Die Polizeireform von 2018 beschäftigt weiter die Gerichte. Nun liegen die ersten Urteile vor. Für viele betroffene Beamte bringen sie große Ernüchterung mit sich. Sie fühlen sich weiterhin diskriminiert und befürchten Folgen für die polizeiliche Arbeit im Alltag.
Polizisten stehen per Definition auf der Seite des Gesetzes und gehen nicht gegen es vor. Doch genau das geschieht derzeit vor dem Verwaltungsgericht in Luxemburg. Der Hintergrund: Rund 120 Beamte haben Klage gegen das Polizeigesetz von 2018 eingereicht. Die vom damaligen Minister für Innere Sicherheit, Etienne Schneider (LSAP), verantwortete Reform sah unter anderem eine Angleichung der Laufbahnen bei der Polizei an jene des restlichen Staatsdienstes vor.
Wer sich seitdem für eine Karriere im Polizeidienst entscheidet und einen Sekundarschulabschluss hat, wird automatisch in die Gehaltsstufe B1 eingegliedert. Das Problem daran: Vor der Reform gab es keinen Mittleren Dienst. Wer damals Polizist wurde, wurde automatisch in die « Carrière inférieure » eingegliedert, deren Äquivalent beim Staat die Besoldungsstufe C1 ist. Eine Situation, an der auch die Reform nichts ändern sollte. In der Praxis heißt das: Selbst wer einen Sekundarschulabschluss hatte, blieb nach der Reform weiterhin im untergeordneten Dienst eingestuft und das ohne Möglichkeit, in eine höhere Stufe befördert zu werden. Zumindest nicht ohne Weiteres.
Mitte November hat das Verwaltungsgericht den betroffenen Polizisten in gleich fünf Urteilen in erster Instanz nicht Recht gegeben. Ihre Anwälte hatten vor Gericht argumentiert, dass bei anderen Reformen im Staatsdienst, etwa bei Förstern, Beamte mit einem Sekundarschulabschluss automatisch in die B1-Laufbahn integriert würden. Dass Polizisten nicht dasselbe Recht zustehe, komme dabei einer juristischen Ungleichbehandlung gleich.
Fehlende gesetzliche Basis
In der Urteilsbegründung liefern die Richter eine etwas überraschende Erklärung für ihr Urteil. Das Gericht erklärt sich für die Frage schlicht nicht zuständig. Der Grund: Da das Gesetz keine automatische Neueinstufung (« reclassement ») der betroffenen Beamten vorsieht, habe ein entsprechender Antrag der Beamten keine Rechtsgrundlage. Unabhängig davon, ob diese in anderen Fällen besteht. Es ist eine Argumentation, die auch das zuständige Ministerium für Innere Sicherheit vor Gericht vorgebracht hatte. Dazu hält das Urteil aus erster Instanz fest: « (…)le ministre n’a justement pas invoqué de base légale pour justifier son refus, mais bien l’absence de base légale pour lui permettre d’accueillir favorablement la demande lui adressée par la partie demanderesse. »
Wir reden hier von rund 600 Beamten, die keine Perspektive auf einen Karriereaufstieg haben und deren Weiterbildungen schlicht nicht gewürdigt werden. »Mich Mangen, ADESP-Präsident
Die Polizisten können einer neuen Laufbahn demnach nicht zugeordnet werden, weil das im Gesetz nicht so vorgesehen ist. Die betroffenen Beamten befinden sich somit im juristischen Niemandsland.
Die Rechtsanwältin und DP-Abgeordnete Carole Hartmann vertritt zusammen mit dem Anwalt Pol Urbany rund 120 Beamte vor Gericht. Im Gespräch mit Reporter.lu unterstreicht die Juristin den speziellen Charakter der Fälle: « Wir sind uns bewusst, dass der Prozess ein ungewöhnlicher Vorgang ist, schließlich fordern wir etwas, was so nicht im Gesetz vorgesehen ist. Aber unserer Ansicht nach geht es um das Gleichheitsprinzip in der Verfassung. »
Die Position des Verfassungsgerichtshofs
Deshalb haben die Anwälte den Verfassungsgerichtshof auch mit einigen konstitutionellen Fragen befasst. Diese betreffen einen weiteren Aspekt der Karrieremöglichkeiten bei der Polizei. Nämlich, dass einem Teil der Beamten mit der Gesetzesreform die Möglichkeit der sogenannten « Voie expresse » eröffnet wurde, um in eine höhere Gehaltsstufe zu wechseln.
Dabei wird vor allem die Dienstzeit als ausschlaggebendes Kriterium im Polizeigesetz von 2018 festgelegt. Nicht aber die Qualifikationen. Zudem ist die Möglichkeit auf 20 Prozent der betroffenen Polizisten begrenzt. Eine Eingrenzung, die es so bei anderen Anpassungen der Berufslaufbahnen beim Staat nicht gab. Der Argumentation der Anwälte zufolge stelle dies ebenfalls einen Verstoß gegen Artikel 10bis der Verfassung dar, nach dem alle Luxemburger vor dem Gesetz gleich sind.
Am vergangenen Freitag hat der Verfassungsgerichtshof sein Urteil gesprochen und der Argumentation der Verteidigung ebenfalls nicht stattgegeben. Die Begründung der Richter: Die Situation der Polizeibeamten sei zu spezifisch, um sie mit anderen Staatsbeamten zu vergleichen. Sie müsse demnach gesondert betrachtet werden. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip liege also nicht vor.
