Die CSV soll Liberalen und Sozialisten eine Koalition angeboten haben. Was wie ein ernsthafter Versuch zur Rückkehr an die Macht klingt, ist vor allem Ausdruck der dauerhaften Verzweiflung der Christsozialen. Blau-Rot-Grün nutzt diese Schwäche nun taktisch für sich aus. Eine Analyse.

Eigentlich waren die Nachwehen der Traversini-Affäre in dieser Woche das prägende politische Thema. Seit diesem Freitag hat sich die mediale Debatte aber verlagert. Wie das « Lëtzebuerger Land » unter Berufung auf Regierungskreise schreibt, habe die CSV « über Mittelsmänner » der DP und der LSAP jeweils ein Angebot gemacht, um eine Koalition einzugehen.

Laut „RTL“ und „Radio 100,7“ bestätigten dies sowohl DP-Parteichefin Corinne Cahen als auch Vizepremier Etienne Schneider (LSAP). CSV-Parteichef Frank Engel dementiert dagegen, dass es formale Koalitionsangebote gegeben habe. Gleichzeitig bestätigt er im Gespräch mit REPORTER aber « Gespräche » über solche Fragen und damit den Kern des Berichts im « Land ». Laut Engel seien die entsprechenden Spekulationen aber gezielt durch einzelne Koalitionspolitiker gestreut worden.

So langsam dämmert es den Christsozialen also, dass sie in dieser Debatte nur den Kürzeren ziehen können. Grüne Affären hin oder her: Die Idee, dass sich DP oder LSAP allein deshalb zum Koalitionsbruch entschließen, um mit der CSV eine Regierung zu bilden, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Dass es entsprechende Hoffnungen in den vergangenen Tagen verstärkt gab, bestreitet in der CSV niemand. Dass diese Erwägungen an die Öffentlichkeit gelangen, hilft aber letztlich nur den aktuellen Koalitionsparteien.

Ein cleverer, nicht ganz neuer Schachzug

Denn mit den Diskussionen um das « unmoralische Angebot » (« Lëtzebuerger Land ») der CSV  schlägt Blau-Rot-Grün gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits ermöglicht es DP, LSAP und Déi Gréng, die eigenen Reihen zu schließen und nach außen hin Geschlossenheit zu demonstrieren. Andererseits lenken die Spekulationen wunderbar von der Regierungsumbildung, den jüngsten Debatten um die Rolle von Umweltministerin Carole Dieschbourg in der Causa Traversini und weiteren Kontroversen wie der « Datenbanken-Affäre » ab.

Der Versuch, auf so plumpe Art und Weise einen Keil zwischen die Dreierkoalition zu treiben, mutet ziemlich absurd an. Dieser kopf- und planlosen CSV traut man diesen Schritt aber allemal zu. »

Zudem schwächt die ungeahnte Debatte um die christlich-sozialen Avancen nur eine Partei: die CSV selbst. Schon nach den Wahlen von 2013 hatte Xavier Bettel persönlich das Gerücht gestreut, wonach ein CSV-Politiker ihm eine Koalition angeboten habe und dafür einiges zu opfern bereit sei. Details oder den Namen des CSV-Übermittlers wollte der Premier aber nie nennen. Die Wirkung dieser mehrmals wiederholten Andeutung war klar: Die CSV sucht verzweifelt nach einem Weg zurück an die Macht, doch die Dreierkoalition lässt sich davon nicht beeindrucken.

Auch dieses Mal kommt die Bestätigung des « Angebots » wohlgemerkt nur von einer Seite. Dass Etienne Schneider und Corinne Cahen den Bettel’schen Coup gerade jetzt wiederholen, lässt zwar aufhorchen. Doch die Gerüchte kommen nicht von ungefähr. Schon länger hört man hinter den Kulissen, dass sich CSV- und DP-Politiker informell über solche Fragen austauschen. Gäbe es die Gelegenheit zur Übernahme von Regierungsverantwortung, stünde die CSV selbstverständlich bereit.

