Ein Abgeordnetenmandat ist ein Teilzeitjob – zumindest in der Theorie. Das erlaubt es vielen Parlamentariern, neben ihrem Mandat weitere Funktionen wahrzunehmen. In manchen Fällen übersteigen die Nebeneinkünfte das Abgeordnetengehalt jedoch deutlich.
Als Parlamentarier lässt es sich eigentlich gut leben. Das Gehalt eines Abgeordneten liegt in den meisten Fällen deutlich über 10.000 Euro monatlich. Rein formal werden diese auch nur für 20 Stunden Arbeit ausgezahlt. Der finanzielle Anreiz, neben dem Mandat einem weiteren Beruf nachzugehen, hält sich demnach eigentlich in Grenzen.
Eigentlich. Denn viele Abgeordnete gehen neben ihrem Mandat einer oder mehreren Tätigkeiten nach. Was für die einen ein Bürgermeister- oder Schöffenposten ist, ist für die anderen ihre angestammte Stelle in der Privatwirtschaft oder ein Sitz im Aufsichtsrat eines Unternehmens. Einerseits stellt sich dabei die Frage, wie viel Zeit die einzelnen Parlamentarier für ihre unterschiedlichen Jobs aufbringen können. Andererseits geht es aber auch immer um mögliche Interessenkonflikte.
Mit einem Blick in die „Déclaration des intérêts financiers“, die jeder Abgeordnete seit 2014 ausfüllen muss, lassen sich die einzelnen Nebeneinkünfte der Volksvertreter im Detail nachvollziehen. Im vergangenen September wurde die im Verhaltenskodex für Abgeordnete festgehaltene Praxis angepasst. Durch eine Überarbeitung des entsprechenden Formulars wagte das Parlament einen kleinen Schritt in Richtung mehr Transparenz. Demnach müssen erstmals Beteiligungen an einer sogenannten « Société civile immobilière » (SCI) angegeben werden. Zudem sollen die Summen genauer angegeben werden, indem etwa eine neue Gehaltskategorie für Einkünfte über 200.000 Euro eingeführt wurde.
Nebeneinkünfte von mehr als 200.000 Euro
Immerhin zwei Abgeordnete mussten diesen Kasten in ihrer Erklärung ankreuzen. Léon Gloden (CSV) verdient für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt bei der Kanzlei „Elvinger Hoss Prussen“ mehr als 200.000 Euro jährlich. Auf den Monat gerechnet, wären dies mindestens 16.666 Euro an Nebeneinkünften. Zusätzlich sitzt der Abgeordnete und Bürgermeister von Grevenmacher noch in drei Gemeindesyndikaten sowie in den Verwaltungsräten von „ZithaSenior“ und des Hafens von Mertert. Somit belaufen sich seine Nebenverdienste bereits auf mehr als 20.000 Euro monatlich. Wie schon vor fast zwei Jahren führt der stellvertretende Fraktionschef der CSV damit auch dieses Jahr die Liste der Topverdiener unter den Abgeordneten an.
Der „Député-Maire“ von Grevenmacher ist ein Extremfall, aber keine Ausnahme. Auch Marc Hansen (Déi Gréng) muss sich finanziell keine Sorgen machen. Der Parlamentarier betreibt freiberuflich zusammen mit seiner Ehefrau eine Apotheke in Rambrouch. Sein Einkommen hat sich seit seinem Antritt des Abgeordnetenmandats offenbar vergrößert. Während der Politiker vor den Wahlen zwischen 100.000 und 200.000 Euro verdiente, sind es nun mehr als 200.000 Euro. Dabei hat er sein Mandat als Kommunalpolitiker in der Gemeinde Käerjeng beim Antritt seines Mandats im Parlament aufgegeben.
Doch es fallen auch andere Politiker durch ihre außergewöhnlich hohen Einkommen oder Beteiligungen an Unternehmen auf. Dazu zählt nach wie vor Michel Wolter (CSV), der freiberuflich in mehreren Aufsichtsräten sitzt. Dazu gehören die Vermögensverwalter „OneLife“ und „OneLife Holding“ sowie die Rückversicherungsfirma „Compass RE“. Die Bilanzen des letzteren Unternehmens weisen auf einen wesentlichen Nebenverdienst hin. Im Schnitt erhält ein Aufsichtsratsmitglied rund 33.000 Euro pro Jahr. Mit seinem Bürgermeistermandat in Käerjeng und dem Vizepräsidentenposten vom Verkehrsverbund „TICE“ kommt Michel Wolter demnach auf mindestens 90.000 Euro an Nebeneinkünften.
