Das schon seit Jahren diskutierte « Lobbyregister » für Abgeordnete soll kommen – allerdings in einer wesentlich abgeschwächten Form. Mit der Transparenz ihrer Arbeit tun sich die Parlamentarier noch immer schwer, wie auch andere Vorhaben zeigen.
„Ich bekam den Schreck meines Lebens, als ich sah, was wir da verabschiedet haben“, sagt Simone Beissel (DP) im Gespräch mit Reporter.lu. Der „Schreck“ wurde durch die geplante Einführung eines Lobbyregisters für das Parlament ausgelöst. Noch im Juni verabschiedete der Geschäftsordnungsausschuss der Abgeordnetenkammer einen Bericht von Roy Reding (ADR), der die Abgeordneten dazu verpflichten sollte, jegliche Kontakte mit Interessenvertretern monatlich zu melden. Die Kritik aus Patronatskreisen ließ nicht lange auf sich warten. Und auch die CSV und die DP empfanden das Vorhaben als unmögliche Zumutung. Ihre Blockade konnte erst durch eine Abschwächung des ursprünglichen Textes aufgehoben werden.
Das harte Ringen um mehr Transparenz hat im Parlament inzwischen Tradition. Dabei stehen die Abgeordneten spätestens seit 2013 unter Zugzwang. Damals erstellte die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) ihren ersten Bericht zur Vorbeugung von Interessenskonflikten von Abgeordneten und Richtern. Schnell einigten sich Luxemburgs Parlamentarier auf einen Verhaltenskodex, der am 16. Juli 2014 in Kraft trat. Seitdem sind die Abgeordneten prinzipiell verpflichtet, ihre Nebenverdienste offenzulegen. Doch obwohl bereits der erste Bericht der Greco einen geregelten Umgang mit Interessenvertretern forderte, sah Luxemburgs Volksvertretung diesbezüglich keinen Grund zum Handeln.
„Die Abgeordneten konnten nicht erkennen, welchen Mehrwert ein solches System für Luxemburg im Vergleich zur derzeitigen Situation hätte“, schrieb das Parlament in einer Antwort an die Greco im Jahr 2015. Das Argument: Bereits damals mussten die Abgeordneten während Ausschusssitzungen jeglichen Kontakt mit Interessenvertretern offenlegen. In der Praxis wird dies jedoch nur unzureichend umgesetzt, wie Reporter.lu bereits berichtete.
Lobbyregister light
Laut dem aktuellen Koalitionsprogramm will Blau-Rot-Grün die Möglichkeit der Einführung eines Lobbyregisters „prüfen“. Sven Clement (Piraten) versuchte die Mehrheitsparteien im November 2019 durch einen eigenen Vorschlag unter Druck zu setzen. Der Vorschlag, den der Abgeordnete selbst als „absolutes Minimum“ bezeichnete, wurde im Ausschuss deutlich erweitert. Daraufhin forderte Roy Reding gar Sanktionen für Abgeordnete und Lobbyisten, die sich nicht an die neuen Verhaltensregeln halten würden. Es wäre ein deutliches Signal an Interessenvertreter und Politiker gewesen. Jedoch musste der Vorsitzende des Ausschusses wieder zurückrudern. Der Grund: Sanktionen gegen Nicht-Parlamentarier können in der Geschäftsordnung der Abgeordnetenkammer nicht vorgesehen werden.
Wir sind in Luxemburg, hier kontrolliert doch eh jeder den anderen. »Simone Beissel, DP-Abgeordnete
In der nachgebesserten Version ist nun weder von Sanktionen noch einer Pflicht für Abgeordnete, Kontaktaufnahmen zu melden, die Rede. „Die Lobbyisten sollen sich eintragen, das ist nicht die Pflicht der Abgeordneten“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses, Simone Beissel. Laut der neuen Fassung sollen die Parlamentarier die Interessenvertreter lediglich auf das Register aufmerksam machen.
