Seit Blau-Rot-Grün regiert, ist der Beamtenstaat so stark gewachsen wie nie zuvor. Jetzt soll die Zahl der politischen Beamten weiter angehoben werden. Die Regierungsparteien versprechen sich davon mehr Flexibilität, zementieren so aber auch ihre Macht.
Nach zehn Jahren Dreierkoalition könnte sich die Zahl der politischen Beamten fast verdoppeln. Vor dem Regierungswechsel im Jahr 2013 lag die Obergrenze zur Einstellung von hohen Beamten noch bei 82. Seitdem wurde das Pensum schrittweise erhöht. Geht es nach den Plänen der Regierung, soll der Grenzwert jetzt auf 150 angehoben werden.
Hintergrund ist die Verfassungsreform. Durch diese muss das Parlament in den kommenden Monaten mehrere neue Gesetze verabschieden, weil die alten Texte sich noch auf das aktuelle Grundgesetz beziehen. Die Regierung nutzt die Gelegenheit, um die Anzahl der politisch nominierten Beamten wesentlich zu erhöhen. Doch nicht nur das: Denn während bisher für jede Kategorie eine Maximalzahl festgelegt wurde, ist im neuen Text davon keine Rede. Nach der Reform gilt nur noch die neue Höchstzahl von politischen Beamten – ohne Berücksichtigung ihres Dienstgrades.
Das neu geschaffene Pensum soll aber nicht sofort aufgebraucht werden. In der Begründung der geplanten Reform heißt es, man wolle sich einen gewissen Spielraum lassen, da die Anzahl in Zukunft nur noch per Gesetz und nicht mehr per Regierungsbeschluss angepasst werden kann. Bei der letzten Anhebung wurde die Maximalzahl jedoch fast vollständig ausgenutzt. Nur zwei Monate nachdem die Regierung im Jahr 2018 beschloss, 38 neue hohe Beamtenstellen zu schaffen, wurden bereits 28 dieser Posten besetzt.
Reform noch vor den Wahlen
Ob dies erneut der Fall sein wird, hängt maßgeblich von der Verfassungsreform ab. Zwar sind die vier Texte der Reform bereits ein erstes Mal vom Parlament verabschiedet worden, doch das zweite Votum steht noch aus. Erst sechs Monate nach dieser zweiten Abstimmung tritt die Verfassungsreform gemeinsam mit anderen Gesetzen, darunter auch der Text zur Anzahl der politischen Beamten, in Kraft.
Der jetzige Plan sieht vor, dass diese Abstimmung noch Anfang Dezember stattfinden soll. Die Verfassungsreform könnte also noch kurz vor den Nationalwahlen im kommenden Oktober in Kraft treten. Theoretisch könnte die Regierung also noch eine große Zahl von Beamten ernennen, die unabhängig von der Zusammensetzung der nächsten Regierung im Staatsdienst bleiben würden.
Neue Ernennungen seit Mai 2020
- Liz Thielen (Conseillère de Gouvernement, zunächst im Staats-, jetzt im Tourismusministerium)
- Frank Goeders (Conseiller de Gouvernement 1ère Classe, Innenministerium)
- Patricia Vilar (Conseillère de Gouvernement, Innenministerium)
- Bob Greis (Conseiller de Gouvernement 1ère Classe, Arbeitsministerium)
- Laurent Thyes (Conseiller de Gouvernement 1ère Classe, Justizministerium)
- Jeff Feller (Premier Conseiller de Gouvernement, Staatsministerium)
- Marc Fischer (Premier Conseiller de Gouvernement, Konsumentenschutz)
- Vanessa Tarantini (Première Conseillère de Gouvernement, zunächst im Arbeits-, jetzt im Sportministerium)
- Christian Keup (Conseiller de Gouvernement, Finanzministerium)
- Marianne Mousel (Première Conseillère de Gouvernement, Umweltministerium)
- Martine Molitor (Première Conseillère de Gouvernement, Bildungsministerium)
- Gilles Dahmen (Premier Conseiller de Gouvernement, Bildungsministerium)
Im Sommer vor den letzten Wahlen hatte die Regierung etwa noch vier Beamte ernannt. Zurzeit sind rund 100 von möglichen 126 Stellen besetzt. Davon werden die sechs Posten als „Administrateur général“ ohnehin freigelassen. Der höchste Posten in der Regierungsverwaltung wurde von Blau-Rot-Grün nicht neu besetzt. Selbst ohne die Anpassung der Zahl von hohen Beamten, besitzt die Regierung daher noch Spielraum für weitere Ernennungen.
