Die Recherchen von Reporter.lu zu den Missständen beim Gemeindesyndikat SIGI führten zu vielen politischen Reaktionen. Die Verantwortlichen weisen alle Vorwürfe von sich. Mehrere Gemeinden und auch Parlamentarier fordern dagegen Aufklärung.
„Ohne Gemeinden, kein Syndikat“: Mit diesem Satz erinnert Dan Biancalana die Leitung des „Syndicat Intercommual de Gestion Informatique“ (SIGI) daran, wer bei einem Gemeindesyndikat eigentlich das Sagen hat. In seinem Schreiben an SIGI-Präsident Yves Wengler, das Reporter.lu vorliegt, verleiht der Düdelinger Bürgermeister und LSAP-Abgeordnete seiner Unzufriedenheit mit dem Syndikat in sehr deutlichen Worten Ausdruck. Es ist nicht das erste Mal, dass er das tut, wie Dan Biancalana betont.
Der LSAP-Politiker ist mit seiner Kritik auch nicht allein, wie andere Reaktionen zeigen. Der Kritik aus Düdelingen schließt sich etwa die Gemeinde Dippach an. Reaktionen gab es aber auch aus der nationalen Politik. So forderte die Piratenpartei eine Sitzung zum SIGI im zuständigen parlamentarischen Ausschuss, in der auch Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) Erklärungen geben soll. Der Grünen-Abgeordnete Francois Benoy seinerseits stellte eine parlamentarische Anfrage zum Thema. Die « Fédération Générale de la Fonction Communale » (FGFC) fühlte sich ihrerseits in ihrer Kritik der vergangenen Jahre bestätigt, wie die Beamtengewerkschaft in einer Pressemitteilung schreibt.
Auch die SIGI-Führung sah sich gezwungen, auf die Enthüllungen von Reporter.lu und die aufkommenden Fragen aus den Gemeinden zu reagieren. Schließlich hatten die Recherchen eine fragwürdige Prioritätensetzung, einen intransparenten Umgang mit Steuergeldern, eine fehlende politische Kontrolle sowie schlechte Arbeitsbedingungen bis hin zu Mobbingvorwürfen aufgezeigt.
Widerstand gegen geplante SIGI-Stiftung
« Mit großem Unbehagen und Bestürzung » habe man die Artikel gelesen, scheibt denn auch der Bürgermeister der Stadt Düdelingen am 15. Juni in einem Brief an SIGI-Präsident Yves Wengler (CSV). Bereits mehrmals habe der Schöffenrat seine Unzufriedenheit mit der Arbeit des SIGI zum Ausdruck gebracht, so Dan Biancalana. Dies nicht nur in Bezug auf die Anschaffung von Software-Lizenzen oder die Homepages, sondern auch was die Übermittlung von Lohnkarten über « MyGuichet » anbelangt. Dafür habe das SIGI bisher nicht nur « keine einfache und haltbare Lösung » vorgeschlagen, sondern habe im Gegenteil den Mitgliedsgemeinden ein « kompliziertes und nicht-funktionstüchtiges » Instrument aufgezwungen, betont der Député-Maire aus Düdelingen.
Wie eine interne Analyse gezeigt habe, nutze die Gemeinde Düdelingen denn auch weniger als 50 Prozent der vom SIGI angebotenen Software, obwohl sie mit ihren Beiträgen die Gesamtheit der Entwicklungen mitfinanziere. Die Entwicklung der „Siginova“-Software ihrerseits komme nur schleppend voran, man habe gar den Eindruck, sie sei zum Stillstand gekommen, so Dan Biancalana.
In diesem Zusammenhang unterstreicht der Düdelinger Bürgermeister nochmals seinen Unmut, den er dem SIGI-Vorsitzenden eigenen Angaben zufolge bereits in einem Brief vom 26. Januar 2021 mitgeteilt hatte. Die Rede ist dabei von « der Attitüde und den Handlungen » von SIGI-Direktor Carlo Gambucci, die « schädliche Konsequenzen » auf das Verhältnis von Gemeinde und Syndikat gehabt hätten.
Sehr deutliche Worte findet Dan Biancalana auch für die Pläne der SIGI-Leitung, eine eigene Stiftung zu gründen. Einem solchen Vorhaben widersetze man sich formell, da es nicht vereinbar mit den SIGI-Statuten und der Gesetzgebung zu den Gemeindesyndikaten sei – wie auch ein von der Stadt in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten bestätigt habe. Die Düdelinger Vertreterin im „Bureau“ und SIGI-Vizepräsidentin Josiane Di Bartolomeo-Ries (LSAP) werde daher auch gegen einen solchen Vorschlag stimmen, unterstreicht Dan Biancalana.
Forderungen nach einem externen Audit
Die Gemeinde Dippach teilt die Sichtweise der Stadt Düdelingen zu großen Teilen, wie aus einem Brief des Dippacher Schöffenrats an die anderen 100 SIGI-Gemeinden hervorgeht. In dem Schreiben vom 17. Juni, das Reporter.lu vorliegt, informieren Bürgermeisterin Manon Bei-Roller (LSAP) sowie die Schöffen Max Hahn (DP) und Philippe Meyers (LSAP), dass Letztgenannter in seiner Funktion als Vertreter der kleineren Zentrumsgemeinden im SIGI bereits am 17. Mai ein Audit gefordert habe.
