Die geplante Reform des großherzoglichen Hofes soll laut dem Staatsministerium schnell umgesetzt werden. Die Funktionsweise der Luxemburger Monarchie steht damit vor einer grundlegenden Veränderung. Doch die Reform kann nicht alle potenziellen Probleme lösen.
« Ein Luxemburger Modell, das gut funktioniert »: So bezeichnete der Premier vergangene Woche erst auf Nachfrage das Ziel jener grundlegenden Reform, die er in den kommenden Wochen umsetzen will. Xavier Bettels Plan ist klar, die Umsetzung dagegen weitgehend offen.
Fest steht, dass die Reform sich auf zwei Bereiche konzentrieren soll: die finanzielle Transparenz und die Regulierung des Personalmanagements am Hof. Letzteres stand am Anfang des ganzen Prozesses. Die auffällig hohe Anzahl von Personalwechseln war der Auslöser, warum der Staatsminister einen Sonderbeauftragten ernannte. Erst deshalb beschäftigte sich die Regierung überhaupt verstärkt mit den festgestellten Missständen in der Verwaltung des Großherzogs.
Der Waringo-Bericht dient dabei als « Roadmap ». Der Sonderbeauftragte des Premiers identifizierte eine Reihe von Baustellen in der Funktionsweise des großherzoglichen Hofes. Nüchtern schlägt Jeannot Waringo mitunter weitreichende Anpassungen vor, die in einen generellen « Wandel » der Funktionsweise des Hofes eingebettet werden sollen.
Die Krux mit der politischen Kontrolle
Die Umrisse des « Luxemburger Modells » stehen dabei noch in den Sternen. Zudem wird es nach der Umsetzung des Wandels verstärkt auf die Kontrollmechanismen ankommen, die erst noch entwickelt werden müssen. Für die vorgestellten Reformansätze, die laut dem Premier zum Teil sehr rasch umgesetzt werden können, gibt es keinerlei Vorbilder in der luxemburgischen Geschichte.
Letztlich kann niemand, auch die Regierung, den laut Verfassung unverletzlichen Großherzog zu etwas zwingen. Auch der Großherzogin kann sie im Grunde nichts verbieten. »
Dabei sind die juristischen Spitzfindigkeiten der nötigen Gesetzesänderungen und Verordnungen nur eine Sache. Mit der von außen angetriebenen, grundlegenden Neuordnung des Finanz- und Personalmanagements innerhalb der Verwaltung des Großherzogs begibt sich die Regierung auf komplett unbekanntes Terrain. Schon bei früheren Versuchen, die Funktionsweise am Hof anzupassen, sind mehrere Regierungen gescheitert.
Zudem ist eine stärkere politische Kontrolle einer staatlichen Institution durch die Regierung in der Verfassung so nicht vorgesehen. Laut dem geltenden Grundgesetz machen Regierung und Großherzog gemeinsam die Exekutive aus. Nur die politische Praxis des vergangenen Jahrhunderts, in der sich die parlamentarische Demokratie nach und nach gegen die Tradition der konstitutionellen Monarchie durchgesetzt hat, gibt der aktuellen Regierung den Spielraum zu einer höheren Gangart bei der Bevormundung des großherzoglichen Hofes.
Die anhaltende Macht des Monarchen
Ein Blick in die aktuelle Verfassung verdeutlicht nämlich, dass die angedachte Modernisierung der Monarchie eindeutig ihre Grenzen hat. Demnach stehen dem Großherzog auf dem Papier nach wie vor weitreichende Prärogativen zu, die noch aus der Logik der konstitutionellen Monarchie des 19. Jahrhunderts stammen. Genauer gesagt aus der Verfassung von 1868, deren Wurzeln wiederum zum Teil aus der Vorgängerversion von 1856 entspringen, die durch einen « Staatsstreich » des damaligen Monarchen, Großherzog Wilhelm III., entstanden ist.
Bis heute heißt es im Luxemburger Grundgesetz: Der Großherzog ist unverletzlich. Er verkündet die Gesetze. Er kann selbst dem Parlament Gesetze unterbreiten. Er ergreift die Verordnungen und Erlasse zur Exekution von Gesetzen. Er befehligt die Armee. Er kann Verurteilte begnadigen. Die Gerichte entscheiden in seinem Namen. Die Souveränität liegt zwar in der Nation, sie wird aber vom Großherzog gemäß der Verfassung und der Gesetze des Landes ausgeübt. Das sind nur die aussagekräftigsten Beispiele.
