Der vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Prüfungsbericht offenbart einige Mängel bei der Umsetzung der « SuperDrecksKëscht ». Fundamentale Aspekte bleiben aber ungeklärt. Dazu gehören vor allem die zentralen Fragen der Aufsicht und andauernder Interessenkonflikte.

Fast auf den Tag genau sieben Monate nachdem Reporter.lu erstmals über das « System SuperDrecksKëscht » berichtet hatte, hat Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) das Audit zur « Aktioun SuperDrecksKëscht » der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Analyse wirft dabei größtenteils die gleichen Fragen auf, die bereits in der journalistischen Recherche deutlich wurden (Lesen Sie hier unsere exklusive Recherche von Februar). Antworten und Lösungsvorschläge liefert der Bericht der Wirtschaftsprüfer von « Muller&Associés » jedoch nur zum Teil.

Einen tieferen Einblick in das Geschäftsgebaren der « SuperDrecksKëscht » (SDK) gab der Auftrag des Umweltministeriums auch nicht her. Die Autoren des Berichts hatten weder Einsicht in die Bilanzen von « Oeko-Service Luxembourg » (OSL) noch in jene von Firmen, an denen der Unternehmer Hans-Peter Walter Anteile hält und die zum Teil Aufträge durch die SDK erhalten.

Paul Heinz, Geschäftsführer von « Muller&Associés », gab gegenüber der Presse dafür auch juristische Gründe an. Solange kein konkreter Verdacht auf Betrug oder andere klare Gesetzesverstöße vorliege, sei es nicht möglich, die Bilanzen einer Firma zu durchleuchten, so die Erklärung.

Ein Audit, das keines sein soll

Zur Erinnerung: Die Firma « Oeko-Service Luxembourg » führt seit 1990 die « Aktioun SuperDrecksKëscht » für den Luxemburger Staat durch. Der aktuelle Vertrag wurde 2018 von Ministerin Carole Dieschbourg unterzeichnet und hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Die Finanzierung von 98 Millionen Euro wird vollständig vom Staat übernommen. Zuständig für die Aufsicht und die Kostenübernahme der SDK ist dabei die Umweltverwaltung. Besonders auffällig an dem Konstrukt: die enge persönliche, ja freundschaftliche Beziehung zwischen dem Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit, und dem saarländischen Unternehmer Hans-Peter Walter.

Das am vergangenen Freitag vorgestellte Audit relativiert dabei gleich zu Beginn seine eigene Vollständigkeit: « Ce rapport ne constitue pas un audit selon les normes internationales d’audit, ni un examen limité. » Die Analyse basiere lediglich auf jenen Informationen, die den Prüfern während ihrer Arbeit zur Verfügung gestellt wurden. Zudem müsse man auf die Aussagen vertrauen, die in den Interviews für den Bericht gemacht wurden, erklären die Autoren von « Muller&Associés », Valérie Piquemal und Paul Heinz.

Interviewt wurden dabei vor allem Personen, die auch direkt in die « Aktioun SuperDrecksKëscht » involviert sind, etwa der Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit, seine Stellvertreter Joëlle Welfring und David Glod sowie OSL-Geschäftsführer Hans-Peter Walter.

Und dennoch offenbart der Bericht an mehreren Stellen Ungereimtheiten und fragwürdige Praktiken – und bestätigt Punkt für Punkt die Unregelmäßigkeiten, die bereits in der exklusiven Recherche von Reporter.lu vom vergangenen Februar aufgedeckt wurden.

Problematische Ausschreibung

Das gilt bereits für den Eindruck, wonach die Ausschreibung der SDK auf das Unternehmen OSL zugeschnitten war. Konkurrenten seien bei der Ausschreibung faktisch chancenlos gewesen, auch weil das SDK-Gesetz ausdrücklich Firmen von der Bewerbung ausschließt, die auch Abfalltransporte anbieten, so die Einschätzung von mehreren Brancheninsidern.

Après analyse des comptes annuels publiés, il nous est impossible de donner une assurance sur les comptes de la société. »Audit zur « SuperDrecksKëscht »

Das Audit betont zunächst, dass die europäische Ausschreibung nach den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt sei. Allerdings monieren die Autoren die Besetzung jenes Ausschusses, der über die Auftragsvergabe entscheidet. Diese « Ad-Hoc-Kommission » sei, bis auf den Vertreter des Umweltministeriums, ausschließlich mit Mitgliedern des « Comité de Pilotage » der SDK besetzt. Also jenen Personen, die bereits in den Jahren zuvor mit der Firma OSL bei der Umsetzung der SDK zusammengearbeitet hatten.

