Niedrige Zinsen, steigende Preise, hohe Nachfrage: So war bisher die Lage auf dem Immobilienmarkt. Doch jetzt ziehen die Kreditzinsen an und die Baukosten explodieren. Für noch mehr Menschen in Luxemburg droht so der Traum von einer bezahlbaren Wohnung zu platzen.

Die Entwicklung ist brutal: Zwischen Dezember und März verdoppelte sich der Festzins auf Immobilienkrediten. Für künftige Hausbesitzer ist das äußerst schmerzhaft, wie ein Rechenbeispiel zeigt. Ein Haus im Kanton Luxemburg kostete 2021 durchschnittlich 1,45 Millionen Euro. Der Anstieg von 1,5 auf drei Prozent Festzins bedeutet bei dieser Summe, dass die monatliche Kreditrate um mehr als 1.000 Euro steigt. Selbst bei einer bescheideneren Summe von 800.000 Euro geht es um mehr als 500 Euro – jeden Monat und über einen Zeitraum von 30 Jahren.

Selbst mit einem überdurchschnittlichen Einkommen ist das kaum zu bewältigen. Zu den hohen Preisen kommt also ein Finanzierungsproblem. Doch wie wirkt sich das auf den Wohnungsmarkt aus? Platzt die Luxemburger Immobilienblase? Sinkt die Nachfrage? Oder geht es weiter wie bisher?

Ein Markt, der abkühlt

Die Generaldirektorin der « Banque et Caisse d’Epargne de l’Etat » (BCEE), Françoise Thoma, sieht die Lage betont gelassen: „Der Immobilienmarkt reguliert sich selbst.“ Die steigenden Zinsen würden mittelfristig zu einer Stabilisierung der Preise führen. Und dann könnten sich wieder mehr Menschen ein Haus oder eine Wohnung leisten, so die Bankerin im Interview mit « Radio 100,7 » vergangene Woche.

Die Aussagen der « Spuerkeess »-Chefin klingen hoffnungsvoll, doch sollen sie wohl auch dazu beitragen, Unsicherheiten in der Bevölkerung zu mildern. Ob die Regeln aus den Wirtschaftslehrbüchern eins zu eins für den Luxemburger Immobilienmarkt gelten, muss sich jedoch noch zeigen.

Luxemburg gehört zu jenen Ländern mit den höchsten Risiken auf dem Wohnungsmarkt. »Gaston Reinesch, Direktor der Zentralbank

Die neuesten Zahlen deuten tatsächlich auf eine Abkühlung hin. Ende 2021 stiegen die Preise nicht mehr ganz so schnell wie in den Monaten zuvor. Über das vergangene halbe Jahr verzeichnete die Immobilienplattform « Athome.lu » einen Preisanstieg, der nur noch halb so hoch war wie in den sechs Monaten zuvor – mit knapp drei statt sechs Prozent.

Zudem sank die Nachfrage seit Anfang des Jahres deutlich, sagt der Präsident der Immobilienkammer, Jean-Paul Scheuren, im Gespräch mit Reporter.lu. Der Grund sei einfach: « Ein Krieg in Europa ist kein gutes Klima für eine langfristige Investition. »

Die Gefahr des Abwartens

« Steigende Zinsen lassen die Nachfrage sinken », erklärt François Koulischer, Assistenzprofessor an der Universität Luxemburg, das Phänomen im Gespräch mit Reporter.lu. Auch die Generaldirektorin der BCEE geht von einer solchen Entwicklung aus. Da die Nachfrage abnehme, müssten auch die Bauträger die Preise senken.

Die Immobilienkammer, die unter anderem « Promoteurs » vertritt, sieht das etwas anders. « Die explodierenden Baukosten sind das große Risiko. Bauträger fragen sich, ob sie die Kosten an die Kunden weitergeben können. Es besteht die Gefahr, dass sie Neubauprojekte mehrere Monate aufschieben, bis die Lage klarer wird », sagt Präsident Jean-Paul Scheuren. Dann entstehe eine Lücke im Angebot, die zu höheren Preisen und höheren Mieten führen könnte.

