Das Parlament tat sich jahrelang schwer, wirksame Verhaltensregeln für Abgeordnete einzuführen. Laut der Anti-Korruptionsgruppe des Europarats werden die Mindeststandards mittlerweile erfüllt. Bemängelt werden jedoch weiterhin fehlende Maßnahmen im Justizbereich.
Normalerweise ist die Veröffentlichung eines neuen Berichts der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) für Luxemburgs Parlament keine gute Nachricht. Das Gremium des Europarats kritisierte bereits mehrmals die laschen Verhaltensregeln für Abgeordnete und die fehlende Transparenz. Doch die stetige Reform des « Code de conduite » und die Einführung eines Lobbyregisters haben die Greco offenbar größtenteils zufriedengestellt.
Immerhin drei von fünf Empfehlungen der Staatengruppe hat die Abgeordnetenkammer in den vergangenen eineinhalb Jahren umgesetzt. Dazu zählt auch die Reform des Verhaltenskodex. Dadurch wurden neue Kategorien für Einkünfte von jährlich 100.000 bis 200.000 Euro sowie für solche von mehr als 200.000 Euro eingeführt. Diese seien „im Kontext von Luxemburg ausreichend genau und im Sinne der gewünschten Transparenz zielführend“, schreibt die Greco in ihrem jüngsten Bericht. Zudem sei mit der Verabschiedung eines neuen Formulars seit September klarer, welche Beteiligungen an Unternehmen die Abgeordneten angeben müssen.
Fehlendes Kontrollorgan
Trotz des verbesserten Regelwerks haben diese Änderungen offenbar nicht ausgereicht. Wie Reporter.lu berichtete, ist weiterhin ein Teil der Erklärungen der Abgeordneten fehlerhaft. In seiner Stellungnahme erklärt das Parlament, dass diese im Ausschuss und in der Presse bereits mehrmals thematisiert worden seien und die Regeln somit eigentlich für jeden klar sein sollten. Jedoch beweisen die mangelhaften Angaben mancher Abgeordneten das Gegenteil.
Wir sind doch nicht im Kindergarten. Das ist unnötige Bürokratie. Was wollen die denn noch? Irgendwann reicht es einfach.“Roy Reding, ADR
Die Greco empfiehlt deshalb, die Volksvertreter besser über ihre Pflichten zu informieren, indem etwa verschiedene Fallbeispiele durchgespielt werden. „Wir sind doch nicht im Kindergarten“, entgegnet Roy Reding (ADR) auf diesen Ratschlag im Gespräch mit Reporter.lu. Der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses hält wenig vom Vorschlag der Staatengruppe. „Das ist unnötige Bürokratie. Was wollen die denn noch? Irgendwann reicht es einfach“, so Roy Reding.
Zudem könnten fehlerhafte Angaben laut der Greco auch durch eine bessere Kontrolle der Erklärungen vermieden werden. Der Geschäftsordnungsausschuss prüfte etwa, ob die Parlamentsverwaltung nicht die Mittel erhalten solle, um die Angaben der Abgeordneten überprüfen zu können. Die Idee wurde allerdings verworfen. „Wie soll die Parlamentsverwaltung nachvollziehen können, an welchen Unternehmen ein Abgeordneter Anteile besitzt? Die Verantwortung liegt bei den Abgeordneten selbst“, sagte der beigeordnete Generalsekretär des Parlaments, Benoît Reiter, im vergangenen Dezember im Gespräch mit Reporter.lu.
Die Kontrolle wird seit einigen Jahren der interessierten Öffentlichkeit überlassen. 2018 hat das Parlament die internen Verhaltensregeln angepasst, sodass nun jeder Bürger den Parlamentspräsidenten über mögliche Falschangaben informieren kann. Diese Praxis könne eine proaktive Kontrolle durch die Parlamentsverwaltung allerdings nicht ersetzen, schreibt die Greco in ihrem Bericht. Das Parlament hat nun erneut eineinhalb Jahre Zeit, diese Empfehlung umzusetzen.
„Die Kontrollen können verbessert werden, aber eigentlich besteht mit dem parlamentarischen Ethikrat bereits ein Organ, das diese durchführen und Sanktionen verhängen kann“, meint Roy Reding. Allerdings muss dieser Rat erst durch den Parlamentspräsidenten damit beauftragt werden, eine Erklärung zu überprüfen. Bisher war dies erst einmal der Fall. Der Rat habe demnach nur im Parlamentsjahr 2019-2020 eine Handlungsempfehlung ausgesprochen. Um was es sich bei dem Vorfall handelte, wollte Fernand Etgen (DP) nicht sagen. Das sei vertraulich, so der Parlamentspräsident. Die möglichen Sanktionen reichen im Übrigen von einem „Blâme“ während einer öffentlichen Sitzung bis hin zum Ausschluss eines Abgeordneten für bis zu drei Sitzungen oder zwei Wochen.