Die Tatsache, dass sich auf eine europaweite Ausschreibung nur eine einzige Firma gemeldet hat, kommentiert der Bericht wie folgt: « Sans avoir consulté les autres acteurs du marché au Luxembourg ou à l’étranger, il est difficile d’en avancer les raisons. » 

Bemerkenswert ist hingegen eine Äußerung von Robert Schmit, die im Bericht erwähnt wird:  « M. Schmit confirme avoir connaissance des participations de M. Hans Peter Walter dans d’autres sociétés (notamment CCN) mais, selon lui, ces sociétés ne sont pas ou plus actives dans la collecte et/ou le transport de déchets. » Laut SDK-Gesetz hätte dieses Bewusstsein eigentlich ein Ausschlusskriterium bei der Auftragsvergabe darstellen müssen. Wie Reporter.lu berichtete, bot die Firma CCN noch bis vor Kurzem Abfalltransporte für Mehrfamilienhäuser an. Zur selben Zeit bot SDK Beratungen für Hausverwalter an, wie man die Abfallentsorgung in Mehrfamilienhäusern umsetzen könnte.

Undurchsichtiges Firmengeflecht

Der Prüfungsbericht von « Muller&Associés » (« Audit de l’action de la SuperDrecksKëscht ») geht auch näher auf das Firmengeflecht von Hans-Peter Walter ein. Wie Reporter.lu berichtete, verfügt der aus dem saarländischen Mettlach stammende Unternehmer mittlerweile über ein weit verzweigtes Firmennetz. Darunter befinden sich neben OSL-Ablegern im Ausland auch mehrheitliche Beteiligungen an Verwertungsfirmen für Kühlgeräte sowie die Teilhabe an « SuperDrecksKëscht »-Franchiseunternehmen.

De notre point de vue, une réflexion sur une nouvelle répartition des rôles entre les différents acteurs privés et publics permettrait d’identifier des solutions pour limiter les risques de conflit d’intérêt. »Audit zur « SuperDrecksKëscht »

Der Bericht bestätigt in diesem Zusammenhang, dass derzeit noch vier SDK-Ableger im Ausland aktiv sind und dass sie ausnahmslos entweder OSL oder Hans-Peter Walter gehören. Unklar ist jedoch, welchen Zweck dieses Franchise-System genau erfüllen soll. Laut dem Audit gebe es beim Staat kein weiteres Modell, mit dem man das grenzüberschreitende System « SuperDrecksKëscht » habe vergleichen können.

Besonderes Augenmerk schenkt der Bericht noch zwei weiteren Firmen, bei denen Hans-Peter Walter Mehrheitseigner ist und die gleichzeitig im Rahmen der SDK Aufträge erhalten. Dabei handelt es sich um « CCN S.A. », die für die « Aktioun SuperDrecksKëscht » das Drive-In Center in einem Supermarkt in Howald betreibt, sowie die Firma SEG, die Kühlgeräte entsorgt. Wie aus einer Grafik im Audit hervorgeht, nahm dabei alleine SEG im Jahr 2019 mehr als 300.000 Euro über die « Aktioun SuperDrecksKëscht » ein.

Zwar gibt der Bericht zu bedenken, dass in die Analyse neben den Interviews mit Beteiligten nur öffentlich zugängliche Informationen eingeflossen seien und dass « nous ne disposons pas d’informations complémentaires sur les potentiels flux financiers entre les différentes entités mentionnées ci-après et n’avons pas pu vérifier les prix de transfert. » Dennoch spricht die Analyse in diesem Zusammenhang eine klare Empfehlung an die Regierung aus: « De notre point de vue, une réflexion sur une nouvelle répartition des rôles entre les différents acteurs privés et publics permettrait d’identifier des solutions pour limiter les risques de conflit d’intérêt. »

Fragwürdige Buchhaltung und Gewinne

Auch bei der Prüfung der Buchhaltung von « Oeko-Service Luxembourg » hatten die Mitarbeiter von « Muller&Associés » lediglich Einblick in jene Dokumente, die ihnen von OSL zur Verfügung gestellt wurden. Doch selbst dort entdeckten die Prüfer Mängel. So mussten teilweise Rechnungen im Nachhinein von der Umweltverwaltung korrigiert werden, bei anderen fehlten Artikelnummern. Zudem erfolgte die Buchhaltung größtenteils per Hand und Mitarbeiter füllten « Timesheets » mit den geleisteten Arbeitsstunden aus, die Hans-Peter Walter dann später auf die einzelnen Budgetposten verteilte. Eine Methode, die laut Gutachten gründlich überdacht und modernisiert werden müsse.