Ein historischer Präzedenzfall

Eine Energiekrise belastet bereits angeschlagene Haushalte und Unternehmen, die Inflation ist hoch und die Zinsen auf Immobilienkrediten steigen. Was wie eine Beschreibung der aktuellen Lage klingt, passt ebenfalls auf Luxemburg um das Jahr 1980. Zwei Ölpreiskrisen und die Stahlkrise führten damals zu einer angespannten Wirtschaftslage. Nach 1974 sank die Zahl der Baugenehmigungen leicht, bis sich der Einbruch 1980 nochmals verstärkte. Zwischen 1979 und 1983 stagnierte die Summe der Immobilienkredite von Privatpersonen – trotz Inflation. Erst Ende der 1980er Jahre erreichte die Bauaktivität wieder das Niveau von Anfang der 1970er Jahre. Obwohl die Babyboomer auf den Wohnungsmarkt drängten und eine hohe Nachfrage bestand, herrschte lange Jahre Flaute im Bauwesen.

Unstrittig ist dabei: In Luxemburg wurden in den vergangenen Jahrzehnten nicht genug Wohnungen gebaut. Zwischen 2000 und 2018 wuchs die Bevölkerung um 175.000 Personen, es wurden in dieser Zeit aber nur 53.000 Wohneinheiten geschaffen, heißt es in einer Analyse der Luxemburger Zentralbank. Den knapp 3.000 jährlich gebauten Wohnungen standen 10.000 neu geschaffene Jobs gegenüber.

Wer kann noch kaufen?

Trotz hoher Preise und hoher Zinsen glaubt Jean-Paul Scheuren nicht, dass es an Käufern fehlen wird. « Es ist wahrscheinlich, dass sich die Nachfrage von den Bewohnern auf die Investoren verlagert », meint der Präsident der « Chambre immobilière ». Denn auch wenn die Zinsen auf den Immobilienkrediten steigen, gelten weiterhin Niedrig- beziehungsweise Negativzinsen für klassische Geldanlagen. Die Luxemburger würden ein Investment in Wohnungen jenem an den Finanzmärkten vorziehen, sagte diesbezüglich Françoise Thoma jüngst dem « Lëtzebuerger Land ».

Der Preisanstieg in den vergangenen fünf bis zehn Jahren war sehr stark. Jetzt braucht es eine sanfte statt einer harten Landung. »François Koulischer, Wirtschaftswissenschaftler

Tatsächlich nutzten viele die Niedrigzinsen in den vergangenen Jahren, um zu investieren. « Es waren nicht so sehr die jungen Haushalte, sondern die Mittvierziger, die am meisten Schulden aufgenommen haben », erklärt der Wirtschaftswissenschaftler François Koulischer. Das war das Ergebnis einer Studie zu Immobilienkrediten in Belgien, an der er mitarbeitete. « Früher hat man einen Kredit aufgenommen, um ein Haus zu kaufen und hat den bis zum Ende seines Lebens abbezahlt. Heute kauft man ein Haus, dann kauft man mit 45 noch eine Wohnung oder ein zweites Haus und man erhöht die Verschuldung noch weiter », so der Forscher.

Viele junge Menschen konnten hingegen nicht von den niedrigen Zinsen profitieren, weil sie nicht die nötigen Eigenmittel erspart hatten oder ihr Einkommen zu gering war. Banken gaben ihnen deshalb keinen Kredit. Jene, die Zugang zu Krediten hatten, liehen sich dagegen deutlich mehr Geld. Das zeigte die Analyse von Einzeldaten zu belgischen Kreditnehmern.

Wie groß ist das Risiko?

Sowohl die Summe der Immobilienkredite als auch die Preise stiegen in Luxemburg zwischen 2020 und 2021 schneller als in allen anderen Ländern der Eurozone, schrieb der Präsident der Luxemburger Zentralbank, Gaston Reinesch, Anfang des Jahres. Auch die Verschuldungsrate der Luxemburger Haushalte erreichte einen Spitzenwert. « Luxemburg gehört zu jenen Ländern mit den höchsten Risiken auf dem Wohnungsmarkt », so das Fazit von Gaston Reinesch.