Enttäuschung über die Urteile
Die Verteidigung der Polizeibeamten zeigt sich nach dem Urteil enttäuscht. Carole Hartmann erklärt: « Das Urteil legt uns im weiteren Prozess natürlich Steine in den Weg. Da muss man ehrlich sein. Es geht aber auch um die Strahlkraft für den gesamten Staatsdienst. Die Beamten bekommen quasi gesagt: Wenn dein Karriereweg gesetzlich eine Sackgasse ist, kannst du nichts dagegen machen. »
Auch die betroffenen Polizeibeamten sind mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs unzufrieden. Gewerkschaftlich vertreten werden sie durch die « Association du personnel policier détenteur d’un diplôme de fin d’études secondaires de la police grand-ducale » (ADESP). Laut Präsident Mich Mangen vertritt die Organisation aktuell die Interessen von rund 600 Beamten. Für den Polizeibeamten, der in der Verfolgung von Finanzstraftaten arbeitet, bleibt die Lage der Beamten weiterhin bedauerlich. « Wir reden hier von rund 600 Beamten, die keine Perspektive auf einen Karriereaufstieg haben und deren Weiterbildungen schlicht nicht gewürdigt werden », erklärt Mich Mangen.
Das Argument, dass sich die Beamten dem Aufnahmeexamen erneut stellen können, lässt der Polizeigewerkschaftler indes nicht gelten: « Das sind Beamte, die zehn, 20 Jahre Erfahrung haben. Die stehen dann wieder bei null und müssten teilweise finanzielle Verluste in Kauf nehmen. »
Mögliche Folgen für den Polizeialltag
Laut Mich Mangen könnte die andauernde Diskriminierung auch Folgen für die praktische Polizeiarbeit haben. « Im Polizeiumfeld erkenne ich eine Tendenz, dass ältere Kollegen, die sich noch in der alten Laufbahn befinden, nicht mehr bereit sind, junge Polizeianwärter auszubilden, » erklärt Mich Mangen. Ältere Kollegen würden schlicht nicht einsehen, dass sie Berufsanfängern, die sich de facto in einem höheren Dienstgrad befinden, die Polizeiarbeit vermitteln müssten, während sie selbst auf lange Sicht keine Chance auf einen höheren Dienstgrad haben.
Die Folgen des Urteils des Verwaltungsgerichts in erster Instanz sind derweil noch nicht abzusehen. Die Anwältin Carole Hartmann betont, dass man in der Kanzlei aktuell noch weitere Handlungsmöglichkeiten prüfe. Sich auf ein Berufungsverfahren festlegen, wolle man jedoch noch nicht, erklärt sie gegenüber Reporter.lu. Für die ADESP steht hingegen bereits fest, dass der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen ist und zahlreiche Beamte eine Berufung ins Auge fassen.
Es geht auch um die Strahlkraft für den gesamten Staatsdienst. Die Beamten bekommen quasi gesagt: Wenn dein Karriereweg gesetzlich eine Sackgasse ist, kannst du nichts dagegen machen. »Carole Hartmann, Anwältin und DP-Abgeordnete
Politisch hat das Urteil des Verfassungsgerichts bereits Folgen. Am 30. November hat der CSV-Abgeordnete Léon Gloden eine Motion im Parlament eingereicht. Darin stellt er fest, dass die Urteile vor dem Verfassungsgericht unter anderem darauf begründet seien, dass es keine gesetzliche Basis für die Forderungen der Beamten gebe. Deshalb fordert er die Regierung formell auf, dem Parlament einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine entsprechende Basis schafft. Dieser solle eine automatische Neueinstufung der Beamten von der Gehaltsstufe C1 in die Gruppe B1 möglich machen.
Auf ihre Doppelrolle als Abgeordnete einer der Mehrheitsparteien und als Anwältin angesprochen, ist die Antwort von Carole Hartmann eindeutig: « Ich habe vor Antritt meines Mandats lange darüber nachgedacht, ob ich weiter arbeiten soll. In diesem konkreten Fall bin ich hundertprozentig nur Anwältin. » Sollte es zu einer Gesetzesanpassung kommen, würde sie den Parlamentspräsidenten auf ihren Interessenkonflikt aufmerksam machen und der Abstimmung fernbleiben. Zudem habe sie sich schon bei ihrem Eintritt ins Parlament bewusst gegen eine Mitgliedschaft in den Kommissionen für Innere Sicherheit und für den Öffentlichen Dienst entschieden, um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, betont Carole Hartmann abschließend.
Dass das Parlament mit einem neuen Gesetzentwurf befasst wird, ist derzeit auch eher unwahrscheinlich. Wie die Pressestelle des Ministeriums für Innere Sicherheit auf Nachfrage von Reporter.lu erklärt, nehme Minister Henri Kox (Déi Gréng) die Urteile zur Kenntnis. Des Weiteren teilt das Ministerium mit, dass die Regierung nicht plane, Änderungen an einem Gesetz vorzunehmen, welches erst vor drei Jahren verabschiedet wurde. Eine automatische Neueinstufung der betroffenen Beamten sei somit in nächster Zukunft nicht vorgesehen. Das Ministerium habe durch eine großzügige Auslegung der « Voie expresse » bereits ermöglicht, dass schon jetzt möglichst viele Beamte von der Besoldungsstufe B1 profitieren könnten, so das Ministerium für Innere Sicherheit zum Schluss.


