Mit dem Kapitel zur Justiz hat die Abgeordnetenkammer am Mittwoch dem ersten Teil der Verfassungsrevision zugestimmt. Wie erwartet, stimmten die Abgeordneten von DP, LSAP, Déi Gréng und CSV für den vorliegenden Text, womit die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht wurde. Aber auch die Piraten gaben ihre Zustimmung. Die ADR stimmte derweil dagegen, Déi Lénk enthielten sich. Die für eine Verfassungsreform erforderliche zweite Abstimmung im Parlament wird in frühestens drei Monaten erfolgen.
Eine Alternative wäre eine Volksabstimmung. Dazu käme es laut aktueller Verfassung, wenn mindestens 25.000 in den Wählerlisten eingetragene Bürger oder mindestens 16 Abgeordnete sich für ein Referendum aussprechen. Einige Dutzend Demonstranten hatten sich am Mittwochmittag vor dem Parlamentsgebäude versammelt, um ein Referendum über die Verfassung zu fordern.
Die CSV würde nun ebenfalls mit auf dem Weg eines Referendums gehen, wie Claude Wiseler während der Debatte über die Reform durchaus überraschend erklärte. Wenn die aktuell laufende Online-Petition Nr. 2007, die ein solches Referendum fordert, mehr als 25.000 Unterschriften erhalte, werde man « ein Referendum ins Rollen bringen, so wie es Artikel 114 der aktuellen Verfassung vorsieht » und sich denn auch für ein « Ja » bei diesem Referendum stark machen, so der Parteichef der CSV. Besagte Petition, die von einer Privatperson bei der Abgeordnetenkammer eingereicht wurde und am Mittwochabend rund 7.000 Unterschriften zählte, läuft noch bis zum 8. November.
Weniger überraschend waren am Mittwoch die Positionen von ADR, Déi Lénk und den Piraten, die ihre Forderung nach einem Referendum nochmals bekräftigten. Eine entsprechende Resolution von Marc Goergen (Piraten) wurde aber mit großer Mehrheit (51 Stimmen) verworfen.
Eine Volksabstimmung zur aktuellen Verfassungsreform war an sich nicht geplant, auch wenn sich die Mehrheitsparteien und die CSV vor den Wahlen 2018 noch darauf geeinigt hatten. Damals hatte man sich aber auch auf eine umfangreiche Verfassungsreform mit einem einzigen Text verständigt, an dem rund 15 Jahre unter Federführung des CSV-Abgeordneten Paul-Henri Meyers gearbeitet worden war. 2019 legte jedoch die CSV ihr Veto zum Text ein. In der Folge war die neue Verfassung vom Tisch und man einigte sich auf eine Revision des bestehenden Grundgesetzes in vier Kapiteln mit rund 30 größeren Anpassungen.
Das nun verabschiedete Kapitel der Verfassung über die Justiz verankert unter anderem die Unabhängigkeit der Richter im Grundgesetz und sieht die Schaffung eines „Conseil national de la Justice“ vor, der die Magistrate für ihre Ernennung durch den Großherzog vorschlägt. Auch hält der Text die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft fest, das Justizministerium erhält allerdings ein Weisungsrecht in Sachen Kriminalpolitik. Zudem bekommt das Verfassungsgericht weitere Zuständigkeiten.
Die anderen Kapitel betreffen das Parlament und den Staatsrat, die Staatsform, die Rolle des Großherzogs und die Religionen sowie die Rechte und Freiheiten. (GS)