CSV und DP wollten zudem sicherstellen, dass « Zufallsgespräche » mit Bürgern nicht von der Eintragungspflicht betroffen sind. Indem nicht mehr die Abgeordneten in der Pflicht stehen, sehen sie diese Voraussetzung nun offenbar als erfüllt an. Um ihre Argumentation zu untermauern, beauftragte die CSV-Fraktion damals sogar die Anwaltskanzlei « Moyse and Associates », ein juristisches Gutachten zum Register zu erstellen. Nur so konnte der bereits angenommene Vorschlag von Roy Reding in letzter Minute verhindert werden.
Aus Datenschutzgründen soll die Verwaltung nun zudem nur einen Teil der Kontaktinformationen der Lobbyisten veröffentlichen. Demnach sollen lediglich die Veröffentlichung der Namen der Personen und ihrer Organisationen auf der Webseite des Parlaments einsehbar sein. Ein Kalender, in dem die verschiedenen Treffen mit Vertretern eingetragen werden könnten, ist bisher nicht vorgesehen.
Kontrolle à la luxembourgeoise
Liberale und Christsoziale konnten sich demnach mit ihren Bedenken durchsetzen. Déi Gréng versuchten in der vergangenen Woche noch ein weiteres Gutachten zu beantragen. Es sollte klären, ob die ursprünglich geplanten Bestimmungen, wie CSV und DP behaupten, verfassungswidrig seien. Doch der Versuch, den ursprünglichen Text noch zu retten, scheiterte im zuständigen Ausschuss. „Wir haben den neuen Vorschlag des Registers zwar akzeptiert, doch er reicht für uns sicherlich nicht aus“, sagt Djuna Bernard (Déi Gréng) gegenüber Reporter.lu.
Im Vorstand des Parlaments soll nun über die technischen Details des aktuellen Vorschlags beraten werden. Zudem gelte es, die Interessenvertreter über ihre neue Verpflichtung aufzuklären, sagt Simone Beissel. Wie genau das Register aussehen könnte, ist also noch unklar. In Sachen Transparenz zeigt sich allerdings jetzt schon, dass es hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleiben wird. In ihrem letzten Bericht schrieb die Greco, Luxemburgs Bemühungen, den Kontakt mit Lobbyisten außerhalb einer Ausarbeitung eines Gesetzestextes zu reglementieren, seien unzureichend. Da im Register nicht vorgesehen ist, die angesprochenen Themen aufzulisten, wäre für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar, in welchem Bereich versucht wurde, auf die Politik Einfluss zu nehmen.
Zudem gibt es keine Kontrollmöglichkeit, ob die Interessenvertreter sich tatsächlich eingetragen haben. Für einen Abgeordneten ist die Überprüfung vor der Kontaktaufnahme nicht verpflichtend und die Treffen müssen der Verwaltung auch nicht gemeldet werden. Es gilt demnach das Prinzip Selbstkontrolle. „Wir sind in Luxemburg, hier kontrolliert doch eh jeder den anderen“, meint Simone Beissel. Demnach würden andere Interessenvertreter darauf achten, dass sich ihre Konkurrenz auch eingetragen habe, so die DP-Abgeordnete. Sollte dies jedoch nicht ausreichen, könnte in einem Jahr nachgebessert werden. Dann wollen die Abgeordneten prüfen, ob sich das Register bewährt hat.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Jedoch ist das Lobbyregister nicht der einzige Punkt, in dem die Parlamentarier Bestrebungen nach mehr Transparenz ausbremsen. Bereits vor zwei Jahren reichte die CSV einen Antrag ein, alle Ausschusssitzungen live zu übertragen. Obwohl alle Parteien damals dem Antrag zustimmten, verliefen die Diskussionen im Sand. Es folgte ein parlamentarisches Pingpong. Zuerst überprüfte der Vorstand des Parlaments, ob die öffentliche Übertragung technisch möglich sei. Monatelang lagen die Arbeiten dann wieder auf Eis. Erst Ende 2020 wurde der Geschäftsordnungsausschuss beauftragt, einen Vorschlag auszuarbeiten. Dann passierte wieder nichts, die Diskussion wurde vertagt. Ein Jahr später steht die Frage nun wieder auf der Tagesordnung.
