Seit über einem Monat ist das „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) nicht mehr öffentlich zugänglich. Dabei war es ein unumgängliches Werkzeug für journalistische Arbeit. Ein Überblick zu Recherchen, bei denen sich Reporter.lu auf das RBE stützte.
Der 22. November 2022 wird als schwarzer Tag für die Transparenz in die Geschichtsbücher eingehen. Es war der Tag, an dem Luxemburg, nur ein paar Stunden nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, beschloss, dem „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) den Stecker zu ziehen. Sprich: Die Öffentlichkeit sollte keinen Zugang mehr zu dem Register erhalten, in dem die wirtschaftlichen Eigentümer der in Luxemburg angemeldeten Gesellschaften und Firmen vermerkt sind.
Dabei war das RBE lange das beste Argument von Luxemburger Politikern und Akteuren des Finanzplatzes, um das Land gegen Vorwürfe, es sei eine reine Steueroase, zu verteidigen. Nach dem Motto: Wie kann Luxemburg eine Steueroase sein, wenn es eine solche Transparenzmaßnahme vorbildlich umgesetzt hat? Zudem wurde sie noch vor den meisten Nachbarländern auf den Weg gebracht und garantierte auch den öffentlichen, anonymen und kostenlosen Zugriff zum RBE.
Bestes Argument gegen « Attacken »
Es war eines der Argumente, das Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) Anfang Februar 2021 vor der parlamentarischen Justizkommission anführte, als diese über die „OpenLux“-Recherche debattierte. Bei „OpenLux“ – einer von „Le Monde“ und dem « Organized Crime and Corruption Reporting Project » (OCCRP) koordinierten Recherche – war das RBE heruntergeladen und durchsuchbar gemacht worden.
„Frau Ministerin verweist in diesem Kontext darauf, dass sie der Meinung ist, dass der Fakt, dass Journalisten sich bei ihren Recherchen eben auf die im RBE enthaltenen Daten basierten, eben gerade beweist, dass Luxemburg die nötigen Anstrengungen unternommen hat, um die Vorgaben der fünften Anti-Geldwäsche-Richtlinie zu respektieren“, verzeichnet diesbezüglich das Sitzungsprotokoll der Abgeordnetenkammer.
Von der « SuperDrecksKëscht » …
Das RBE wurde so, vor allem für den investigativen Journalismus, im Laufe der Jahre zu einem wichtigen Instrument. Das Register erlaubte es, Informationen zu prüfen und Verhältnisse zu klären, die fundamental wichtig sind für alle Arten von Recherchen, die auch Reporter.lu betreibt.
Dabei ging es nicht nur darum, einen Blick in die Briefkastenfirmen-Portfolios von Milliardären und anderen „High Net Worth Individuals“ zu erhaschen, sondern auch um lokale Themen. Eine Recherche wie die zur „SuperDrecksKëscht“, bei der Reporter.lu das Finanzgebaren der Firma „Oeko-Service Luxembourg“ (OSL) und ihres Eigentümers Hans-Peter Walter enthüllen konnte, wäre ohne Zugriff auf das RBE kaum möglich gewesen. Nur das Register konnte belegen, wem welche Gesellschaften gehören.
Auch die regelmäßige Berichterstattung über die Nebenverdienste von Abgeordneten wären ohne Zugriff auf das RBE nicht so präzise gewesen. Wären diese Daten nicht frei zugänglich gewesen, wären manche wichtige Informationen nicht zweifelsfrei belegbar gewesen.
… über den « Filz in Wiltz » …
Nicht nur im Parlament, sondern auch auf kommunaler Ebene war das Register für unsere Recherchen unabdingbar: Die Immobiliendeals des Wiltzer Bürgermeisters Fränk Arndt (LSAP), über die Reporter.lu im März dieses Jahres berichtete, wären ohne das RBE in dieser Form nicht oder zumindest viel schwieriger nachvollziehbar gewesen.