Infolge dieses Antrags habe Philippe Meyers nun beantragt, dass in der kommenden „Bureau“-Sitzung über ein solches Audit abgestimmt werde sowie auch über das Einsetzen einer Arbeitsgruppe bestehend aus Vorstandsmitgliedern, um das externe Audit zu begleiten. Dieses Audit könnte für die nötige Transparenz sorgen, was die vielen Wechsel beim Personal sowie in Bezug auf das Budget und die Finanzen anbelangt, so der Dippacher Schöffenrat: « Es scheint unvermeidlich, dass die Mitglieder des Komitees im Interesse dieser Transparenz Verantwortung übernehmen müssen, um einen starken und dauerhaften Schaden für das Image des SIGI zu vermeiden. »
SIGI-Vorsitzender weist Vorwürfe zurück
In einem Schreiben vom 14. Juni an die Mitglieder des „Comité“, das Reporter.lu ebenfalls vorliegt, schreibt auch SIGI-Präsident Yves Wengler von einem sehr negativen Bild des Syndikats und der Arbeit der involvierten Kommunalpolitiker, das die Artikel zeichnen würden. Der Vorsitzende versichert, dass das „Bureau“ stets jegliche Anschuldigungen ernst genommen habe und dies auch weiterhin tue.
Die in den Artikeln thematisierten Missstände weist Yves Wengler zurück. Er schreibt von « unwahren Behauptungen », denen zufolge die Gemeindevertreter lediglich Sitzungsgelder einstreichen würden, ohne aber ihrer Kontrollfunktion nachzukommen. Dies seien allesamt « falsche Behauptungen », durch die man sich nicht « irreführen und manipulieren » lassen dürfe, und « unbegründete Anschuldigungen », durch die man « nichts infrage stellen » würde, so Yves Wengler, ohne sich jedoch konkret mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen.
Stattdessen versucht der SIGI-Vorsitzende vielmehr die Errungenschaften des Syndikats angesichts gestiegener Anforderungen der Gemeinden zu lobpreisen. Die Leitung des SIGI sei einer der Eckpfeiler, auf die man sich bei der schweren Aufgabe, den Gemeinden bei der Digitalisierung zu helfen, stütze, betont Yves Wengler. Mitten in dieser großen Transformation könne « das Glas schon mal halb leer » wirken, so der SIGI-Präsident, doch zeige das Erreichte, dass man sich in die richtige Richtung bewege. In diesem Sinne lobt der Vorsitzende denn auch das Angebot, das SIGI den Gemeinden mache, hebt die Vorteile des Siginova-Programms hervor und verteidigt auch die Pläne, eine eigene Stiftung zu gründen.
Die Anschuldigung, schlechte Arbeitsbedingungen geschaffen zu haben und Mobbingvorwürfen keine Beachtung zu schenken, weist Yves Wengler ebenfalls zurück. Die Geschäftsführung verurteile jegliche Form von Belästigung auf das Schärfste, betont der SIGI-Vorsitzende und versichert, dass man diesbezüglich nie auch nur die geringste Beschwerde erhalten habe, weder von einem Angestellten noch von der Personalvertretung oder der „Mobbing asbl“. Auch sei niemals angedacht worden, den E-Mail-Verkehr der Mitarbeiter zu überwachen, dies seien « falsche Behauptungen » – ebenso wie der Vorwurf, dass die Geschäftsführung Verhandlungen mit dem OGBL blockiere.
Recherchen von Reporter.lu belegen allerdings, dass es derartige Pläne zur E-Mail-Überwachung gegeben hatte. Zudem wurde die Redaktion auch nach der Veröffentlichung der Artikel von mehreren ehemaligen SIGI-Angestellten kontaktiert, die beteuerten, dass sie konkrete Mobbingvorwürfe an Yves Wengler selbst herangetragen hätten.
Eine Frage der politischen Kontrolle
Das Innenministerium äußerte sich bisher nicht zu den Enthüllungen von Reporter.lu. Die Beamtengewerkschaft FGFC aber sieht Ministerin Taina Bofferding sowie auch Syvicol-Präsident Emile Eicher (CSV) in der Verantwortung, Stellung zu beziehen, wie sie in einer Pressemitteilung betont.
Eine Reaktion der Innenministerin fordert auch der Abgeordnete François Benoy (Déi Gréng) in einer parlamentarischen Anfrage. Konkret will er wissen, ob die Ministerin Details über die Vorwürfe an die Adresse des SIGI hat und als wie schwerwiegend und stichhaltig sie diese einschätzt. Der Parlamentarier schreibt, dass in den vergangenen Jahren immer wieder Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Verwaltungs- und Finanzierungsmanagement des SIGI-Direktors, dem dortigen schwierigen Arbeitsklima sowie einer fehlenden politischen Kontrolle dieses Syndikats laut geworden seien.
François Benoy verweist denn auch auf eine anonyme E-Mail im Jahre 2017, in der die Syndikatsmitglieder in einem 30-seitigen Dokument auf eine mutmaßliche Veruntreuung von Geldern aufmerksam gemacht wurden. Diesbezüglich will der Abgeordnete erfahren, ob das Innenministerium seit 2017 beim SIGI Kontrollen in Bezug auf die Verwaltung und die Finanzen durchgeführt hat. Sollte dies nicht der Fall sein, fragt François Benoy, ob die Ministerin eine tiefergehende Untersuchung einzuleiten gedenkt.
Die Antwort von Taina Bofferding auf die Frage des Abgeordneten von Déi Gréng steht noch aus. Fest steht hingegen, dass die Innenministerin im parlamentarischen Ausschuss für innere Angelegenheiten zeitnah zu den im Raum stehenden Kontroversen Rede und Antwort stehen wird. Der Piraten-Abgeordnete Marc Goergen hatte einen solchen Antrag gestellt.


