Atemnot, Intensivstation, Todesangst, Langzeitfolgen: Als Panagiota Bermperi sich Anfang Oktober mit Covid-19 infizierte, ahnte sie noch nicht, was sie erwartet. Heute sieht sie sich als « Überlebende » und will ihre Mitmenschen vor den gefährlichen Folgen des Virus warnen.

Panagiota Bermperi ist kein besonders ängstlicher Mensch. Auch gegen Impfungen hat sie grundsätzlich nichts einzuwenden. Dennoch kam sie der Einladung der Gesundheitsbehörde, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, nicht nach. Als sie den Brief im vergangenen Sommer in ihrem Briefkasten fand, legte sie ihn erst einmal beiseite. Sie wollte noch ein bisschen abwarten.

Angst vor einer Infektion hatte sie keine. Vergleichsweise jung, gesund, keine Vorerkrankungen. Wenn sie sich doch irgendwo infizieren sollte, dann sicher ohne Symptome. Einen schweren Verlauf, den durchleiden andere, dachte sie. Dass es sie treffen könnte, lag lange Zeit außerhalb ihrer Vorstellungskraft. Hier, in einem kleinen Dorf an der belgischen Grenze, wo sie mit ihren beiden Kindern lebt und seit Monaten im Homeoffice arbeitet, könne ihr doch nicht viel passieren.

Panagiota Bermperi ist alleinerziehend. Ihre Tochter ist fast zehn, ihr Sohn erst viereinhalb, er ist Epileptiker. Sie wollte funktionieren, nicht das Risiko eingehen, wegen lästiger Begleiterscheinungen durch eine Impfung eventuell einen Tag auszufallen und eine Kinderbetreuung organisieren zu müssen. Aus dem eventuellen Tag wurden dann jedoch vier Wochen. Die 38-Jährige infizierte sich Anfang Oktober mit dem Virus, wurde schwer krank und musste 19 Tage im Krankenhaus behandelt werden, davon acht Tage auf der Intensivstation.

« Wie ein Feuer in der Brust »

„Wie konnte ich so naiv sein und glauben, dass es mich nicht erwischen könnte? Es kann jeden treffen. Dieses Virus ist gefährlich“, sagt sie heute und beginnt, ihre Geschichte zu erzählen. Am Freitag, dem 1. Oktober, wachte sie mit Kopfschmerzen auf. Auch das Thermometer zeigte eine erhöhte Temperatur an. Sie war schlapp. Ihre Schmerzen fühlten sich anders an als körperliche Beschwerden, die sie bisher kannte. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es Covid sein musste. Doch der Schnelltest war negativ, ebenso wie der zweite und der dritte, am Samstagmorgen und am Samstagabend. Erst am Sonntagmorgen waren sie dann da, die zwei roten Striche.

« Okay », dachte sie, « dann hat es mich nun eben doch erwischt. Das geht auch wieder vorbei. » Sie meldete sich bei ihrem Hausarzt, um sich zu vergewissern, wie sie nun vorgehen müsse. Am Montag machte sie einen PCR-Test im nächstgelegenen Labor, am Dienstag folgte die Bestätigung. Beinahe zeitgleich mit den positiven Test-Ergebnissen kam der Anruf aus der Gesundheitsbehörde. Quarantäne-Anordnung, Kontaktverfolgung, sie informierte ihre Kolleginnen und Kollegen sowie die Zahnarztpraxis, in der sie in der vorangegangenen Woche noch zur Behandlung war.

In den ersten Tagen zu Hause ging es ihr noch recht gut, erzählt Panagiota Bermperi. Sie arbeitete weiter. Kam sie aus der Puste oder hatte Schmerzen, dann gab sie dem Stress die Schuld. „Wir waren ja alle zu Hause, in Quarantäne“, erzählt sie. Sie im Homeoffice, ihre Tochter im Homeschooling, ihr Sohn spielte auf dem Wohnzimmerteppich. Die Situation erinnerte sie an die anstrengende Zeit aus dem ersten Lockdown im März 2020. Immer wieder kam sie an ihre Grenzen. Sorgen um ihre Gesundheit machte sie sich dennoch weiterhin keine.

Wenn du dem Tod so nahe bist, dann schaust du der Wahrheit ins Gesicht. Du siehst nur noch das Wesentliche. Für manche ist es dann jedoch bereits zu spät. »
Panagiota Bermperi

Doch ihr Zustand verschlechterte sich. Das Atmen fiel ihr zunehmend schwer, es gab Momente, in denen sie kaum noch Luft bekam. Der Vater ihrer Kinder, der regelmäßig Essen vor die Tür stellte, brachte ein Oximeter mit, damit sie ihren Sauerstoffgehalt regelmäßig messen konnte. Direkt beim ersten Benutzen zeigte das Gerät an, dass ihr Sauerstoffgehalt unterhalb des Normalwertes lag. Einen Arzt zu rufen, das kam Panagiota Bermperi auch zu dem Zeitpunkt noch nicht in den Sinn. Sie würde früh schlafen gehen, am nächsten Morgen würde es ihr sicher besser gehen. Sie wollte schließlich bei ihren Kindern bleiben.