Nous n’avons pas pu vérifier certains mouvements importants dans les comptes. »Audit zur « SuperDrecksKëscht »

Die Grenzen des Audits zeigen sich wiederum bei zwei weiteren Punkten, über die Reporter.lu ebenfalls im Februar berichtet hatte. Sowohl 2018 als auch 2019 erhielten die Bilanzen von OSL nur ein eingeschränktes Prüfurteil. Der Grund: Zwei Forderungen von insgesamt 3,7 Millionen Euro konnten wegen fehlender Informationen nicht nachvollzogen werden. Zudem hat das Unternehmen hinter der SDK im Jahr 2019 Dividenden in Höhe von 1,5 Millionen Euro an die Eigentümer, also die Gebrüder Walter, ausgeschüttet. Dass die « Aktioun SuperDrecksKëscht » demnach ein staatlich gefördertes Millionengeschäft ist, das sich am Ende für zwei Privatpersonen lohnt, war ein weiterer Kritikpunkt in der politischen Debatte.

Zu beiden Finanzbewegungen hält der Bericht fest: « Après analyse des comptes annuels publiés, il nous est impossible de donner une assurance sur les comptes de la société. Il nous faudrait pour cela avoir un accès complet à la comptabilité. (…) Nous n’avons pas pu vérifier certains mouvements importants dans les comptes. »

Auch wegen dieser offenen Fragen bei den Finanzen von OSL forderte die politische Opposition eine Erweiterung des Prüfungsauftrags. Der CSV-Abgeordnete Paul Galles sprach sich im Interview mit « Radio 100,7 » dafür aus, dass auch das Firmengeflecht von Hans-Peter Walter im Detail analysiert werden müsse. Sonst würden weiterhin Zweifel wie ein Damoklesschwert über der « SuperDrecksKëscht » schweben, so das Mitglied des Umweltausschusses des Parlaments.

Die Frage nach den Markenrechten

Die deutlichste Empfehlung im gesamten Bericht findet sich schließlich bei der Frage nach den Markenrechten der « SuperDrecksKëscht ». Laut Vertrag hält der Staat alle Rechte an der Aktion mit dem zwinkernden, grünen Männchen im Logo. Doch erkundigt man sich beim Büro für geistiges Eigentum der EU nach dem Halter der Rechte an der SDK, erfährt man, dass seit 2007 Hans-Peter Walter und « Oeko-Service Luxembourg » die Rechte an der Wortmarke halten.

Was für Folgen das haben könnte, beschreibt ein Rechtsgutachten der Kanzlei « E2M », das ebenfalls in das SDK-Audit eingeflossen ist und das Reporter.lu vorliegt. Dort heißt es: « (…) bien que la marque soit la propriété de l’Etat, il n’en demeure pas moins que si OSL décide de continuer de l’utiliser respectivement la cède à une autre société, il sera laborieux et coûteux de la récupérer. » Das Gutachten empfiehlt der Regierung deshalb unmissverständlich, die Marke auf den Staat zu registrieren.

Die Frage nach dem Sohn

In der Abfallbranche ein offenes Geheimnis und auch Thema in den Recherchen von Reporter.lu: die enge persönliche Beziehung zwischen Hans-Peter Walter und dem Direktor der Umweltverwaltung, Robert Schmit. Eine Verbindung, die die Beteiligten nicht abstreiten und das Audit anhand einer Personalentscheidung in der « SDK-Akademie » analysiert. Konkret geht es um die dortige Anstellung des Sohnes von Robert Schmit. Das Gutachten hat dafür die Einstellungsprozedur untersucht.