Die CSV forderte die restlichen Parteien kürzlich auf, den bereits beschlossenen Antrag umzusetzen. In der Ausschusssitzung am vergangenen Dienstag wurde nun der Ball wieder dem Parlamentsvorstand zugespielt. Aus Parlamentskreisen heißt es, dass Roy Reding als Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses das Vorhaben blockiere. Doch auch innerhalb der Koalitionsparteien gilt das Vorhaben als nicht besonders beliebt.
Les autorités luxembourgeoises ne font état d’aucune mesure nouvelle pour mettre en œuvre la recommandation. »Greco Ende 2020 zum Fortschritt beim « Lobbyregister »
Nach zwei Jahren Hin und Her sind die Vorarbeiten also nicht fortgeschritten. Lediglich die Parlamentsverwaltung hat sich prinzipiell auf eine mögliche Übertragung der Ausschusssitzungen vorbereitet. « Wenn das heute entschieden wird, kann das vielerorts bereits morgen umgesetzt werden », sagte Laurent Scheeck, Generalsekretär des Parlaments, vor rund einem Jahr gegenüber « Radio 100,7 ».
Ein Grund für das schleppende Voranschreiten könnte auch der fehlende Druck auf das Parlament sein. Denn anders als beim Lobbyregister ist die öffentliche Übertragung der Ausschusssitzungen nicht auf eine Empfehlung der Greco zurückzuführen. Die Fortschritte in Sachen Transparenz beruhten in den vergangenen Jahren stets auf den Vorschlägen der Staatengruppe gegen Korruption. Im Bericht zum Lobbyregister bezieht sich Roy Reding etwa explizit auf vier Empfehlungen der Greco, heißt es in der Begründung zur Änderung der Geschäftsordnung.
Grüne wollen den Piraten folgen
Wie erfolgreich der Druck der internationalen Institution ist, zeigt sich auch bei den Erklärungen der Abgeordneten zu ihren Nebenverdiensten. Die Parlamentarier hatten noch im September eine größere Anpassung des Textes vorgenommen. Die Erklärung umfasst nun auch Immobiliengesellschaften. Zudem wurde eine neue Gehaltskategorie für Nebenverdienste von über 200.000 Euro eingeführt.
Die Dringlichkeit für diese Anpassung war offenbar groß. In einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments im September wurden drei Texte im Zusammenhang mit der Pandemie sowie das neue Formular verabschiedet. Denn eigentlich sollte bereits Ende November ein neuer Bericht der Greco erscheinen. Zu Beginn des Monats informierte die Organisation die Parlamentsverwaltung jedoch, dass dieser Bericht erst im März 2022 erscheinen würde. „Hätte ich das gewusst, hätte ich nicht darauf bestanden, gleich in der ersten Sitzung im September über die Neuregelung abzustimmen“, sagt der Generalsekretär des Parlaments, Laurent Scheeck, auf Nachfrage von Reporter.lu.
Dass es auch ohne externen Druck möglich ist, die Transparenz der parlamentarischen Arbeit zu erhöhen, wollen indes die Grünen beweisen. Sie haben beschlossen, bereits für den 1. Januar 2022 ein eigenes Lobbyregister samt Kalender auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. „Wir diskutieren zurzeit noch, ob dies auch E-Mail-Verkehr, Anrufe oder etwa Whatsapp-Nachrichten beinhalten soll“, sagt Djuna Bernard im Gespräch mit Reporter.lu. Die Piratenpartei hat ein solches Register für ihre zwei Parlamentarier bereits seit 2018 umgesetzt. Auch die ADR wolle diesen Weg gehen, heißt es von Roy Reding. Verpflichtend sei die Praxis allerdings nicht. « In der Geschäftsordnung haben wir das nicht vorgesehen », sagt der Vorsitzende des Ausschusses.