In der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober machte sie dann kein Auge zu. « Wie ein Feuer in der Brust », wie « Flammen, die sich von innen in den ganzen Körper brannten », fühlten sich die Schmerzen an. Sie bat ihre Tochter, ihr ein Glas Wasser mit Zucker zu bringen. Dann rief sie den Vater ihrer Kinder an. Als sie ihn nicht erreichen konnte, bekam sie es zum ersten Mal seit Beginn der Infektion mit der Angst zu tun. Was wenn sie doch ins Krankenhaus musste? Was wenn sie dieses verdammte Virus völlig unterschätzt hatte?

Ihre Tochter wurde mittlerweile auch positiv getestet. Doch Panagiota Bermperi entschied sich dagegen, ihr von der Infektion zu erzählen. Sie habe eben ein bisschen Schnupfen, nichts weiter. Das gehe vorüber. « Mach dir keine Sorgen. »

„Mama ist ganz grau“

Ein Freund kam vorbei, um nach dem Rechten zu sehen. Er blieb auf der Terrasse stehen, um sich nicht anzustecken. „Mama ist ganz grau“, sagte Panagiota Bermperis Tochter zu ihm. Der Freund hörte, wie die Mutter hustete und nach Luft rang. Er zögerte nicht lange und rief einen Krankenwagen. Und obwohl Panagiota Bermperi kaum noch atmen und nicht mehr alleine gehen konnte, ging ihr noch in dem Moment, als die Sanitäter sie aus der Wohnung trugen, durch den Kopf, dass sie vielleicht überreagiere. « Nun gut, dann fahren wir jetzt eben ins Krankenhaus », dachte sie, « dann bekomme ich ein bisschen Sauerstoff, alle sind beruhigt und ich gehe wieder nach Hause. »

« Das geht auch wieder vorbei… »: Panagiota Bermperi ließ sich nicht gegen Covid-19 impfen – nicht aus Überzeugung, sondern weil sie die Krankheit lange unterschätzte, wie sie heute sagt. (Foto: Gilles Kayser)

Im Krankenhaus in Ettelbrück wurde sie gescannt, die Ärzte stellten fest, dass ihre Lungenkapazität bereits um 30 Prozent abgenommen hatte. Die Krankenpfleger telefonierten, versuchten, ein Bett für sie auf den Covid-Stationen im Robert-Schuman-Krankenhaus oder im « Centre hospitalier de Luxembourg » (CHL) zu bekommen. Sie hörte die Stimmen, die vom Ernst ihrer Lage sprachen, die Druck machten, die nicht locker ließen.

Langsam verstand sie, dass sie wohl nicht sofort wieder nach Hause gehen würde. « Was passiert, wenn kein Bett mehr frei ist? » fragte sie eine Krankenschwester. « Dann stellen sie noch eines für Sie dazu », bekam sie als Antwort. Mit einem aufmunternden Lächeln beruhigte die Krankenschwester sie: « Machen Sie sich keine Sorgen. Wir kümmern uns um Sie. » „Ich sah in ihren Augen, dass ihr mein Zustand wirklich leidtat“, erinnert sich Panagiota Bermperi. „Und das, obwohl ich nicht geimpft war.“

Panagiota Bermperi kamen die Tränen. Die Horrormeldungen aus Krankenhäusern auf der ganzen Welt gingen ihr durch den Kopf: Patienten im künstlichen Koma, Organversagen, Säcke voller Leichen. Ärzte, die auswählen und sich für oder gegen eine Behandlung entscheiden müssen. Krankenhäuser, die keine Kapazitäten für alle haben und in denen es an Personal, Betten und Medikamenten fehlt. In ihrem Heimatland, in Griechenland, da sterben Menschen auch diesen Winter wieder aus Mangel an Sauerstoff. « Vielleicht wäre ich dort schon tot », dachte sie. Sie schluckte. Ihr Hals brannte.

„Versprich mir, dass du nicht stirbst, Mama!“

Einige Stunden später wurde sie auf die Covid-Station ins CHL gebracht. Mit den Schutzanzügen und Schutzbrillen sah das Personal aus wie eine Mannschaft von Astronauten, erinnert sie sich. Sie kam sich vor wie in einem völlig überzogenen Science-Fiction-Film. Sie bekam ein Einzelzimmer, damit sie ungestört mit ihren Kindern kommunizieren könne, wie die Ärztin ihr sagte. Doch Panagiota Bermperi spürte, dass ihr Zustand auch den Ärzten Sorge bereitete und sie zu dem Zeitpunkt selbst nicht wussten, wie es mit ihr weitergehen würde.

