrukt ist ein Gesetz von 2004. Als im Parlament über den Text abgestimmt wurde, sagte der damalige Budgetminister Luc Frieden, dass die Verbriefung zu einer „zolidd diversifiéiert, gutt iwwerwaachten a seriö Finanzplaz“ beitrage. Coenegrachts lobt die Luxemburger Möglichkeiten in der Verbriefung: „Das hat uns als Familienunternehmen ermöglicht zu wachsen. Es hat uns erlaubt, in eine Welt einzutreten, die normalerweise börsennotierten Gesellschaften vorbehalten ist. »
Mastermind hinter diesem Winkelzug ist der Vermögensverwalter und Mitglied im Verwaltungsrat der Zentralbank, Claude Zimmer. Bereits 2005 sagte er „Paperjam“, dass er an der Verbriefung einer Immobilie arbeite. Leider sei jedoch der Kunde im letzten Moment abgesprungen, obwohl das Objekt gewinnträchtig gewesen sei und so ein neuer Markt hätte entstehen können. Ob er bereits damals an das Fënsterschlass dachte, ist ungewiss. Claude Zimmer wollte sich dazu gegenüber REPORTER nicht äußern. Erst im Januar 2015 verkündete die Immobilienagentur Inowai, dass Zimmer mit seiner Buchprüfergesellschaft Zimmer&Partners an der Transaktion beteiligt war, die zum heutigen Trio führte.

Ende 2017 gab es in Luxemburg knapp 1.200 Verbriefungsgesellschaften und -fonds, die jedoch eine sehr große Bandbreite an Formen und Aufgaben abdecken. Die „véhicules de titrisation“ im engeren Sinn verwalteten laut den Zahlen der Zentralbank insgesamt ein Vermögen von 22 Milliarden Euro – wenig im Vergleich der 4.149 Milliarden Euro, die die gesamte Luxemburger Fondsindustrie auf die Waage bringt.
Weitreichende Steuervorteile
Nähere Details will Coenegrachts zum Vorgehen hinter DRRE Securisation nicht nennen. „Wir bleiben diskret in diesem Punkt“, sagt er gegenüber REPORTER. Nur soviel: Alles sei transparent, da die Wertpapiere bei der BIL hinterlegt seien, die als Depotbank fungiert. Und: „Die Strukturierung hat nichts mit Steuern zu tun“, versichert der Belgier.
Das trifft allerdings nur teilweise zu. „Die Luxemburger Gesetzgebung stellt sicher, dass Verbriefungsvehikel steuerneutral sind“, verkündet die Vermarktungsagentur des Finanzplatzes, Luxembourg for Finance, stolz.Auch bei der Annahme des Gesetzes 2004 waren die Steuervorteile das Hauptthema. Handelskammer und Staatsrat wollten noch weiter gehen, doch die Steuerverwaltung warnte vor einem Verstoß gegen den EU-Verhaltenskodex in Steuerfragen.
Tatsächlich unterliegen diese Gesellschaftsformen nur der minimalen Vermögenssteuer und zahlen keine Taxe d’abonnement. Körperschaftssteuer müssen diese Gesellschaften zwar theoretisch zahlen, aber die Dividenden an die Investoren gelten als Zinsen und können so vom Gewinn abgerechnet werden. So würden die fälligen Steuern gegen Null tendieren, schreibt PwC.

Während die Besitzerfirma des Fënsterschlass demnach quasi steuerfrei bleibt, gilt das nicht unbedingt für die Halter ihrer Obligationen. „Im Prinzip sind es die Investoren, die Steuern zahlen müssen, wenn die Verbriefungsgesellschaften Zinsen oder Dividenden ausschütten“, erklärt Denis-Emmanuel Philippe. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Wenn die Investoren die Obligationen über eine Offshore-Firma halten, kommen sie an den Steuern vorbei, so der Experte.
