Der öffentliche Wohnungsmarkt soll eine Alternative zu den hohen Immobilienpreisen sein. Doch explodierende Baukosten und steigende Zinsen machen auch diese Alternative teurer. Selbst die Mittelschicht stellt dies mittlerweile vor Herausforderungen.

Im April 2021 hat Marie* das große Los gezogen. Eigentlich. Denn damals teilt die öffentliche Wohnungsbaugesellschaft « Fonds Kirchberg » ihr mit, dass ihr Antrag auf eine subventionierte Wohnung bewilligt wurde. Damit hat sie die Chance auf eine rund 85 Quadratmeter große Neubauwohnung im Quartier « Réimerwee ». In bester Lage in Kirchberg soll dort bis 2024 ein modernes Mehrfamilienhaus entstehen. Der öffentliche Bauträger teilt der jungen Frau mit, dass sie zwei Wochen Zeit hat, die Reservierung zu bestätigen, und dass einer Unterschrift beim Notar nach einer Anzahlung von 10.000 Euro nichts mehr im Wege stehe.

Der angegebene Preis von 488.000 Euro ist, für hauptstädtische Verhältnisse, konkurrenzlos günstig. Für die 28-jährige Berufsanfängerin ist er zudem alternativlos. Zwar verdient sie mit rund 5.000 Euro netto nicht schlecht. Doch für eine Wohnung auf dem freien Markt in vergleichbarer Lage würde ihr Einkommen als Alleinstehende nicht reichen. Selbst die subventionierte Wohnung bekommt die junge Frau mit Master-Abschluss und einer staatlichen Festanstellung gerade so finanziert. Auf reiche Eltern kann sie dabei ebenso wenig zählen wie auf große Rücklagen.

Dennoch entscheidet sie sich für den Kauf. Im Juli unterschreibt sie den Reservierungsvertrag, im September folgt der Akt beim Notar. Und mit ihm die erste Überraschung: Denn der Preis der Wohnung ist in der Zwischenzeit beachtlich gestiegen. Nun soll die Wohnung nicht mehr 488.000 Euro kosten, sondern 508.000 Euro. Der Grund für die Preissteigerung liegt im Kleingedruckten des Kaufvertrags. Die Wohnung ist Baukosten-indexiert. Will heißen: Steigen die Baukosten, steigt der Preis. Wie sich später herausstellte, sollte es auch nicht bei dieser einen Preissteigerung bleiben.

Gefangen in der Preisspirale

« Ich war mir der Auswirkung des Baukosten-Index einfach nicht bewusst », sagt Marie im Gespräch mit Reporter.lu. Zwar sei im Kaufvertrag auf die Indexierung hingewiesen worden, doch als Erstkäuferin seien ihr die möglichen Folgen nicht klar gewesen. « Ich bin davon ausgegangen, dass ein öffentlicher Bauträger seine Kunden schützt. Aber nachher lief die ganze Kommunikation über die Baufirma. »

Was ist denn mit Menschen, die weniger verdienen als ich? »Marie, Käuferin einer Eigentumswohnung

Natürlich ist die Situation von Marie ein Einzelfall. Doch er verdeutlicht, dass es selbst für Menschen, die gut verdienen, zunehmend schwierig geworden ist, sich sogar subventionierte Wohnungen leisten zu können. Wer aktuell auf Wohnungssuche ist, steht vor einem doppelten Problem. Einerseits ist Bauen an sich teurer geworden. Die Baukosten sind zwischen April 2021 und April 2022 um 13,9 Prozent gestiegen, wie Zahlen des Statec zeigen. Um einen ähnlich drastischen Anstieg in den Statistiken zu finden, muss man bis in die 1970er Jahre zurückgehen.

Hinzu kommt, dass sich auch die Immobilienkredite deutlich verteuert haben. Die Zinsen für ein Darlehen mit einer Laufzeit von 30 Jahren liegen inzwischen deutlich über drei Prozent. Eigentlich ein moderater Anstieg, der bei hohen Immobilienpreisen und dementsprechenden Darlehen jedoch einen wesentlichen Effekt auf die monatlichen Ratenzahlungen hat. Wer etwa im Juni einen Kredit für 800.000 Euro aufnehmen wollte, zahlt nun 620 Euro im Monat mehr als noch vor einem Jahr, wie Reporter.lu bereits berichtete.

« Fonds Kirchberg » bessert nach

Auf den Fall von Marie angesprochen, bestätigt auch Marc Widong vom « Fonds Kirchberg », dass es zu Preiserhöhungen durch den Baupreis-Index gekommen sei. « Es ist richtig, dass wir in der Vergangenheit Wohnungen angeboten haben, die über Baufirmen verkauft wurden und die an den Baupreis-Index gebunden waren », sagt der Direktor des öffentlichen Bauträgers.