Problematisch ist, dass die Preise in Luxemburg schneller steigen als die Einkommen, warnte der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) bereits im Februar. Das deutet auf eine Preisblase hin. Selbst die neuen Regeln zur Vergabe von Immobilienkrediten hätten bisher nur wenig Wirkung gezeigt, so die Experten des europäischen Finanzaufsichtssystems.

Die "Spuerkeess"-Direktion spricht im Interview mit dem "Lëtzebuerger Land" dennoch von Risiken, die "berechenbar und zu bewältigen sind". Wie passt das zusammen? Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Der erste hängt mit der Art der Immobilienkredite zusammen. In Luxemburg waren sie traditionell mit variablem Zins ausgestattet – also einem Zinssatz, den die Bank regelmäßig anpassen kann. Während der Anteil der Kredite mit variablem Zins bis 2011 konstant über 80 Prozent lag, war es 2021 noch ein Drittel.

Im Gegenzug bedeutet das, dass die Mehrheit der Haushalte, die seit 2015 Immobilienkredite aufgenommen haben, mit einem festen Zinssatz rechnen kann. Das gibt ihnen Sicherheit und verringert das Risiko für den Immobilienmarkt. Vor allem zeigen die Daten, dass die steigenden Kreditsummen zum großen Teil von den günstigen Festzinsen getrieben waren.

Sehr unterschiedliche Situationen

Der zweite wichtige Faktor ist, dass die Luxemburger Haushalte einen gewissen Spielraum in ihrem Budget haben. François Koulischer untersuchte mit zwei Kolleginnen, wie sich die Coronakrise auf den Wohnungsmarkt auswirken könnte. Das Ergebnis ist, dass die Haushalte insgesamt neben der Abzahlung der Kredite noch Rücklagen bilden können, mit denen sie finanzielle Schwierigkeiten überbrücken können.

"Ein beruhigender Faktor ist der hohe Anteil von Beamten im Wohnungsmarkt", betont der Ökonom im Gespräch mit Reporter.lu. Der Staat und die EU-Institutionen sind die Arbeitgeber von rund 40 Prozent der in Luxemburg ansässigen Beschäftigten. Dazu kommen nochmals elf Prozent, die im Finanzsektor arbeiten.

Das sind allesamt Arbeitsplätze, die wirtschaftlichen Krisen weniger ausgesetzt sind. Die Kehrseite ist jedoch ebenso klar: Die 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen ("quintile 1") sind bereits an ihrer Schmerzgrenze angelangt. Laut einer Studie des "Observatoire de l'Habitat" geben sie schon jetzt mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Kreditraten oder Mieten aus.

Schwierige "sanfte Landung"

"Der Preisanstieg in den vergangenen fünf bis zehn Jahren war sehr stark. Jetzt braucht es eine sanfte statt einer harten Landung", meint François Koulischer. "Die Hoffnung ist, dass steigende Zinsen die sanfte Variante ermöglichen. Wenn hingegen die Immobilienpreise schnell sinken, beginnt eine gefährliche Abwärtsspirale", ergänzt der Forscher.

Die Schattenseite einer "sanften Landung" ist jedoch, dass Haushalte bis tief in die Luxemburger Mittelschicht vom Immobilienbesitz ausgeschlossen sein werden, betont Jean-Paul Scheuren. Mieten ist dann für viele der einzige Ausweg. Allerdings werden viele der Investoren, die hohe Preise gezahlt haben, auch entsprechende Mieten verlangen, warnte BCEE-Direktorin Françoise Thoma im "Lëtzebuerger Land".

Selbst wenn es gelingen sollte, dass der Immobilienmarkt sich selbst regelt, wird in den eigenen vier Wänden dennoch viel politischer und sozialer Sprengstoff bleiben. Zum einen wird sich der Mangel an Wohnungen verschärfen. Zum anderen wird Wohnen in den meisten Szenarien teurer. Und das Streben nach dem eigenen Haus oder der eigenen Wohnung wird für viele zum unerfüllbaren Luxemburger Traum.


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