Zwar sieht die Verfassung mittlerweile auch Grenzen dieser anachronistischen Macht des Monarchen vor. Dazu gehört vor allem der Passus, wonach jegliche Verfügung des Großherzogs von einem verantwortlichen Minister gegengezeichnet werden muss. Doch das Beispiel des Briefes von Großherzog Henri, mit dem er auf Presseberichte reagierte, zeigt, dass es hier durchaus Grauzonen gibt.
Die Monarchie, wie sie im Lehrbuch steht
« Im wortwörtlichen Sinn scheinen die Funktionen und Kompetenzen des Großherzogs sehr weitreichend », schreibt der Verfassungsrechtler Paul Schmit in seinem « Précis du droit constitutionnel ». In der Praxis würden sich die « tatsächlichen Funktionen » des Staatschefs jedoch vor allem auf « repräsentative Aufgaben » beschränken. Ganz ähnlich formuliert es auch Pierre Majerus in « L’État luxembourgeois », einem Standardwerk, das Generationen von Beamten als Lehrbuch für das Verständnis des institutionellen Staatsgefüges diente.
Bei der Umsetzung der jetzt angedachten Modernisierung ist die Politik stets auf das gegenseitige Verantwortungsbewusstsein für den institutionellen Frieden angewiesen. »
Was in den Lehrbüchern jedoch nicht steht: Die Spielräume, welche die Verfassung dem Monarchen bis heute lässt, wurden bisher nie wirklich ausgetestet. Eine Ausnahme ist die institutionelle Krise von 2008, als Großherzog Henri sich weigerte, das Gesetz zur Euthanasie zu unterschreiben. Rasch einigten sich damals alle Parteien darauf, dem Staatsoberhaupt dieses Recht durch eine Verfassungsänderung zu entziehen. Seitdem werden die Gesetze des Landes vom Großherzog nur noch « verkündet ». Doch an anderen Stellen der Verfassung lauern ähnliche überkommene Passagen, die zum Präzedenzfall taugen.
Die Krise von 2008 war letztlich der Auslöser dafür, dass sich das Parlament verstärkt Gedanken über eine komplett neue Verfassung machte. Schon damals schreckten die meisten Parteien zwar vor einer radikalen Infragestellung der monarchischen Prärogativen in der Verfassung zurück. Und doch standen neben anderen technischeren Fragen eben jene Artikel des Grundgesetzes, die die Macht des Großherzogs im Geist des 19. Jahrhunderts definierten, im Mittelpunkt der Debatten.
Weit entfernt vom « schwedischen Modell »
An dieser Stelle lässt sich gut veranschaulichen, warum der Politik insgesamt – bis zur rezenten taktisch bedingten Verweigerung der CSV – eine neue Verfassung so am Herzen lag. Und warum Jeannot Waringo in seinem Bericht in manchen Punkten eine Präferenz für das sogenannte « schwedische Modell » einer parlamentarischen Demokratie mit monarchischem Staatsoberhaupt durchblicken ließ.
Die schwedische Verfassung gilt nicht zufällig als Vorbild für eine fortschrittliche Monarchie. Dem schwedischen Staatsoberhaupt werden laut geltender Verfassung keine wirklichen politischen Kompetenzen mehr zugesprochen. Der Monarch eröffnet zwar die Sitzungsperiode des Parlaments. Ansonsten wurden seine traditionellen Prärogativen in Exekutive und Legislative der Regierung bzw. dem Parlamentspräsidenten übertragen.

Die Rolle des monarchischen Staatsoberhauptes ist in Schweden also durchweg repräsentativ und symbolisch. Entsprechend hoch sind auch die Auflagen an Transparenz und Rechenschaftspflicht des schwedischen Königshauses gegenüber dem Parlament und der ganzen Öffentlichkeit.
Um ein ansatzweise vergleichbares Modell auch in Luxemburg einzuführen, müsste man die Verfassung grundlegend ändern. Allerdings gehen sowohl der mittlerweile verworfene Entwurf für eine neue Verfassung als auch die jetzt zurückbehaltenen punktuellen Reformen nicht so weit. Das Argument für diesen zurückhaltenden Ansatz lautet dabei nach wie vor, wie im Lehrbuch: Letztlich zeige die politische Praxis, unter Historikern « Verfassungswirklichkeit » genannt, dass Luxemburg eine ordentliche parlamentarische Demokratie sei, in der sich der Monarch an die « ungeschriebenen Gesetze » halte.