Ebenfalls kaum möglich ohne Zugriff auf das RBE: Alltägliche Geschichten, wie etwa die Recherche über eine Betrugsmasche, bei der mit falschen Handwerksfirmen in Not geratene Bürger getäuscht wurden. Ohne Zugriff auf das Register wäre es schwer möglich gewesen, das komplexe Netzwerk von Firmen zu durchleuchten. Gleiches gilt für die Recherchen von Reporter.lu zur umstrittenen « Seniorenresidenz » in Diekirch, die bis heute für politische Kontroversen sorgt.
Auch die Gerichtsberichterstattung von Reporter.lu wird durch den fehlenden Informationszugang behindert. Es ist weitaus schwieriger, komplexen Prozessen zu folgen, ohne zu wissen, wer der Eigentümer hinter den Firmenstrukturen ist.
… bis zu Oligarchen und Pornohändlern
Hinzu kommt: Viele internationale journalistische Kollaborationen hätte es ohne das RBE so nicht gegeben: So etwa das vom OCCRP Anfang 2022 ins Leben gerufene Projekt „Russian Asset Tracker“, an dem Reporter.lu teilnahm. Nur durch das RBE war es möglich, zweifelsfrei zu klären, dass Oligarchen wie Gennady Timschenko oder Arkady Rotenberg Vermögenswerte über in Luxemburg angesiedelte Briefkastenfirmen halten. Zwar wurden die Firmen der Oligarchen, über die „OpenLux“-Datenbank gefunden – aber ohne Abgleich mit dem aktuellen RBE sind diese Informationen nutzlos.
Vorangegangene Recherchen, wie etwa über den Oligarchen Mikhail Fridman, wären ebenfalls im Sand verlaufen. Ohne die präzisen Angaben zu den Anteilen, die der Russe an 67 Gesellschaften hält, wäre es uns unmöglich gewesen, eine Einschätzung seines in Luxemburg eingefrorenen Vermögens vorzunehmen.
Wie kam Luxemburg zum RBE?
Das „Registre des bénéficiaires effectifs“ (RBE) leitet sich aus der fünften Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU ab. Ganz freiwillig hat sich Luxemburg der vollen Transparenz in Sachen Eigentümer-Register also nicht verschrieben. Denn vorher hatte es die erste blau-rot-grüne Koalition versäumt, die vierte Richtlinie in die nationale Gesetzgebung umzusetzen. Das befand im Dezember 2017 die EU-Kommission und drohte mit einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof. Nur unter diesem Druck trat die Regierung die Flucht nach vorne an und machte Luxemburg zu einem vorbildlichen „early adopter“ der folgenden Richtlinie.
Die Einträge im RBE sind dabei auch nicht immer zufriedenstellend: Wer weniger als 25 Prozent eines Unternehmens besitzt, muss sich nicht eintragen. Auch börsennotierte Unternehmen sind von einer Auskunftspflicht ausgenommen. Minderjährige sowie Personen, die sich durch die Veröffentlichung dieser Informationen – Name, Geburtsort, Datum und Nationalität sowie den Prozentsatz der Anteile – bedroht fühlen könnten, konnten beim Verwalter des RBE, dem „Luxembourg Business Registers“ (LBR), eine Ausnahme beantragen.
Die Schattenseiten des Finanzplatzes auszuloten und dabei auf die Unzulänglichkeiten des RBE hinzuweisen, gelang etwa mit der Recherche zur Porno-Plattform „Pornhub“, die mit der Firma „Mindgeek“ ihren Sitz in Luxemburg hat. Der lange geheim gebliebene Mehrheitseigner versteckte seine Identität hinter undurchsichtigen Briefkastenfirmen und hatte auch gegen die Veröffentlichung seines Namens im RBE geklagt. Letztlich ermöglichte das Register die Bestätigung für Reporter.lu, aber auch Journalisten der « Financial Times », dass der Österreicher und Ex-Goldman-Sachs-Banker die Firma kontrolliert, der vorgeworfen wird, Vergewaltigungsvideos von Minderjährigen gestreamt zu haben.
Einen weiteren Grenzbereich zeigte das Projekt „BabyLux“ auf: Gemeinsam mit dem OCCRP enthüllte Reporter.lu Anfang dieses Jahres, dass Minderjährige im RBE öfters als Strohmänner für ihre korrupten oder kriminellen Familien geradestehen müssen. Eine Analyse des Justizministeriums zu dieser Thematik steht übrigens noch aus.
