Fünf Jahre nach Luxleaks sind zahlreiche Steuerschlupflöcher verschwunden. Mit einem neuen Gesetz geht Luxemburg nun gegen Praktiken vor, die es erlauben, quasi keine Steuern zu zahlen. Doch die Folgen für Wirtschaft und Staatshaushalt sind völlig offen.
« Double Dip » ist keine Delikatesse der Fast-Food-Industrie. Nein, es ist ein besonderes Kunststück der Luxemburger Steuervermeidungsindustrie: Gewinne werden von einem Land in ein anderes verschoben – und in beiden zahlen die Investoren darauf keine Steuern. Möglich machen das sogenannte « hybride » Instrumente oder Strukturen.
Mit der Umsetzung der Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie « Atad 2 » (Anti-Tax Avoidance Directive) soll Schluss sein mit diesen Praktiken, so die (fast) einhellige Meinung im Parlament. « Es besteht ein Konsens, dass wir diese Form der Steuerstrukturierungen nicht mehr wollen », sagte der LSAP-Abgeordnete Franz Fayot anlässlich der Debatte am vergangenen Donnerstag. Nur Roy Reding (ADR) sah eine Gefahr für die Souveränität des Landes, stimmte aber trotzdem für das Gesetz.
Dabei zeigte Luxleaks, dass diese « Massenvermeidungswaffen » eine besondere Spezialität Luxemburgs waren – und teils noch sind. Finanzminister Pierre Gramegna (DP) schließt nicht aus, dass manche Firmen ihr Büro bzw. Briefkasten aufgrund des verschwundenen Schlupfloches schließen werden. Doch es wäre « unseriös », die Folgen auf die Steuereinnahmen berechnen zu wollen, so der Minister im Parlament.
Luxleaks deckte Nutzung von « Hybriden » auf
Luxleaks erlaubte vor fünf Jahren tiefe Einblicke in die Welt der Steueroptimierung via Luxemburg. Nicht nur für Journalisten, sondern auch für Forscher waren die Hunderten Rulings eine wahre Goldgrube an Informationen.
Der US-Steuerprofessor Omri Marian fand etwa heraus, dass über 45 Prozent der Rulings diese « hybriden » Finanzinstrumente betrafen. Es ging also Investoren darum, sicherzustellen, dass bestimmte Finanzmittel von der Steuerverwaltung als Schulden und entsprechend steuerlich behandelt würden. Der Trick: Dieselben Finanzinstrumente gelten in anderen Ländern als Kapital – im Jargon heißt das, sie sind « hybrid ».
Es gilt zu verhindern, dass die Steuerbasis der Länder abgesaugt und nirgends Steuern gezahlt werden. »Finanzminister Pierre Gramegna
Doch auch hybride Strukturen (also Gesellschaften, bei denen unklar ist, in welchem Land sie Steuern zahlen) und hybride Umwandlungen (also versteckte Gewinnausschüttungen) tauchten sehr häufig in den Luxleaks-Rulings auf, erklären die deutschen Forscher Inga Hardeck und Patrick Wittenstein.
Auch 2018 waren diese hybriden Steuerkonstrukte ein wichtiges Thema in den Rulings. Die Steuerverwaltung listet auf, zu welchen Punkten sie eine « décision anticipée » nahm – darunter jene Gesetzesartikel, die nun infolge von « Atad 2 » angepasst werden.
Deutliche Senkung der Besteuerung
Luxemburg dient den Konzernen und Investmentsfonds als zwischengeschalteter Geldkanal, der die fälligen Steuern in mehreren Ländern senkt. So beschreibt der Steuerprofessor Omri Marian seine Erkenntnisse aus Luxleaks. Als Beispiel: Ein US-Unternehmen investiert in eine Firma in einem EU-Staat. Das tut es aber nicht direkt, sondern via eine Holding in Luxemburg.
Dann kommt die Magie der « Hybriden » ins Spiel, die die Gewinne unbesteuert in die USA fließen lassen. Im EU-Staat gelten die Geldflüsse an die Luxemburger Holding als Zinszahlungen, die von den Steuern abgesetzt werden können. Dann fließt das Geld weiter in die USA, wo die Zahlungen als Dividenden gelten, die steuerfrei oder zumindest begünstigt sind. Da das Finanzinstrument in Luxemburg als Schuld gilt, lässt sich der Geldfluss über den Atlantik ebenfalls steuerlich absetzen. So bleibt nur eine minimale Besteuerung hierzulande übrig.
