Grüne und CSV haben einen Erfolg erzielt: Der Klimaschutz soll Einzug ins Grundgesetz halten. Luxemburg ist eines der ersten Länder in Europa, das eine solche Reform plant. Künftig könnten Maßnahmen gegen den Klimawandel vor Gericht eingefordert werden.
Die neue Verfassung ist tot, es lebe die punktuelle Verfassungsänderung! Im Dezember beschlossen die Parlamentsfraktionen eine lange Liste an Änderungsvorschlägen mit denen die Verfassungsreform doch noch gelingen soll. Ein Punkt ging bisher unter: „Kampf gegen den Klimawandel bzw. Klimaneutralität in den Artikel 43 einfügen.“
Von den 31 Punkten, auf die sich der Institutionenausschuss einigen konnte, ist es der Einzige, der nicht bereits im Text der neuen Verfassung vorhanden war. „Es ist einer der positiven Punkte in diesem Prozess“, kommentiert Mars di Bartolomeo (LSAP). Er hat diese Woche den Vorsitz des Ausschusses von seinem Parteikollegen Alex Bodry übernommen.
Für Leon Gloden (CSV) hat der späte Erfolg mit der Chronologie der Reform zu tun: „2014 war der Klimawandel noch nicht so eine große Priorität.“ Die CSV habe sich aktiv für die Verankerung der Klimaneutralität eingesetzt. Erst war es eine Absprache in den geheimen Verhandlungen zwischen Blau-Rot-Grün und der CSV, später stimmte der Ausschuss zu. Die genaue Formulierung steht noch offen.
Der Entwurf des Klimaschutzgesetzes, den die Regierung im November vorstellte, hält bereits das Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2050 fest.
Vorreiterrolle in Europa
Wird die Verfassungsänderung Realität, wäre Luxemburg das erste Land in Europa mit einem entsprechenden Artikel im Grundgesetz. Die Idee ist aber nicht völlig neu. Weltweit sind bereits in mehreren Ländern mehr oder weniger verpflichtende Klimaschutzmaßnahmen in der nationalen Verfassung verankert. In Europa befinden sich jedoch entsprechende Initiativen größtenteils noch im Anfangsstadium.
Einzig Frankreich könnte Luxemburg die Vorreiterrolle streitig machen. Die französische Regierung hat bereits 2018 einen Entwurf für einen Änderungsantrag eingereicht. Vor einem Jahr wurde nachgebessert. In den nächsten Monaten soll die Verfassungsreform auf die Tagesordnung der „Assemblée Nationale“ kommen. Die Reform soll unter anderem den ersten Artikel der Verfassung ergänzen. Kommt der Antrag durch, soll die Französische Republik sich für den Erhalt der Umwelt, der Biodiversität sowie gegen den Klimawandel einsetzen.
Ein einklagbares Ziel
„Setzt das Luxemburger Parlament den Klimaschutz als Staatsziel fest, dann ist dies nicht unmittelbar verbindlich“, sagt Jörg Gerkrath, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luxemburg. Jedoch liegt es dann am Gesetzgeber, neue Maßnahmen zu treffen, um dieses Staatsziel zu verwirklichen. „Und das kann man auch durchaus einklagen“, so der Verfassungsexperte.
Längst haben Umweltorganisationen in mehreren Ländern, ihre Regierung wegen unzureichendem Klimaschutz verklagt. Anstoß für die Klagewelle ist das Verfahren der Umweltorganisation „Urgenda Foundation“ gegen die Niederlande. Die Organisation argumentierte, dass die beschlossenen Maßnahmen der Regierung gegen den Klimawandel ungenügend seien.
Das Prinzip der Klimaneutralität wäre schon stärker.“Jörg Gerkrath, Universität Luxemburg
Das Gericht gab ihnen recht. Unter der Europäischen Menschenrechtscharta hat jeder ein Recht auf Leben, der Klimawandel würde dieses Recht gefährden. Vor einem Monat bestätigte das oberste Gericht der Niederlande das Urteil – bis zum Ende des Jahres muss der Staat 25 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber 1990 einsparen.
Doch Umweltverbände könnten bereits ohne Verfassungsänderung gegen den Luxemburger Staat klagen – die Menschenrechtscharta gilt auch hierzulande. Ein klares Bekenntnis zum Kampf gegen den Klimawandel im Grundgesetz würde die Erfolgschancen allerdings erhöhen, meint Jörg Gerkrath. Der Interpretationsspielraum für Richter könne so verringert werden. Sie müssten sich dann nicht mehr zwingend auf die ungewisse Interpretation der Menschenrechte beziehen.
Kampf gegen den Klimawandel vs. Klimaneutralität
Entscheidend ist allerdings der genaue Wortlaut des Textes. Die Grünen schlagen den „Kampf gegen den Klimawandel“ oder « Klimaneutralität » vor, während die CSV die „Klimaneutralität“ in die Verfassung einschreiben will.
„Das Prinzip der Klimaneutralität wäre stärker“, sagt Jörg Gerkrath. Dies sei leichter nachzuprüfen als ein Bekenntnis zum Kampf gegen den Klimawandel. Natürlich stelle sich dann aber auch die Frage, für wen die Klimaneutralität gilt. „Bezieht sich die Klimaneutralität nur auf die ökonomischen Aktivitäten im Land oder werden Fluggäste dann dazu verpflichtet ihren CO2-Ausstoß zu kompensieren?“ fragt der Professor.
Inwiefern bereits kleine Änderungen des Wortlauts juristische Folgen haben, zeigte sich vor Kurzem in Frankreich. Der Conseil d’Etat forderte, den ersten Artikel nochmals umzuändern. Das Verb „agir“ solle durch „favoriser“ ersetzt werden. Würde man „handeln“ beibehalten, wäre der französische Staat dazu verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen. Der Anwalt Arnaud Gossement kommentierte, dass der Staatsrat „eine leere Floskel“ in die Verfassung setzen wolle.
In Luxemburg muss sich der parlamentarische Ausschuss nun in den nächsten Monaten entscheiden, wie stark sich das Land im Kampf gegen den Klimawandel engagieren soll. Der Zeitplan sieht vor, zuerst das Kapitel zur Justiz abzuschließen. Die Arbeiten an den anderen Kapiteln sollen gleichzeitig anlaufen, sodass keine weitere Zeit verloren geht, bekräftigt der neue Präsident Mars di Bartolomeo. Wann ein erster Entwurf für einen Artikel zum Klimawandel stehen wird, ist allerdings noch offen.