Millionäre aus den Nachbarländern
Sehr reiche Privatpersonen – sogenannte High Net Worth Individuals (HNWI) – legen ihr Geld zunehmend in Luxemburger Immobilienfonds an. In neun Prozent aller Immobilienfonds stellten sie 2017 die Mehrheitsinvestoren. 2016 waren es erst acht Prozent. Zusätzlich waren Vermögensverwalter (Family Office und Private Bank) mehrheitlich an weiteren fünf Prozent der Fonds beteiligt.
Dieser vermögende Personenkreis fungiert auch als Käufer der Luxuswohnungen der beiden Projekte. Im Kadasterauszug des Cloître finden sich etwa die Namen französischer und belgischer Unternehmer aus der Finanzbranche sowie ein russischer Industrieller, dessen Konzern eine Tochterfirma in Luxemburg hat. Dieser ist jedoch die Ausnahme – und dies trotz Bemühungen reiche Kunden aus Russland und den Golfstaaten auf den Fischmarkt zu locken, wie das „Lëtzebuerger Land“ berichtete.
Auf das Fënsterschlass trifft dies ebenfalls zu. Besitzer sind laut Kadaster unter anderem zwei französische Fondsverwalter, ein belgischer Bauunternehmer, ein portugiesischer Architekt sowie ein Münchner Industrieller. „Es sind Europäer, die ein internationales Leben führen und entsprechend viel reisen“, beschreibt Coenegrachts seine Kunden.
Von Strohmännern und Offshorefirmen
Doch wer die Besitzer sind, ist beim Fënsterschlass nicht in allen Fällen nachzuvollziehen. Drei der 18 Wohnungen, zwei der drei Büros und eine der drei Geschäftsflächen sind in der Hand von Briefkastenfirmen. Schaut man im Handelsregister nach, wer diese Gesellschaften gegründet hat und wer sie verwaltet, stößt man teils auf Strohmänner von Treuhandgesellschaften, teils auf Offshore-Firmen.
Umgedreht sieht es beim Cloître aus: In einem Kadasterauszug von Anfang März sind die aufgeführten Besitzer Privatpersonen und keine Briefkastenfirmen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt erst 70 Prozent der Einheiten verkauft. Aktuell steht die Werbetafel mit „Plus que quelques lots à vendre“ immer noch vor dem früheren Kloster.
Verschlungen wie der Grundriss ist auch das Firmenkonstrukt, das sich hinter dem Bauträger Le Cloître S.A. verbirgt. Über den ersten – durchaus transparenten – Strang führen die Beteiligungen über fünf Etappen bis zu Johan Van Wassenhove. Der Mehrheitsaktionär des internationalen Baukonzerns Denys gilt als einer der reichsten Belgier. Über diese Kaskade an Firmen hält er 30 Prozent am Cloître.
Die restlichen 70 Prozent gehören der humorvoll benannten Holding « Stairway to Heaven ». Deren eine Hälfte ist im Besitz von Promotions Partners S.A. Wer sich dahinter verbirgt, ist dem Handelsregister nicht zu entnehmen. Verfolgt man der anderen Hälfte landet man bei der Offshorefirma Hayworth auf den Seychellen.
Sowohl das Fënsterschlass als auch das Cloître sind zwei emblematische Immobilienprojekte. Sie zeugen von dem Willen, die HNWIs dieser Welt nach Luxemburg zu bringen. Die aktuelle Wohnungsnot wird der Trend Richtung Luxuswohnungen nicht lindern.
Noch stammen die (bekannten) Käufer der Luxuswohnungen weiterhin überwiegend aus den Nachbarländern. An anderen Orten der Welt ist der Immobilienkauf von Superreichen über intransparente Wege zur Normalität geworden: In Manhattan ging 2014 über die Hälfte der verkauften Immobilien an Briefkastengesellschaften, betonte die berühmte US-Soziologin Saskia Sassen 2016 in Luxemburg. Vielleicht war ihre Warnung nicht umsonst.