Das Audit hält fest, dass es für die Stelle laut den Verantwortlichen wohl eine Postenbeschreibung gegeben habe, die Prüfer diese auf Nachfrage jedoch nicht erhalten hätten. Die Entscheidung für die Anstellung des Sohnes von Robert Schmit sei erfolgt, weil dieser bereits ein Praktikum bei OSL gemacht habe und aufgrund seines Profils ein idealer Kandidat gewesen sei. Der Posten wurde indes nicht ausgeschrieben. Das « Comité de Pilotage », dem auch Robert Schmit angehört, sei jedoch nicht in die Rekrutierung eingebunden gewesen. Ein Punkt, den auch Robert Schmit im Gespräch mit Reporter.lu Anfang des Jahres unterstrich.

Wie Umweltministerin Carole Dieschbourg bei der Vorstellung der Analyse bekanntgab, hat Robert Schmit übrigens noch vor Veröffentlichung des Audits seine Versetzung in den Ruhestand beantragt. Wie die Ministerin betonte, stehe dies aber in keinem Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion um die « Aktioun SuperDrecksKëscht ».

Die Frage nach der Kontrolle

Auch wenn die Wirtschaftsprüfer nur einen begrenzten Einblick in die Abläufe im Hintergrund der « Aktioun SuperDrecksKëscht » hatten, geben sie der Regierung dennoch einige Handlungsempfehlungen mit. So fordert der Bericht, dass man die Zusammensetzung des « Comité de Pilotage » überdenken solle.

In diesem Zusammenhang wirft das Audit die Frage auf, warum das eigentlich vorgesehene « Comité d’accompagnement » die SDK nicht mehr für die Regierung begleitet. Dieses Gremium hatte es bereits Anfang der 2000er Jahre gegeben, bevor es durch das « Comité de Pilotage » ersetzt wurde. In ihm vertreten waren neben der Umweltverwaltung auch das Innenministerium sowie die « Inspection générale des finances » des Finanzministeriums. Es hatte, anders als das « Comité de Pilotage », auch die Aufgabe, die Finanzierung der SDK zu begleiten und zu prüfen.

Es wurden keine Unregelmäßigkeiten bei der Aktioun SuperDrecksKëscht festgestellt. »Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng)

Bereits 2002 hatte das « Comité d’accompagnement » sich für eine Reorganisierung der SDK ausgesprochen. Zudem hatte der Begleitausschuss den Kauf der Halle der « Aktioun SuperDrecksKëscht » in Colmar-Berg angeregt – auch und ausdrücklich, wie das Gutachten feststellt, um einer eventuellen Abhängigkeit von der Firma OSL vorzubeugen. Eine Anregung, die zwar angenommen, jedoch nie vom Umweltministerium umgesetzt wurde.

« Gouvernance » soll angepasst werden

Umweltministerin Carole Dieschbourg zog bei der Vorstellung des Audits am vergangenen Freitag ihre eigene Bilanz: « Es wurden keine Unregelmäßigkeiten bei der Aktioun SuperDrecksKëscht festgestellt. » Die Aussage wurde von den Oppositionsparteien scharf kritisiert, weil sie in ihren Augen nicht mit den Befunden des Audit übereinstimme. Der Abgeordnete Marc Goergen (Piraten) sprach in diesem Zusammenhang davon, dass die Ministerin die Öffentlichkeit « leicht angeflunkert » habe.

Obwohl sie keine Unregelmäßigkeiten zugab, stellte die Ministerin vor der Presse dennoch einige Anpassungen bei der « Gouvernance » der SDK in Aussicht. So werde das « Comité de pilotage » um einen Vertreter aus dem Umweltministerium ergänzt. Zudem werde, wie im Audit angeregt, das « Comité d’accompagnement » reaktiviert. Darin dürften dann wohl auch Beamte aus anderen Ministerien vertreten sein. Auch die Buchhaltung der SDK müsse überdacht werden, sagte die Ministerin.

Ob es jedoch zu der von der Opposition geforderten tiefergreifenden Prüfung der Finanzen der Firma OSL und ihrer Tochterfirmen kommen wird, ließ Carole Dieschbourg offen. « Es gibt keine faktische Basis für eine finanzielle Kontrolle der Bilanzen der Firma. » Dennoch lasse das Umweltministerium derzeit juristisch prüfen, unter welchen Bedingungen ein reguläres Audit durchgeführt werden könnte, so die Ministerin abschließend.


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