Rechtsanwälte mit beschränkter Aktivität
Doch nicht jeder Abgeordnete kann sich über wachsende Nebeneinkünfte freuen. Ehemalige Topverdiener haben ihre Aktivitäten im letzten Jahr nämlich deutlich eingeschränkt. Laurent Mosar (CSV) verdient als Anwalt laut eigenen Angaben jährlich etwa 10.000 bis 50.000 Euro und erhält für sein Mandat im Verwaltungsrat der „Bank of China“ mindestens 50.000 Euro. 2018 lagen die Nebeneinkünfte des Rechtsanwalts mit mindestens 100.000 Euro noch deutlich höher. Durch seine Arbeit als Schöffe in der Hauptstadt und Abgeordneter habe er kaum Zeit für seine Aktivitäten als Anwalt, erklärt Laurent Mosar auf Nachfrage von Reporter.lu den Rückgang seiner Nebeneinkünfte.
Auch die Einnahmen von Roy Reding sind deutlich geschrumpft. Ein Grund: Der ADR-Abgeordnete hat seine Anwaltskanzlei im April 2019 aufgegeben. Als Nebenverdienste führt er lediglich seine Mandate als Gemeinderatsmitglied der Stadt Luxemburg und als Aufsichtsratsmitglied bei „Carré Holding“ an. Für beide Posten soll er mindestens 5.000 Euro erhalten. Außerdem besitzt der Abgeordnete mit seiner Frau Anteile an nicht weniger als 16 Unternehmen, in denen er dadurch einen signifikanten Einfluss ausübt. Insgesamt rechnet er dabei jährlich mit der Ausschüttung von mehr als 200.000 Euro an Dividenden. Das sei allerdings nicht zwingend jedes Jahr der Fall, erklärt Roy Reding. « Um zu verhindern, dass mir danach vorgeworfen wird, ich würde zu wenig angeben, wollte ich lieber den Höchstbetrag ankreuzen », so der ADR-Politiker auf Nachfrage von Reporter.lu.
Der liberale Abgeordnete Guy Arendt hat ebenfalls beschlossen, seine Aktivitäten als Anwalt zu beenden. In seiner Erklärung vor einem Jahr gab er noch an, mehr als 100.000 Euro jährlich zu verdienen. Nun taucht diese Tätigkeit nicht mehr im Formular auf. Er sei zwar weiterhin Partner bei « Bonn&Schmitt », doch er verhandele keine Fälle mehr, erklärt Guy Arendt im Gespräch mit Reporter.lu. Sein Parteikollege Pim Knaff verdient seit Mandatsantritt auch weniger Geld. In den drei Jahren vor Beginn seines Mandats verdiente der Schöffe von Esch/Alzette noch zwischen 100.000 und 200.000 Euro als Anwalt. Nun beläuft sich der Betrag auf mindestens 50.000 Euro. Er gehört damit weiterhin zu den Besserverdienern im Parlament.
Mehr oder weniger transparente Angaben
Auf den ersten Blick haben auch die Einnahmen von Lydie Polfer (DP) abgenommen. Laut ihrer Erklärung hätte sie für ihr Bürgermeistermandat in der Hauptstadt und ihren Posten in den Verwaltungsräten von „Syvicol“, „Sidor“, „CGDIS“, „Luxtram“, der Philharmonie und der Versicherungsfirma „FWU“ mindestens 25.000 Euro erhalten. Allerdings hatte Lydie Polfer ihr Gehalt für den Bürgermeisterposten falsch angegeben. „Da habe ich mich wohl im Kästchen vertan“, so die Abgeordnete auf Nachfrage von Reporter.lu. Tatsächlich liegt bereits das Gehalt als Bürgermeisterin der Hauptstadt bei rund 85.000 Euro pro Jahr.
Lydie Polfer hat ihr Formular nun bereits neu eingereicht. Zusätzlich bezieht die DP-Politikerin noch mehr als 50.000 Euro jährlich aus einer SCI. Diese Einnahmen aus einer Immobiliengesellschaft hatte sie vor einem Jahr noch nicht angegeben. Insgesamt erreicht sie somit einen Nebenverdienst von über 150.000 Euro im Jahr.
Es ist zudem nicht das erste Mal, dass Recherchen bzw. Nachfragen von Reporter.lu zu neuen Angaben in einer „Déclaration des intérêts financiers » führten. Die Parlamentsverwaltung betonte in der Vergangenheit, dass sie letztlich auf das gewissenhafte Ausfüllen der Formulare seitens der Abgeordneten angewiesen sei. Veröffentlichungen in den Medien könnten jedoch dazu beitragen, Lücken in der Transparenzpraxis ausfindig zu machen und zu beheben. Auch die Staatengruppe gegen Korruption (Greco) hatte in diesem Sinne mehrmals auf Versäumnisse seitens des Luxemburger Parlaments hingewiesen.