Sogenannte politische Beamte sind laut Gesetz unmittelbar der Regierung beigeordnet. Die betroffenen Personen müssen kein Staatsexamen absolvieren, sondern werden direkt vom Kabinett ernannt und an die Spitze der Beamtenkarriere befördert. Zudem ist ihre Mandatsdauer nicht an die Legislaturperiode gebunden. Die Dauer von sieben Jahren für die höchsten Posten soll sicherstellen, dass sie im Sinne des Landes und nicht unbedingt in jenem einer Partei handeln. Dennoch ist nach einem Regierungswechsel eine vollständige Abkehr der Politik der letzten Jahre mit der Unterstützung der Beamten, die diese maßgeblich mitgestalteten, kaum zu erwarten.
Politisch nominierte Staatsdiener
Die Mandatsbegrenzung gilt jedoch nur für die Ersten Regierungsräte (« Premier Conseiller de Gouvernement ») und die „Administrateurs généraux“. Für andere hohe Beamte wie etwa den „Conseiller de Gouvernement 1ère classe“, den „Conseiller de Gouvernement“ und den „Conseiller de Gouvernement adjoint“ gilt die Ernennung auf Lebenszeit. Trotz der Verpflichtung gegenüber dem Staat und nicht einer Regierungspartei wurden viele Beamte – wie schon bei früheren Regierungskonstellationen – aus dem Umfeld der Koalitionsparteien DP, LSAP und Déi Gréng ernannt.
Die Regierungsparteien haben bei den rezenten Nominierungen alle mindestens einen ehemaligen Mitarbeiter der Fraktion zum Beamten ernannt. Als Georges Engel Minister wurde, machte er etwa Vanessa Tarantini, ehemalige Fraktionssekretärin der LSAP, zur Beamtin im Arbeitsministerium. Kürzlich stieg sie in den Rang einer Ersten Regierungsrätin auf und arbeitet fortan im Sportministerium. Dort wurde durch das abgelaufene Mandat von Laurent Deville eine Stelle frei. Er ist einer der wenigen Beamten, dessen Mandat von sieben Jahren von dieser Regierung nicht verlängert wurde.
Doch auch ohne Erneuerung des Mandats können politische Beamte im öffentlichen Dienst bleiben. Trotz des fehlenden Staatsexamens können sie nach ihrem Mandat weiter als Beamte in den üblichen Dienstgraden beim Staat weiterarbeiten. Es handelt sich dabei um einen Kompromiss, der beim Gesetz über Beamte in leitenden Funktionen im Jahr 2005 gefunden wurde. Denn zuvor war selbst für Erste Regierungsräte keine Mandatsbegrenzung vorgesehen. Laurent Deville hat von dieser Möglichkeit profitiert und ist nun bei der Arbeitsinspektion ITM beschäftigt.
Beamtenkarussell dreht sich langsamer
Die Nominierungen haben in den letzten Jahren wieder abgenommen. In zweieinhalb Jahren wurden etwa nur zwölf hohe Beamte ernannt. Zum Vergleich: Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat die Regierung in nur neun Monaten elf Beamte nominiert. Dafür gab es jedoch mehrere Wechsel innerhalb der Ministerien.
Liz Thielen, ehemalige Pressesprecherin des Premierministers, ist etwa ins Tourismusministerium gewechselt. Anne Heniqui ist indes zuerst vom Bildungs- zum Kooperationsministerium und anschließend zum Gesundheitsministerium übergegangen. Frank Reimen ist vom Ministerium der Inneren Sicherheit in das Wirtschaftsministerium gewechselt. Marianne Mousel war bereits im Umweltministerium beschäftigt und stieg nach dem Mandatsantritt von Ministerin Joëlle Welfring (Déi Gréng) zur Ersten Regierungsrätin auf. Anne Calteux ist vom Gesundheitsministerium zur Europäischen Kommission gewechselt. Für diese Arbeit wird sie vom Staat freigestellt, den Titel der Ersten Regierungsrätin konnte sie somit behalten.
Für mehrere Beamte wurde das Mandat als Erster Regierungsrat zudem kürzlich erneuert. Dazu zählen Pierre Lammar, Daniel Theisen (beide Familienministerium), Lex Folscheid (Bildungsministerium), Jeff Fettes (Staatsministerium), Gaston Schmit (Digitalisierungsministerium), Jean-Paul Marc (Ministerium des öffentlichen Dienstes) oder Léon Diederich (Hochschulministerium).
Die Praxis der politisch nominierten Spitzenbeamten führte in der Vergangenheit immer wieder zu Debatten über Sinn und Zweck dieser Praxis. Teile der Opposition kritisieren etwa regelmäßig, dass die Koalitionsparteien damit kommende Regierungen vor vollendete Tatsachen stellen würden. Die Dreierkoalition hat in ihrer Amtszeit indes kein Interesse an einer strukturellen Reform des wachsenden Beamtenstaates erkennen lassen.


