Altenheime dürfen nicht mehr besucht, Events müssen abgesagt und Schulen geschlossen werden: Das Coronavirus zwingt die Regierung zu schnellem Handeln und neuen Maßnahmen. Die Botschaft: Damit Betroffene geschützt werden, muss die gesamte Gesellschaft mithelfen.
« Wir müssen uns alle zusammenreißen und die Maßnahmen befolgen, damit ältere Menschen geschützt werden », appellierte Gesundheitsministerin Paulette Lenert am Freitagabend. Kurz zuvor musste sie verkünden, dass erstmals in Luxemburg eine Person im Alter von 94 Jahren am Coronavirus gestorben ist.
Es war ihre dritte Pressekonferenz innerhalb von drei Tagen. Dieses Mal wurde sie von Familienministerin Corinne Cahen und Verkehrsminister Francois Bausch begleitet. Und die Botschaft der versammelten Minister war deutlich: In diesen Momenten sollte man solidarisch sein und die von der Regierung festgelegten Maßnahmen ernst nehmen – zum eigenen Schutz und zu dem von anderen.
Corinne Cahen unterstrich außerdem, dass Menschen in Alten- und Pflegeheimen zwar besonders betroffen sind. Man solle sie aber nicht komplett isolieren. « Man sollte sich dennoch kümmern oder die Menschen anrufen. Zeigen, dass man da ist, auch wenn man vielleicht nicht vorbeischauen kann. »
Schulen geschlossen, aber kein schulfrei
« Man kann viel tun, um andere zu schützen », sagte auch Bildungsminister Claude Meisch am Freitagmorgen. Die Regierung hat deshalb die Entscheidung getroffen, sämtliche Schulen, Bildungseinrichtungen und nicht-schulische Betreuungsstrukturen ab dem 16. März für die kommenden zwei Wochen zu schließen. Auch das solle dazu beitragen, die Verbreitung des Coronavirus in Luxemburg einzudämmen.
Kinder und Lehrer würden zwar nicht zur am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppe gehören, sagt der Minister. Sie seien aber potenzielle Träger und könnten andere anstecken. 150.000 Schüler sowie 20.000 Beschäftigte sind von dieser Maßnahme betroffen.
Es geht um eine Geste der großen nationalen Solidarität – sowohl in der Familie, im Wohnviertel und im Freundeskreis. »Bildungsminister Claude Meisch
Dass die Schüler zuhause bleiben, bedeutet allerdings kein schulfrei. „Wir wollen dennoch versuchen, eine gewisse Kontinuität im Lehrplan zu gewährleisten“, so Claude Meisch. Es soll über digitale Plattformen unterrichtet werden, Kinder in Grundschulen können von ihren Lehrern Wochenpläne mit Übungen bekommen.
Was außerdem schon feststeht: Das Ende des zweiten Trimesters wurde auf den 30. April verschoben und Klausuren sollen nachgeholt werden. Das Abschlussexamen soll wie geplant stattfinden, man überlege aber noch, wie man die Prüfungen angesichts der außergewöhnlichen Lage anpassen kann.
Mit den Schülern auch Eltern betroffen
Neben den Schulen werden auch Universitäten geschlossen, Sprachkurse fallen aus, Musikkurse sind abgesagt, jegliche schulische Aktivitäten werden verschoben. Auch Crèches, Mini-Crèches und die Maisons Relais bleiben zu. Noch am Abend von Donnerstag auf Freitag hat das Ministerium per Email Eltern, Lehrer und nicht-schulische Strukturen über die neuen Maßnahmen in Kenntnis gesetzt.
Wer Fragen habe, könne sich auch an die Hotline 8002 9090 wenden oder über die Webseite schouldoheem2020.men.lu weitere Informationen erhalten. „Wir wollen niemanden alleine lassen“, betonte Claude Meisch. „Und wir werden versuchen, dem Bildungsauftrag auch im Hausunterricht gerecht zu werden.“
Unterstützung ist jetzt auch wichtig. Denn die Maßnahme betrifft nicht nur die Schüler selbst, sondern ganze Familien. Berufstätige Eltern können zusätzliche Urlaubstage für familiäre Angelegenheiten beantragen, wenn sie ab Montag bei den Kindern zu Hause bleiben – das entsprechende Formular wurde mittlerweile auf der Webseite der CNS veröffentlicht.
70 Prozent des Personals in Krankenhäusern sind Grenzgänger. Wenn wir die Grenzen schließen, dann können wir auch die Krankenhäuser schließen. »Premierminister Xavier Bettel
Bildungsminister Claude Meisch stellte aber noch einmal klar: „Wir machen hier große Bemühungen, um zu helfen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, was unsere Hauptmission als Bildungsministerium ist – nämlich eine gute Ausbildung zu garantieren.“ Würde alles komplett stillgelegt und auf den Unterricht verzichten, seien am Ende nämlich die Schüler selbst die Leidtragenden, so der Minister.