Die Vergütung eines Abgeordneten
Das Grundgehalt eines gewählten Mitglieds der Luxemburger Abgeordnetenkammer beläuft sich auf rund 7.350 Euro pro Monat. Zusätzlich können freiberuflich oder als Angestellte tätige Abgeordnete einen politischen Urlaub von 20 Stunden mit einem Maximalbetrag von 5.416,70 Euro beantragen. Der gleiche Betrag steht Parlamentariern ohne jeglichen Nebenberuf zu. Staatsbeamte bekommen indes eine « Pension spéciale » oder ein „Traitement d’attente“, die zwei Drittel des ehemaligen Gehalts ausmachen. Zusätzlich erhalten Abgeordnete Sitzungsgelder für die Teilnahme an Plenar- und Ausschusssitzungen und sie haben ein Anrecht auf Familienzulagen sowie die Erstattung von Fahrt- und anderen Repräsentationskosten. Einige Abgeordnete üben gleichzeitig ein zweites politisches Mandat als Bürgermeister, Schöffe oder Mitglied eines Gemeinderats aus, für das sie auch ein gesondertes Anrecht auf politischen Urlaub haben.
Auch der CSV-Politiker Félix Eischen erklärte übrigens, mehr als 50.000 Euro für seine Tätigkeit als freiberuflicher Versicherungsmakler zu erwirtschaften. Als Bürgermeister von Kehlen erhält er zusätzlich rund 17.000 Euro. Die meisten Nebenverdienste von Abgeordneten liegen allerdings unter der 50.000-Euro-Grenze. Gilles Roth (CSV) erhält etwa rund 40.000 Euro für seinen Bürgermeisterposten in Mamer, seine Tätigkeiten als Anwalt und seine Mitgliedschaft in den Verwaltungsräten von zwei interkommunalen Syndikaten. Auch Emile Eicher (CSV) verdient mindestens 47.000 Euro jährlich nebenher im Rahmen seiner Arbeit als Bürgermeister von Clerf, als Präsident des „Syvicol“ und von zwei interkommunalen Syndikaten. Der « Député-Maire » von Bartringen, Frank Colabianchi (DP), erhält indes mindestens 41.000 Euro.
Verfälschte Zahlen und mögliche Konflikte
Während vor fast zwei Jahren 20 Abgeordnete mehr als 50.000 Euro als Nebenverdienst erwirtschafteten, sind es nun nur noch acht. Die Nebeneinkünfte werden allerdings auch aus einem anderen Grund oft niedriger angegeben als zuvor. Eine bestimmte Änderung des Formulars hat die Beträge künstlich herabgesetzt. Demnach sind die zusätzlichen Einnahmen aus dem „Traitement d’attente“ oder der « Pension spéciale » für Beamte oder dem „Congé politique“ für Freiberufler oder Angestellte nicht mehr anzugeben.
Es handelt sich hierbei um beträchtliche Summen. Der Parteivorsitzende Claude Wiseler etwa verdient als ehemaliger Sekundarschullehrer jährlich nebenher mehr als 50.000 Euro. Dieser Betrag taucht in der neuen Erklärung wie bei vielen seiner Parlamentskollegen nicht mehr auf.
Auch der Gehaltsbonus von 5.416,70 Euro monatlich für freiberuflich tätige oder berufslose Abgeordnete ist in der Erklärung nicht mehr zu finden. Rentner müssen nur einen entsprechenden Kasten ankreuzen. Dies ist allerdings neu. Zuvor mussten die Abgeordneten keine Angaben zu ihrer Rente machen. Allerdings sind sowohl Rentner als auch Arbeitnehmer im Parlament kaum vertreten. Beamte und Freiberufler bilden nach wie vor eine überragende Mehrheit in der Abgeordnetenkammer.
Das eigentliche Ziel der Erklärung ist jedoch nicht, die Höhe der Nebeneinkünfte zu ermitteln, sondern mögliche Interessenkonflikte offenzulegen. Als die Abgeordneten beschlossen, die Einnahmen aus dem politischen Urlaub oder die Spezialpensionen nicht anzugeben, begründeten sie den Schritt damit, dass es sich hierbei nicht um einen Interessenkonflikt handeln könne.
Doch mit der gleichen Argumentation könnten auch die Gehälterkategorien für die anderen Bereiche wegfallen. Auch die Höhe der Nebenverdienste ist ausschlaggebend für die Beurteilung, ob die Interessen der Allgemeinheit oder die des Abgeordneten verfolgt werden. Das gilt letztlich nicht nur für einen aktiven Wirtschaftsanwalt wie Léon Gloden oder einen Apotheker wie Marc Hansen. Immerhin entscheidet auch das Parlament über Gehaltserhöhungen für Staatsbeamte. Diese müssen dann übrigens auch für die Berechnung der Spezialpension oder des « Traitement d’attente » der Abgeordneten, die früher als Beamte tätig waren, angewendet werden.