Keine Sicherung vor institutionellen Krisen
Was bei aller Zulässigkeit dieses Arguments vergessen wird: Letztlich kann niemand, auch die Regierung, den laut Verfassung unverletzlichen Großherzog zu etwas zwingen. Auch der Großherzogin kann die Regierung im Grunde nichts verbieten. Jedenfalls nicht auf Grundlage des aktuellen Verfassungstextes.
Bei der Umsetzung der jetzt angedachten « Modernisierung » ist die Politik also stets auf das Wohlwollen der Monarchie angewiesen. Die politische Praxis basiert auf dem gegenseitigen Respekt und einem geteilten Verantwortungsbewusstsein für den institutionellen Frieden. Der Weg zu einer stärkeren politischen Kontrolle der Funktionsweise des großherzoglichen Hofes gleicht dabei einem Drahtseilakt. Denn weder die Verfassung noch andere Gesetze sehen eine Sicherung vor künftigen potenziellen Krisen vor.
Wenn es hart auf hart kommen sollte, hätte man es denn auch mit einer Staatskrise mit offenem Ausgang zu tun. Würde der Monarch sich dem Willen des demokratisch legitimierten Parlaments und der daraus hervorgehenden Regierung offen widersetzen, wäre freilich die Existenzberechtigung der Luxemburger Monarchie in Frage gestellt. Die Akzeptanz der Monarchie würde abnehmen, die Rufe nach einer Abschaffung der Monarchie würden wahrscheinlich lauter.
Offen wäre die Krise aber auch deshalb, weil sich nicht nur die Monarchie in diesem Szenario auf dünnem Eis bewegen würde. Einfach so abschaffen und durch etwas Neues ersetzen, lässt sich die Monarchie nämlich nicht. Auch das sieht die Verfassung nicht vor. Was nach der geplanten Verfassungsreform aber möglich sein soll: Die Absetzung des Großherzogs durch das Parlament. Die politische Klasse ist sich also der potenziellen Notwendigkeit einer solch radikalen Maßnahme bewusst.
Zwei Szenarien, die zusammenschweißen
Angenommen, es käme zur totalen Konfrontation zwischen Monarchie und Regierung. Eine überwältigende Mehrheit im Parlament würde keinen anderen Ausweg mehr sehen, als den Weg zur Republik einzuschlagen. Dann müsste dieser Schritt selbstverständlich durch eine Verfassungsreform mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament vollzogen werden.
So einfach wie sie klingt, wäre diese konstitutionelle Revolution aber nicht. Bei jeder Reform des Grundgesetzes können mindestens 25.000 Wähler ein verbindliches Referendum beantragen. Bei solch einer weitreichenden Entscheidung wie der Änderung der Staatsform könnte dieses hohe Quorum an Unterschriften wohl erreicht werden. Wenn nicht das Parlament selbst ein Referendum in dieser Frage in die Wege leiten würde. Der Ausgang einer solchen Volksabstimmung wäre dabei sogar im Fall von anhaltenden Missständen am großherzoglichen Hof schwer vorauszusagen.
Alle Beteiligten haben letztlich ein existenzielles Interesse daran, dass das Unternehmen Modernisierung der Luxemburger Monarchie glückt. »
Das andere Extrem, das heute mindestens genauso unwahrscheinlich scheint wie die Einführung einer Republik, ist der Rückfall in Zeiten einer politisch stärker dominanten Monarchie. Oder, wenn man so will, das textgemäße Ausleben der aktuell gültigen Verfassung.
Neben den belgischen, niederländischen und schwedischen Modellen gibt es nämlich noch ein « Liechtensteiner Modell ». Dort verlieh das Volk dem Fürsten 2003 per Referendum mehr Macht als dies in nahezu allen anderen Monarchien in Europa im 21. Jahrhundert üblich ist. Zwar kann das Volk den Monarchen hier prinzipiell absetzen. Doch als ordentliche Demokratie lässt sich das Fürstentum laut gängiger Meinung von Politologen und Verfassungsrechtlern nicht bezeichnen.
Beide extreme Szenarien zeigen: Alle Beteiligten haben letztlich ein existenzielles Interesse daran, dass das Unternehmen « Modernisierung » der Luxemburger Monarchie glückt. Luxemburgs Dynastie, weil sie ungern den Anlass zu ihrer eigenen Abschaffung liefern will. Die gesamte politische Klasse, weil sie die Stabilität bevorzugt und die Vorzüge eines monarchischen Staatsoberhaupts trotz aller Reibungen dann doch auf der Hand liegen: Der Großherzog ist keine Gefahr für den exklusiven Machtanspruch der Regierung – und lässt sich bisher in der Verfassungswirklichkeit dann doch ziemlich gut politisch kontrollieren.
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