Die Schließung der Schulen soll bis zum 29. März gelten – vorerst. Eine Verlängerung ist nicht ausgeschlossen.
Gesellschaftliches Leben stillgelegt
Das ist nur eine der Maßnahmen, die die Regierung diese Woche getroffen hat, um gegen die schnelle Verbreitung des Coronavirus in Luxemburg vorzugehen. Am Donnerstag nach der außerordentlichen Kabinettssitzung stellten Premierminister Xavier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert alle geplanten Vorgehensweisen für die kommenden zwei Wochen vor.
„Die Maßnahmen, die wir heute ergreifen, sind von einem Ausmaß, die einzigartig in Luxemburg sind. In den kommenden Tagen und Wochen ändert sich der Alltag in unserem Land und wir müssen uns anpassen. Jeder von uns. Es geht darum, die Geschwindigkeit, mit der das Virus sich verbreitet, maximal zu drosseln“, sagte Xavier Bettel.
Das Coronavirus und seine Folgen in Luxemburg
- Die Zahl der Coronavirus-Infizierten stieg die vergangenen Tage rasant an: Bis Freitagabend haben sich 34 Personen mit dem Virus infiziert. Am Donnerstagabend lag diese Zahl offiziell noch bei 26 Personen, am Dienstag erst bei sieben.
- Eine Person im Alter von 94 Jahren ist am Virus gestorben
- 90 Personen befinden sich in Quarantäne (Stand 13.3.)
- Etwa 500 Personen wurden getestet (Stand 13.3.)
- Die Regierung erinnert daran, dass Personen mit Symptomen die Notrufnummer 8002 8080 anrufen müssen. Die Notrufnummer 112 soll nur noch für Notfälle genutzt werden.
- Die Gesundheitsministerin stellte am Donnerstagabend außerdem klar, dass nur noch die Personen getestet werden, die Komplikationen aufweisen. Jede Person mit Grippesymptomen sollte sich so lange zu Hause isolieren, wie sie krank ist. Personen, die mit Infizierten in Kontakt kamen (weniger als zwei Meter Abstand), sollten sich eine Woche unter Quarantäne setzen.
Neben der Schließung der Schulen kündigte die Regierung an, dass Besuche in Altenheimen und Krankenhäusern für die nächsten zwei Wochen untersagt sind. Auch Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als 100 Teilnehmern und Außen-Events mit mehr als 500 Menschen sind bis Ende März verboten. Der öffentliche Nahverkehr soll bis auf Weiteres aber funktionieren, ab dem 16. März allerdings mit Einschränkungen.
Damit die Versorgung der Patienten weiterhin gewährleistet werden kann, bat die Regierung die Krankenhäuser, ihren Mitarbeitern vorerst keine Urlaubstage zu genehmigen. Klare Worte fand Xavier Bettel auf die Frage hin, ob eine Schließung der Grenzen für Luxemburg eine Option sei: „70 Prozent des Personals in Krankenhäusern sind Grenzgänger. Wenn wir die Grenzen schließen, dann können wir auch die Krankenhäuser schließen.“
Auch die Maisons Médicales sollen ab kommender Woche tagsüber geöffnet werden, um die Krankenhäuser zu entlasten. Ab wann genau steht allerdings noch nicht fest. Ministerin Paulette Lenert präzisierte, dass man gemeinsam mit Hausärzten diese neue Organisation vorbereitet.
Ein Zeichen der Solidarität setzen
Auf Krankenpfleger und Ärzte ist Luxemburg momentan angewiesen. Denn die Zahl der Infektionen liegt mittlerweile bei 26 Personen – Anfang der Woche waren es noch sieben. Besonders durch das Virus gefährdet sind ältere Personen ab 65 Jahren, Menschen mit Diabetes, Autoimmunkrankheiten, Herzkreislaufproblemen. Ihnen wurde geraten, das Haus nur dann zu verlassen, wenn es notwendig ist.
Die Regierung appellierte dann auch an die Solidarität untereinander. Eltern könnten sich beispielsweise im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft untereinander absprechen, wer sich um die Kinder kümmert.
Ein Gedanke, den auch Claude Meisch am Freitag an die Öffentlichkeit brachte. Es gehe um „eine Geste der großen nationalen Solidarität – sowohl in der Familie, im Wohnviertel und im Freundeskreis“, sagte der Bildungsminister. So könne man die Betroffenen am besten unterstützen und schützen.