Armeen an Steueranwälten suchen bereits nach Möglichkeiten, um die neuen Regeln auszuhöhlen. »Franz Fayot (LSAP)
Zwar seien « hybride » Strukturen in der Theorie bekannt gewesen, aber Luxleaks habe einen Einblick in die Praxis gegeben, schreiben die Forscher Hadeck und Wittenstein. Sie berechneten, dass Konzerne mithilfe dieser Luxemburger Vermeidungsinstrumente ihre weltweite Steuerlast um vier bis sechs Prozent senken konnten – ein enormer Einnahmeverlust für die Staaten.
Die große Unbekannte bis 2023
Attraktiv waren die Massenvermeidungswaffen Luxemburger Machart damit auf jeden Fall. Doch damit soll Schluss sein: « Es gilt zu verhindern, dass die Steuerbasis der Länder abgesaugt und nirgends Steuern gezahlt werden », erklärte der Finanzminister. Damit hieße es « Game over » für viele bestehende Modelle der Steuervermeidung, denn Luxemburg muss Steuervorteile verweigern, wenn ein anderes Land die Gewinne nicht besteuert.
Entsprechend bedeutend könnten die Folgen für den Luxemburger Finanzplatz und dessen « Industrie » der Steueroptimierung sein. Der Finanzminister bleibt dennoch locker: Das Inkrafttreten der « Atad 1 »-Richtlinie Anfang 2019 habe bisher zu keinen Einbußen in den Steuereinnahmen geführt, betonte Pierre Gramegna im Parlament.
Allerdings ist das ein Argument mit begrenzter Aussagekraft. Nur wenn Unternehmen sich präventiv vor Atad 1 in Sicherheit gebracht hätten, wären heute bereits Folgen spürbar. Außerdem galt Atad 1 nur für hybride Instrumente innerhalb der EU, Atad 2 allerdings weltweit. Da Luxemburg besonders gern von US-Investoren als Kanal in die EU genutzt wird, ist erst ab Januar 2020 mit ernsthaften Veränderungen zu rechnen.
Das Finanzministerium geht selbst davon aus, dass der Staatshaushalt erst 2022 oder 2023 die vollständigen Auswirkungen zu spüren bekommt. Praktischerweise müsste sich dann Blau-Rot-Grün 2 nicht mehr mit den Folgen von Atad 2 beschäftigen.
Ausnahmeregelungen ja, Schlupflöcher nein
Sorgen macht sich dagegen die Handelskammer. Es müsse mit allen Mitteln verhindert werden, dass Konzerne Luxemburg aufgrund der neuen Regeln verlassen würden. Die Wirtschaftsvertreter schlagen etwa vor, die Quellensteuer auf Zinszahlungen sowie die Vermögensteuern für Unternehmen komplett abzuschaffen. Allein die Beteiligungsgesellschaften (Soparfi) zahlten 2017 insgesamt über 360 Millionen Euro an Vermögensteuern.
Die Handelskammer hat jedoch auch ein eigenes Interesse daran, das Massensterben der Soparfis zu verhindern, denn diese zahlen einen Großteil der Beiträge, über die sich die « Chambre de Commerce » finanziert. Eine Kriegskasse mit zwischen 50 und 75 Millionen Euro soll dieses erwartete Armaggedon abfedern, berichtete das « Lëtzebuerger Land ».
Doch vielleicht kommt alles anders. « Armeen an Steueranwälten suchen bereits nach Möglichkeiten, um die neuen Regeln auszuhöhlen », warnte Franz Fayot im Parlament. Besonders brisant ist, wie sich die neuen Regeln auf Investmentfonds auswirken. Fonds sind vom Gesetz ausgenommen, wenn sie weniger als zehn Prozent an einem Unternehmen halten.
Die Regierung habe sich nach langen Verhandlungen mit den Akteuren am Finanzplatz auf diese Ausnahmeregelung geeinigt, sagte Pierre Gramegna. Das Problem: Die Atad-Richtlinien gehen auf Fonds überhaupt nicht ein. Aber gerade US-Fonds, die in nicht-börsennotierte Unternehmen investieren (« private equity »), nutzten in Luxemburg häufig hybride Finanzinstrumente – genannt CPEC oder PEC.
Blau-Rot-Grün will das Steuerparadies-Image jedoch endgültig loswerden. Der Finanzplatz soll wettbewerbsfähig bleiben, aber nicht zu jedem Preis, heißt die Devise. Den Ruf Luxemburgs gilt es zu schützen. Und so stellte der Finanzminister klar: « Schlupflöcher nimmt diese Regierung nicht hin. » Und in der Tat: Die Schlupflöcher werden zumindest immer rarer und kleiner.