Allerdings habe man in Gesprächen mit der Baufirma zumindest eine teilweise Entlastung der Kunden ausgehandelt. So soll die letzte Tranche, die Kunden noch an die Firma zu zahlen haben, nicht mehr an den Baupreis-Index gekoppelt sein. Zudem habe man im Verwaltungsrat des öffentlichen Bauträgers nun beschlossen, künftige Projekte nicht mehr an den Baukosten-Index zu binden, versichert Marc Widong im Gespräch mit Reporter.lu.

Die Baukosten sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Wer eine Wohnung kauft, die an den Baukosten-Index gebunden ist, muss mit deutlichen Preissteigerungen leben. (Foto: Mike Zenari)

Durch die Anpassungen werden Kunden in Zukunft wohl vor Nachzahlungen geschützt, viel günstiger dürften die Wohnungen dadurch jedoch nicht werden. « Wir haben eine Situation auf dem Bau, die wir so in den letzten Jahren nicht kannten. Die Preisentwicklungen sind einfach nicht absehbar », erklärt Marc Widong. Deshalb würden sich auch die Baufirmen absichern und die Preise entsprechend festlegen.

Kampf gegen die Marktlogik

Doch werden öffentliche Wohnungsbaugesellschaften ihrem Auftrag, erschwinglichen Wohnraum zu schaffen, dann noch gerecht? Zumal durch die höheren Zinsen auch der Kreditvergabe durch die Banken neue Grenzen gesetzt sind. Marc Widong bemüht sich um eine Einordnung: « Natürlich wollen wir, dass unsere Wohnungen erschwinglich bleiben. Aber wir funktionieren anders als etwa die ‘Société nationale des habitations à bon marché’ (SNHBM). » Bei uns gibt es keine Lohnobergrenze, wenn man sich um eine Wohnung bewirbt », so der Direktor des « Fonds Kirchberg ».

Probleme, neue Käufer zu finden, kennt man beim « Fonds Kirchberg » nicht. Bei jedem neuen Projekt gebe es im Schnitt zwölfmal mehr Bewerber als verfügbare Wohnungen, so Direktor Marc Widong. « Unsere Preise liegen mit etwa 6.000 Euro pro Quadratmeter deutlich unter den marktüblichen Preisen in Kirchberg. Das ist nur möglich, weil der Fonds die Grundstücke günstig abtritt. Und das entspricht immer noch unserem Auftrag, Wohnungen zu einem ‘Coût modéré’ zu schaffen. »

Es wird für uns auch schwieriger, neue Kunden zu finden, da die Preise nach oben weglaufen. »Guy Entringer, SNHBM

Die gestiegenen Baupreise und Zinsen spürt auch die SNHBM. Direktor Guy Entringer findet drastische Worte für die aktuelle Situation: « Es ist fast wie Russisch Roulette, wenn es darum geht, Preise festzulegen. » Zudem sei die Zusammenarbeit mit einigen Baufirmen zunehmend schwierig, da sich nicht immer an Abmachungen gehalten werde und es auf vielen Baustellen zu Verzögerungen komme, so Guy Entringer. Mit ein Grund: Die Bauprojekte der staatlichen Wohnungsbaugesellschaft unterliegen dem europäischen Vergaberecht. Die SNHBM ist demnach verpflichtet, mit jenem Unternehmen zusammenzuarbeiten, das eine Ausschreibung gewinnt. Auch wenn es in der Folge zu Problemen kommt.

Verschiebung der Kundschaft

Man habe es mit einer Situation zu tun, die natürlich auch einen Einfluss auf die potenziellen Käufer habe, erklärt Guy Entringer. « Mir tun die Kunden leid, aber wir können nur mit jenen Preisen arbeiten, die da sind. Es wird für uns auch schwieriger, neue Kunden zu finden, da die Preise nach oben weglaufen », sagt der Direktor der SNHBM. Zwar gebe die SNHBM die Kostensteigerung bei Projekten, die aktuell im Bau sind, nicht an die Kunden weiter und die Wohnungen seien auch nicht Baupreis-indexiert, aber in Zukunft würden die Preise auch bei der SNHBM steigen, so der Direktor.

Aktuell seien die Zahlen auf den Wartelisten der Wohnungsbaugesellschaft noch stabil und Fälle, in denen Personen einen Kauf nicht mehr stemmen könnten, gebe es nicht. Doch Guy Entringer macht sich wenig Illusionen, was die Zukunft betrifft: « Ich gehe davon aus, dass es zu einer Verschiebung bei den Kunden kommen wird. Personen, die sich zuvor noch auf dem freien Markt etwas leisten konnten, werden zunehmend auf die SHBMN angewiesen sein. Gleichzeitig wird es mehr Menschen geben, für die auch eine Wohnung der SNHBM die eigenen finanziellen Möglichkeiten übersteigt », sagt Guy Entringer.