Sie rief ihre Tochter an, sah das traurige Gesicht auf dem Display ihres Handys: „Versprich mir, dass du nicht stirbst, Mama!“ Wie sollte sie das versprechen? Sie wusste es ja selbst nicht mehr und war völlig hilflos. Doch sie sagte es: „Ich verspreche dir, dass ich nicht sterbe.“

Ihr Zustand verschlechterte sich weiter. Die verschiedenen Medikamentencocktails, wie sie sie heute nennt, halfen nicht mehr. Sie sollte sich in ein anderes Bett legen, doch sie konnte nicht mehr alleine aufstehen. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Sie erinnert sich an rotes Licht, an vorbeiziehende Lampen und weiße Wände, an aufgeregtes Stimmengewirr, an rennende Pflegerinnen und Pfleger, die ihr Bett durch den Flur schoben. Sie wurde auf die Intensivstation verlegt, bekam Medikamente und schlief ein.

Wie konnte ich so naiv sein und glauben, dass es mich nicht erwischen könnte? Es kann jeden treffen. Dieses Virus ist gefährlich.“Panagiota Bermperi

Als sie aufwachte, stand der Zeiger auf sechs, sie hatte keine Ahnung, ob es nun sechs Uhr morgens oder sechs Uhr abends war. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Sie hatte kein Zeitgefühl mehr, sie hatte Schmerzen am ganzen Körper.

Sobald es ging, rief sie ihre Kinder an, sie weinten zusammen und schliefen mit stehender Verbindung und den Handys in den Armen wieder ein. In den nächsten Tagen kommunizierte sie viel, versuchte, ihr Profilbild auf den sozialen Netzwerken an ihren wechselnden Zustand anzupassen. Sie wollte die Menschen in ihrem Umfeld teilhaben lassen. „Ich bin im Krankenhaus. Mein Zustand ist schlecht. Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme, ich weiß nicht, ob ich überleben werde“, sprach sie in einem Video an ihren Chef.

Der Kampf der « griechischen Kriegerin“

„Wenn du dem Tod so nahe bist, dann schaust du der Wahrheit ins Gesicht. Du siehst nur noch das Wesentliche“, erzählt Panagiota Bermperi. „Für manche ist es dann jedoch bereits zu spät. Ich hatte meine Kinder, für die ich gekämpft habe. Doch wenn du nichts hast, für das es sich zu kämpfen lohnt, dann stirbst du.“

Als sie nach einer Woche wieder auf die Covid-Station im zweiten Stock verlegt werden konnte, da wusste Panagiota Bermperi, dass sie die Krankheit besiegt hatte. Die Ärzte nannten sie eine „Überlebende“, eine, die den Kampf gewonnen und den Krieg überlebt habe. Einer der Ärzte gab ihr den Kosenamen „griechische Kriegerin“. „So übertrieben es in den Ohren mancher klingen mag, aber diese Kriegsrhetorik passt“, sagt sie heute.

Die letzte Woche im Krankenhaus verbrachte sie damit, so viel wie möglich aufzustehen und Kräfte zu sammeln. Eigentlich sollte sie bis zum 12. November zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, doch die Betten wurden knapp. Am 26. Oktober wurde sie dann entlassen. Sie durfte nach Hause. Endlich konnte sie ihre Kinder wieder in die Arme schließen.

« Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme, ich weiß nicht, ob ich überleben werde »: Erst nach und nach wurde der 38-Jährigen bewusst, wie ernst die Folgen einer Covid-Infektion sein können. (Foto: Gilles Kayser)

Heute geht es Panagiota Bermperi verhältnismäßig gut, doch die Nachwirkungen machen ihr weiterhin zu schaffen. Sie sei schnell aus der Puste und könne nicht länger als drei, vier Stunden am Stück schlafen, erzählt sie. Sie wache nachts auf und liege stundenlang wach. Die Krankheit hatte aber auch positive Nebeneffekte: Panagiota Bermperi hat aufgehört zu rauchen und sie versteht sich wieder besser mit dem Vater ihrer Kinder: „Uns wurde vor Augen geführt, was es heißen könnte, wenn plötzlich einer von uns beiden nicht mehr da ist“, erzählt sie. „Das will keiner von uns.“

Die Krankheit habe sie realistischer werden lassen, sagt sie zum Ende des Gesprächs. Sie versuche nun, die Menschen in ihrem Umfeld davon zu überzeugen, sich impfen zu lassen. Auch sie selbst fiebert dem Augenblick entgegen, sich endlich impfen lassen zu können. Noch fühlt sie sich wegen der vielen Antikörper in ihrem Körper geschützt, doch was ist in sechs Monaten? „Ich habe furchtbare Angst, dass ich mich impfen lassen möchte und die Ärzte mir sagen, meine Lungen seien noch zu schwach.“

Ihre beste Freundin, die Panagiota Bermperis Krankengeschichte Tag für Tag miterlebt hatte, bleibt jedoch auch heute noch bei ihrer Überzeugung, sich nicht impfen lassen zu wollen. Das kann Panagiota Bermperi nicht mehr verstehen. „Ich werde erst beruhigt sein, wenn meine Kinder und ich geimpft sind“, sagt sie. „Denn ich komme nun von der anderen Seite.“