Schnelle, aber prekäre Abhilfe für die Presse
Wie geht es nun weiter? Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes und der Schließung des RBE für die Öffentlichkeit in Luxemburg setzte zunächst ein Dominoeffekt ein: Belgien, die Niederlande, Österreich, Deutschland, Malta und Zypern folgten Luxemburgs Regierung und schlossen ihrerseits die Register.
Nun gibt es in Luxemburg aber einen Hoffnungsschimmer: Knapp eine Woche nach der abrupten Einstellung des RBE gab es Zusammenkünfte im Justizministerium zwischen Verantwortlichen des Verwalters „Luxembourg Business Registers“ (LBR) und Fachleuten des Finanzplatzes – die das Register auch brauchen, um ihren Anti-Geldwäsche-Pflichten nachzukommen – sowie mit dem Presserat. Infolge dieses Austausches wurde eine Konvention zwischen Presserat und LBR unterschrieben.
Demnach sollen professionelle Journalisten, die über eine Pressekarte verfügen, sich ab dem 2. Januar über den Presserat für einen Zugang zum RBE anmelden können. Die Nachteile: Wer sich ins Register einklinken will, muss dies über sein persönliches „LuxTrust“-Token tun – ein anonymer Zugriff ist somit nicht mehr möglich. Hinzu kommt, dass die Frage nach einem Zugang für ausländische Journalisten, die durchaus auch ein legitimes Interesse haben können, auf dem globalisierten Luxemburger Finanzplatz zu recherchieren, noch ungeklärt ist. Von einem Zugang für NGOs oder der breiten Öffentlichkeit ganz zu schweigen.
Hoffnungsschimmer neue Richtlinie
Schwerer wiegt nur noch die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Lösung. Den Zugang für die Medien über den Presserat zu regeln, mag in Luxemburg und einigen Nachbarländern funktionieren. Aber was ist mit Ländern wie Ungarn oder Polen, in denen die Pressefreiheit – und damit auch die Presseräte – unter massivem politischen Druck stehen? Hinzu kommt, dass auch dieser Zugang vor Gericht angefochten werden kann.
An einer europaweiten Lösung führt demnach kein Weg vorbei. Und diese ist mit der sechsten Anti-Geldwäsche-Richtlinie, die auf der Zielgeraden ist, in greifbarer Nähe. Nur muss nun schleunigst gehandelt werden. Dies meint zumindest Maira Martini von „Transparency International: „In Bezug auf die neue Richtlinie gibt es zwei Szenarien“, erklärt die Expertin im Gespräch mit Reporter.lu. „Es ist die Chance, das legitime Interesse an diesen Daten neu zu definieren. »
Derzeit arbeitet das Europaparlament noch an seinem Vorschlag, der Rat hat seinen Entwurf kürzlich publiziert. Und dieser sieht für die Öffentlichkeit schlecht aus. Die Definition eines legitimen Interesses aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs wird beispielsweise nicht übernommen. Zudem könnte noch eine weit gefährlichere Tür geöffnet werden: EU-Staaten soll freigestellt werden, jene Eigentümer, deren Informationen abgerufen wurden, zu benachrichtigen und ihnen die Identität derer preiszugeben, die nach ihnen gesucht haben. Im Klartext: Wer im Register etwa nach Mafia-Angehörigen oder Drogenhändlern sucht, dürfte es sich dann zweimal überlegen, ehe er weiterklickt.
Als längerfristige Perspektive sieht Maira Martini die Arbeit an einer anderen EU-Gesetzgebung, etwa zur Verpflichtung einer Firmentransparenz. „Aber wenn dies gelingen sollte, wird es wohl sechs bis acht Jahre bis zu einer Umsetzung dauern. Und all diese Jahre werden für die Transparenz verloren sein“, warnt sie. Schlussendlich sei die Frage nach der Transparenz aber abhängig von der Bereitschaft der EU-Kommission, Verantwortung zu übernehmen: „Nur wenn die Kommission sich traut, das Heft in die Hand zu nehmen, kommen wir voran. Wälzt sie die Verantwortung aber auf die Mitgliedstaaten ab, kann dies katastrophale Folgen haben.“