Erst wenn man die nötigen Rücklagen hat, sollte man ein Immobiliendarlehen in Betracht ziehen. »Mike Mathias, Wohnungsbauministerium

Langfristig könnte eine Lösung darin bestehen, auch bei der SNHBM verstärkt auf Mietwohnungen zu setzen, betont der Direktor. « Wir beginnen gerade, unser Modell etwas zu verschieben. Seit rund sechs Jahren bauen wir einen Teil unserer Wohnungen für den Mietmarkt. Davor gab es das bei uns eigentlich nicht. Mein Vorgänger hat in 28 Jahren ein einziges Mehrfamilienhaus mit elf Mietwohnungen gebaut. » Aktuell seien rund 25 bis 30 Prozent der Projekte Mietwohnungen, so Guy Entringer. Langfristig sei angedacht, diesen Anteil bis auf 40 Prozent zu erhöhen, betont der Direktor.

Ministerium setzt auf Reform

Auch im Wohnungsbauministerium beobachtet man die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt mit Sorge. Mike Mathias, hoher Beamter im Ministerium, unterstreicht die bedenkliche Lage für potenzielle Immobilienkäufer: « Ende 2021 hatten wir eine Situation, dass die Baupreise enorm gestiegen sind, ohne dass die Kaufkraft der Leute mithalten konnte. Das ist ein ganz akutes Problem, keine Frage. »

Mieten oder kaufen? Das Wohnungsbauministerium will verstärkt auf Mietwohnungen setzen. (Foto: Mike Zenari)

Große Hoffnungen setzt das Wohnungsbauministerium derweil auf zwei neue Gesetzestexte zum erschwinglichen Wohnraum. Vor allem die Hilfen für Erstkäufer von Immobilien sollen deutlich gesteigert werden, so Mike Mathias. « Wir werden die sogenannte Bauprämie deutlich erhöhen. Zudem wollen wir die Zinssubventionen auf Immobiliendarlehen erweitern. Davon profitieren auch Personen, die eine Wohnung bei der SNHBM oder beim ‘Fonds de Logement’ kaufen. » Aktuell warte man im Ministerium noch auf das Gutachten des Staatsrats und die anschließende Abstimmung im Parlament, so Mike Mathias weiter.

Auf die konkrete Situation beim subventionierten Wohnungsbau angesprochen, betont Mike Mathias, dass auch dort mit Preissteigerungen zu rechnen sei. Das Ministerium setze dabei vor allem auf die Förderung von Mietwohnungen. « Bei den Mieten gibt es eine große Notlage und dort sind die Menschen besonders auf Unterstützung angewiesen. Deshalb liegt unser Fokus im Ministerium ganz klar auf mehr erschwinglichen Mietwohnungen », sagt Mike Mathias.

Mehr als nur ein Einzelfall

In Bezug auf den Immobilienkauf betont der hohe Beamte die besondere makro-ökonomische Situation der letzten Jahre. « Wir hatten sehr niedrige Zinsen über die letzten Jahre, was natürlich einen Einfluss auf die Kredite der Haushalte hatte. Oft sind Haushalte deshalb bis an die Grenze des Machbaren gegangen. Vielleicht braucht es da ein Umdenken und es muss wieder mehr Wert aufs Sparen gelegt werden. Erst wenn man die nötigen Rücklagen hat, sollte man ein Immobiliendarlehen in Betracht ziehen. » Das Sparen will das Ministerium mit der ebenfalls im Gesetzestext enthaltenen Sparprämie aktiv unterstützen. Dabei werden Haushalte, die Eigenkapital beim Immobilienkauf einsetzen, vom Wohnungsbauministerium mit einer zusätzlichen Subvention unterstützt.

Eine Sichtweise, die Marie nur wenig weiterhelfen dürfte. Denn nach dem ersten Preisschock im Herbst 2021 sollten weitere folgen. Aus den 20.000 Euro sind inzwischen 47.500 Euro mehr geworden als ursprünglich vorgesehen. Erst kürzlich musste Marie erneut zur Bank, um ihren Kredit ein letztes Mal anzupassen. « Ich bin jetzt beim absoluten Maximum angelangt, das hat mir die Bank unmissverständlich vermittelt. Zudem kann ich die Wohnung in den ersten beiden Jahren nicht ohne Weiteres verkaufen. Wenn ich 2024 hoffentlich einziehen werde, muss ich jeden Monat 2.250 Euro an Schulden tilgen », sagt die junge Universitätsabsolventin.

Ihre Situation macht Marie nachdenklich. « Wenn selbst ich in eine Situation komme, dass eine vom Staat subventionierte Wohnung fast nicht zu stemmen ist, macht mir das große Sorgen. Was ist denn mit Menschen, die weniger verdienen als ich? Die Wohnungsnot in Luxemburg ist mittlerweile so groß, da braucht es dringend konkrete Reaktionen von der Politik. Die aktuelle Lage finde ich einfach inakzeptabel und ich weiß nicht, ob die Regierung sich dessen wirklich bewusst ist. »


*Name von der Redaktion geändert


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