Pfizer rechnet damit, dieses Jahr mit seinem Covid-Impfstoff über 21 Milliarden Euro Umsatz zu erwirtschaften. Das dürfte einem Gewinn von mindestens fünf Milliarden entsprechen. Dabei spielt die Abwicklung über Luxemburger Holdings eine wesentliche Rolle.

Als « pragmatischen Ansatz » lobte Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot (LSAP) den Antrag des Parlaments zu Patenten auf Corona-Impfstoffen. Alle Parteien forderten am 5. Mai die Regierung auf, sich dafür einzusetzen, dass Entwicklungsländer möglichst schnell an Impfstoffe gelangen. Nur Déi Lénk setzten sich für eine Aufhebung der Patente ein. Die Mehrheit des Parlaments umschiffte diese Frage und nahm letztlich keine klare Haltung ein. Das Argument von Blau-Rot-Grün: Lizenzen seien nur ein Aspekt der Impfstoffknappheit.

« Ein Riesenproblem » sei die Privatisierung öffentlich finanzierter Forschung durch die Pharmaindustrie trotzdem, meinte Franz Fayot. Ein Detail, das niemand in der Debatte erwähnte: Luxemburg ist ein wichtiges Rädchen in dieser Profitmaschine. Die Schweiz, Belgien oder die Niederlande sind bekannt als Standorte von Pharmakonzernen. Dass Pfizer mehrere milliardenschwere Holdings im Großherzogtum hat, war bisher nur eine Randnotiz in der « Openlux »-Berichterstattung.

Dabei ist der zusammen mit der deutschen Firma Biontech produzierte Impfstoff Comirnaty für das US-Unternehmen eine wahre Gelddruckmaschine. Ein Viertel bis ein Drittel des Preises, den die Regierungen für jede Dosis zahlen, ist reiner Profit für Pfizer. Der Konzern rechnet für 2021 mit einem Umsatz von über 21 Milliarden Euro aus dem Geschäft mit dem Impfstoff.

In den ersten drei Monaten dieses Jahres machte Pfizer bereits einen Umsatz von 2,9 Milliarden Euro. Die Hälfte davon fließt an Biontech, wie Pfizer in seinem Quartalsbericht mitteilte. Die Agentur Reuters geht davon aus, dass der angekündigte Umsatz dieses Jahr nochmals 50 Prozent höher ausfallen könnte. Etwa der rezenteste Vertrag mit der EU ist in der Konzernprognose noch nicht enthalten.

Zwischen Rotterdam, Delaware und Kirchberg

Der mit Steuergeldern gekaufte Corona-Impfstoff macht aus einem sehr profitablen Unternehmen ein noch gewinnträchtigeres. Doch was passiert mit den Gewinnen? Erhalten die Staaten über die Steuern einen Teil des Geldes zurück, das sie bereits in Forschung und Produktion der Impfstoffe investiert haben? Das ist alles andere als sicher. Denn Pfizer verfügt über eine gut geölte Maschinerie, um Steuern zu sparen.

« Pfizer vermeidet Steuern via die Niederlande und macht Milliardengewinne », titelte das niederländische Onlinemedium « Follow the Money ». Ein wichtiger Knotenpunkt der Profitmaschine liegt in der beschaulichen Gemeinde Capelle aan den IJssel, in der Nähe von Rotterdam. Dort hat das Unternehmen « C.P. Pharmaceuticals International CV » seinen Sitz. Über diese Entität laufen fast alle internationalen Tätigkeiten von Pfizer außerhalb der USA, berichtet « Follow the Money ».

Die Pfizer-Tochter machte 2019 einen stattlichen Gewinn von über zehn Milliarden Euro, zahlte darauf aber null Steuern in den Niederlanden. Der Grund: Es handelt sich um eine Gesellschaftsform, die in steuerlicher Hinsicht als durchsichtig gilt. Bei der Besteuerung werden nur die Aktionäre der Gesellschaft von den Steuerbehörden in Betracht gezogen. Doch im Fall von Pfizer sind das zwei Firmen im US-Steuerparadies Delaware, wie « Follow the Money » berichtet. Gegenüber den niederländischen Journalisten betonte Pfizer, sich überall an die Gesetzgebung zu halten und seine Steuern zu zahlen.

Ein unscheinbares Bürogebäude im niederländischen Capelle aan den IJssel ist einer der Knotenpunkte des Pharma-Imperiums des US-Konzerns Pfizer. (Foto: Shutterstock.com)

Ein weiterer Knotenpunkt befindet sich in Luxemburg, genauer gesagt in Kirchberg, ganz am Ende der Avenue John F. Kennedy. Hier haben neun Holdings ihren Sitz, die zum Pfizer-Konzern gehören. Die Gesellschaften halten Beteiligungen an Tochterfirmen, die die ganze Welt umspannen – von Australien bis Argentinien und von Russland bis Portugal. Fünf der neun Holdings hatten 2019 ein Eigenkapital von mehreren Milliarden Euro.

Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Umsätze aus den Impfstoffdeals in vielen Fällen über Luxemburg fließen werden. Ein Beispiel: Großbritannien schloss einen Vertrag mit « Pfizer Limited », der britischen Tochter des Konzerns ab. Doch die Luxemburger « Pfizer Luxco Holdings Sàrl » hält laut den neuesten Handelsregistereinträgen 100 Prozent der britischen Tochter.

Minimale Aktivität, maximaler Profit

Pfizer ist allerdings kein Einzelfall in der Welt der Pharmagiganten. Eine Studie der NGO Oxfam brachte 2018 ein auffälliges Muster ans Licht: Mehrere Pharmakonzerne, darunter Pfizer, waren in Steuerparadiesen wie den Niederlanden, Irland, Belgien oder Singapur sehr profitabel. Die Gewinnmarge und damit die Steuern waren in den Absatzmärkten der Industrienationen, aber auch in Entwicklungsländern, deutlich geringer. Die Oxfam-Studie schließt daraus, dass die Konzerne systematisch ihre Gewinne in Länder verlagern, in denen sie kaum besteuert werden.

Welchen Zweck die Luxemburger Holdings von Pfizer erfüllen und inwieweit sie der Steueroptimierung dienen, lässt sich aus den Jahresberichten nicht im Detail nachvollziehen. Doch es gibt Auffälligkeiten, die eben darauf hinweisen, etwa bei « Pfizer Luxembourg Sàrl ». Die Gesellschaft ist auch zuständig für den Vertrieb an Luxemburger Großhändler, Krankenhäuser und Ärzte. Der rein auf das Luxemburger Geschäft zurückgehende Umsatz machte 2019 knapp 20 Millionen Euro aus. Doch im gleichen Jahr machte die Firma über eine Milliarde Euro Gewinn. Die Erklärung: Die über 30 weltweiten Tochterfirmen von « Pfizer Luxembourg » brachten Einkünfte von einer Milliarde Euro – hauptsächlich Dividenden.

Auf dem Profit von rund einer Milliarde Euro zahlte Pfizer Luxembourg laut Handelsregister knapp 1,9 Millionen Euro Steuern – allerdings nicht nur in Luxemburg. Die Gesellschaft gibt für 2019 an, 282 Personen zu beschäftigen – davon acht in Luxemburg. Damit ist diese Holding aber personell gut ausgestattet: Andere der Luxemburger Pfizer-Holdings geben an, hierzulande lediglich 0,10 oder 0,13 Vollzeitstellen zu haben.

Undurchsichtige Firmenkonstrukte

Im Luxemburger Handelsregister tauchen insgesamt über 50 Gesellschaften von Pfizer auf. Den Großteil der Entitäten gab der US-Konzern in den vergangenen fünf Jahren auf. Doch auch rezent fusionierten mehre Luxemburger Gesellschaften oder strukturierten sich neu, indem Beteiligungen zwischen ihnen wechselten. Die Struktur ist im ständigen Wandel, Milliarden fließen so zwischen Ländern hin und her. Allein deshalb sind die Geschäfts- und Steuerpraktiken im Einzelnen schwer nachzuvollziehen.

Dass die komplexen Firmenkonstrukte auch steuerliche Gründe haben, liegt aber auf der Hand. 2016 sorgte Pfizer für einen Aufschrei in den USA, als seine geplante Fusion mit dem Konkurrenten Allergan mit Sitz in Irland eine Steuerersparnis von 35 Milliarden US-Dollar mit sich gebracht hätte. Das ergab ein Bericht der NGO « Americans for Tax Fairness ». Der Deal scheiterte schließlich aus diesem Grund.

« Das Kapital ist ein scheues Reh », lautet eine Binsenwahrheit der internationalen Steuerpolitik. Die Niederlande und die Schweiz haben sich wohl auch deshalb deutlich gegen eine Aufhebung der Patente auf Impfstoffe ausgesprochen, wie « Investigate Europe » berichtet. Luxemburg sei nicht das Land, das bei den Patenten blockiere, sagte Premierminister Xavier Bettel (DP) am Mittwoch « Radio 100,7 ». Die Regierung will zwei Millionen Euro an die Covax-Initiative spenden, die Entwicklungsländer mit Impfstoffen versorgen soll. Es ist ein Betrag, der sich bei den milliardenschweren Holdings von Pfizer und Co. leicht wieder eintreiben lassen könnte.


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