Genau deshalb ist die Bestätigung seitens der DP und der LSAP solch ein cleverer, wirkungsvoller Schachzug. Denn die Gegenseite kann diese Gespräche nicht glaubwürdig dementieren. Das taktische Manöver der Dreierkoalition hat jedoch auch seine Grenzen. Dass die CSV nämlich so verzweifelt wäre, in einer Koalition mit der LSAP einen Premierminister Etienne Schneider zu akzeptieren, wie es in den Medienberichten auch heißt, sprengt jegliche politische Vorstellungskraft.

CSV untermauert ihr strategisches Problem

Unabhängig davon, ob es sich um ein handfestes « Angebot » oder nur unverbindliche « Gespräche » handelte, treffen die daran anschließenden Spekulationen in der Öffentlichkeit die CSV unvorbereitet. An der Reaktion von Frank Engel, Martine Hansen und Co. zeigt sich, dass die Partei wie schon 2013 ohne jegliches strategisches Gespür in die blau-rot-grüne Falle tappt. Den jetzt aufgeflammten Diskussionen hat sie nichts entgegenzusetzen. Angesichts der Vorgeschichte hätte sie es besser wissen können.

Die CSV ist auf dem besten Weg, bei den Wahlen 2023 das Triple der verpassten Chancen perfekt zu machen. »

Somit bestätigen und verstärken die entsprechenden Medienberichte das Bild der CSV als verzweifelte, machtbesessene Partei. Ihre Obsession der vergangenen Wochen, die grüne Regierungspartei einseitig schwächen zu wollen, um so an die Regierung zu kommen, könnte sich allerdings noch rächen. Denn wie schon 2013 und 2018 führt auch bei den nächsten Wahlen kein Weg an einem Koalitionspartner vorbei. Und die CSV ist gerade dabei, sich mindestens eine Machtoption mittelfristig zu verbauen.

Die größte Oppositionspartei scheint denn auch ihr wirkliches Problem immer noch nicht erkannt zu haben. 2013 und 2018 scheiterte sie nicht nur am unbedingten Machtwillen der anderen Parteien. Sie hat sich auch selbst und eigenmächtig als potenzieller Partner unmöglich gemacht (2013) bzw. keine ausreichenden Argumente geliefert, warum gerade sie unbedingt wieder an die Macht kommen soll (2018). Die CSV ist auf dem besten Weg, bei den Wahlen 2023 das Triple der verpassten Chancen perfekt zu machen.

Keine wirkliche Gefahr für Blau-Rot-Grün

Die Wirkung des historischen Machtverlusts von 2013 scheint noch nachhaltiger zu sein als bisher angenommen. Der Versuch, die Niederlage nach fünf Jahren wieder wett zu machen, ist grandios gescheitert. Seitdem hat die CSV jedoch komplett ihren politischen Kompass verloren. Die machtpolitische Perspektivlosigkeit paart sich mit einem inhaltlichen und personellen Vakuum. Niemand weiß, wer eigentlich für die CSV spricht und welchen politischen Kurs sie außer dem unbedingten Willen, zurück an die Macht zu kommen, anstrebt.

Solange die größte Oppositionspartei sich so offensichtlich von den Regierungsparteien vorführen lässt, braucht man im blau-rot-grünen Lager keine Gefahr zu wittern. »

Der Clou: Auch deshalb erscheinen die Spekulationen um ihr « unmoralisches Angebot » an DP und LSAP so glaubwürdig. Der Versuch, auf so plumpe Art und Weise einen Keil zwischen die Dreierkoalition zu treiben, mutet ziemlich absurd an. Dieser kopf- und planlosen CSV traut man diesen Schritt aber allemal zu.

Glaubte bisher noch jemand, dass die rezenten Affären und Affärchen Blau-Rot-Grün zum Verhängnis werden könnten, können sich die Macher der Dreierkoalition jetzt bequem zurücklehnen. Die Strategen von DP, LSAP und Déi Gréng hätten es sich nicht besser ausmalen können. In dem Moment, wo das Land über mögliche Verfehlungen einer Ministerin diskutiert und die ganze Koalition vor einer entscheidenden Zäsur steht, liefert die CSV ihnen – ob bewusst oder nicht – eine Steilvorlage. Solange die größte Oppositionspartei sich so amateurhaft präsentiert und von den Regierungsparteien vorführen lässt, braucht man im blau-rot-grünen Lager keine Gefahr zu wittern.


Lesen Sie mehr zum Thema