Lob für Transparenzregister
In einem Punkt muss das Parlament laut der Staatengruppe nicht nachbessern. Das erst kürzlich eingeführte Lobbyregister für Parlamentarier könne man grundsätzlich befürworten. Die Greco hebt vor allem hervor, dass alle Treffen auch außerhalb des Parlaments von der Eintragungspflicht betroffen sind und die Abgeordneten ein Treffen ansonsten verweigern müssen.
Auf das monatelange Hin und Her im Parlament ging die Staatengruppe allerdings nicht ein. Nachdem der Geschäftsordnungsausschuss bereits im Juni den Text für ein Lobbyregister verabschiedete, ruderten die CSV und DP zurück. Die ursprüngliche Fassung musste fallengelassen werden, dabei reichte diese weiter und erlaubte es etwa nachzuvollziehen, wann sich Interessenvertreter mit welchen Abgeordneten trafen. Nun müssen sich Lobbyisten lediglich vor einem Treffen mit einem Parlamentarier im neuen Register eintragen, ohne jedoch den Grund des Treffens anzugeben und mit welcher Partei es stattfindet.
Dass die Ambitionen für ein Register nun weit geringer ausfielen, wird im Greco-Bericht nicht kommentiert. Tatsächlich deutet ein Verweis auf die Eintragungspflicht auch für Treffen außerhalb des Parlamentsgebäudes eher darauf hin, dass die Berichterstatter lediglich den angenommenen Text mit seiner ersten Fassung verglichen. Diese war von Sven Clement eingereicht worden und orientierte sich am belgischen Modell eines Lobbyregisters. Der Piratenabgeordnete bezeichnete den Vorschlag als „Minimalkompromiss“, da etwa nur Treffen innerhalb des Parlamentsgebäudes zu erfassen seien.
Mangelnder Fortschritt im Bereich der Justiz
Während der Bericht für Luxemburgs Volksvertretung gut ausfällt, wiederholt die Greco allerdings ihre Kritik bezüglich der fehlenden Unabhängigkeit der Justiz. Die Umsetzung der Empfehlungen des Gremiums hängt laut dem Justizministerium allerdings maßgeblich von der Einführung eines „Conseil national de la Justice“ ab. Das entsprechende Gesetzesprojekt liegt jedoch seit 2018 in der Schublade des Justizausschusses. Nach drei Jahren haben die Abgeordneten erst im Oktober vergangenen Jahres eine Reihe von Anpassungen angenommen. Ohne diesen Gesetzestext können jedoch gleich fünf der sechs Greco-Empfehlungen für die Gerichtsbarkeit nicht umgesetzt werden.
Demnach sollten laut der Greco im Kontext des Gesetzestextes unter anderem die Beförderungskriterien für Richter und Staatsanwälte öffentlich gemacht, Regeln für den Umgang mit Interessenkonflikten aufgestellt und die Unabhängigkeit der Justiz konkret gestärkt werden. Wie wichtig dies ist, zeigte kürzlich ein Fall vor Gericht. Dabei wurde dem ehemaligen Richter Sandro Luci zur Last gelegt, während mehrerer Jahre an einen befreundeten Anwalt gezielt Vormundschaften vergeben zu haben. Dem einstigen Richter wurde diesbezüglich ein Interessenkonflikt vorgeworfen. Die beiden Angeklagten wurden aber nun vor Gericht in erster Instanz freigesprochen.
Stärkere Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft
Zumindest in einem Punkt konnte ein Fortschritt erzielt werden. Vor über einem Jahr stellte die CSV das Justizkapitel der Verfassungsreform infrage und wollte die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft einschränken. Diesbezüglich äußerte die Greco heftige Kritik. Die Empfehlung wurde von „teilweise umgesetzt“ zu „nicht umgesetzt“ zurückgestuft. Erst durch einen neuen Kompromiss, der dem Justizministerium erlaubt, inhaltliche Weisungen herauszugeben, konnte die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zum Teil gewahrt werden.
Mit der Verabschiedung des Justizkapitels der Verfassungsreform in erster Lesung Mitte Oktober steht diese nun kurz vor einer Verankerung im Grundgesetz. Erst durch diese Reform können auch die Arbeiten am „Conseil national de la Justice“ wieder aufgenommen werden. Doch dafür muss der Text auch in einer zweiten Lesung vom Parlament angenommen werden. In spätestens eineinhalb Jahren sollen die Regierung und das Parlament zeigen, dass sie die Empfehlungen der Greco auch in diesem Punkt ernst genommen haben. Dann steht die nächste Evaluierung von Luxemburgs Institutionen an.


