Rund 500 junge Menschen suchen weiterhin nach einem Ausbildungsplatz. Wegen der unsicheren und unvorhersehbaren Wirtschaftslage zögern viele Betriebe verstärkt, Lehrstellen anzubieten. Die Politik hat reagiert, doch das Problem droht die Krise zu überdauern.

„In diesen Zeiten möchte ich nichts schönreden“, sagt Stephan Hawlitzky. Als Abteilungsleiter beim Arbeitsamt (ADEM) ist er zuständig für die professionelle Orientierung und berufliche Erstausbildung von Schülern. Vor allem durch den Lockdown habe sich in diesem Jahr alles verzögert: « Die Orientierung der Jugendlichen, ihr Bewerbungsverfahren, aber auch die Angebote der Betriebe“. Im Moment seien noch etwa knapp 500 junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Und das, obwohl das Ausbildungsjahr bereits Mitte September begonnen hat.

„In meiner Klasse habe ich elf Schüler und Schülerinnen. Nur drei von ihnen haben bis jetzt einen Ausbildungsbetrieb gefunden“, erzählt ein Fachlehrer aus der Berufsschule in Bonnevoie. „Das ist schon sehr beunruhigend“, so der Lehrer, der anonym bleiben möchte. Er erzählt, dass sie im Kollegium verstärkt auch private Kontakte spielen lassen, um noch Lehrplätze zu finden. Wie er wöchentlich Mails verschickt, um nichts unversucht zu lassen, zumindest die motiviertesten seiner Schüler doch noch « unterzubringen », wie er sagt.

Handwerk leidet an Attraktivität

Doch die Situation werde immer schwieriger. Schon in den Jahren vor der Pandemie, erklärt der Berufsschullehrer, seien die Lehrplätze in vielen Ausbildungsbranchen kontinuierlich zurückgegangen. „Oft ist es für einen Betrieb günstiger und risikofreier, Arbeitskräfte aus der Grenzregion einzustellen, anstatt selbst auszubilden“, meint er über die beobachtete Tendenz. Als Beispiel führt er Friseurbetriebe, aber auch Bäckereien und Konditoreien an, die ihr Angebot an Lehrstellen seit Jahrzehnten auf ein Minimum reduzierten. Die seit Mitte März andauernde Corona-Krise habe die Zögerlichkeit in den Betrieben nun noch einmal verstärkt.

Einem Großteil der jungen Generation wird gerade das Gefühl gegeben, dass sie nicht mehr gebraucht wird. »Ein Berufsschullehrer

„Es sind die Jungen und Jugendlichen, die durch die Pandemie am meisten verlieren“, ergänzt der Lehrer aus Bonnevoie. Vielen von ihnen werde gerade ihre Zukunftsperspektive genommen. « Die Folgen für die ganze Gesellschaft sind zwar noch nicht abzusehen. Einem Großteil der jungen Generation wird aber gerade das Gefühl gegeben, dass sie nicht mehr gebraucht wird. »

„Gebraucht werden sie schon“, sagt hingegen Stephan Hawlitzky, „Es sind noch knapp 1.000 Lehrplätze frei“, erklärt der Abteilungsleiter der ADEM, der auch für das so genannte Matching zuständig ist, also für die Vermittlung zwischen Ausbildern und Auszubildenden. „Doch leider befinden sich die Lehrstellen nicht unbedingt in den Bereichen, in denen die Jungen suchen.“

Das Angebot auf dem Arbeitsmarkt decke sich nicht immer mit den beruflichen Vorstellungen der Auszubildenden. Im Baubereich, im Servicebereich der Restauration oder auch in der Industriemechanik gebe es durchaus Ausbildungsbetriebe, die noch Lehrlinge suchen, führt Stephan Hawlitzky einige Beispiele an. Allerdings sei das Interesse vieler Jugendlicher an diesen Berufen nicht besonders ausgeprägt. Überlaufen seien hingegen Friseurbetriebe, Bäckereien, Reiseveranstalter oder auch Optiker. Bei diesen wiederum handele es sich meist um Familienunternehmen, die durch die Krise noch vorsichtiger geworden seien.

Unterstützung für Unternehmen

Im zuständigen Ministerium ist man sich der Ausnahmesituation bewusst. Es wurden Maßnahmen ergriffen, um zumindest die pandemiebedingte Verschlechterung der Ausbildungslage abzufedern. So wurden im Rahmen der rezenten Rettungspakete für die Wirtschaft Anreize für Unternehmen geschaffen, trotz Unsicherheit neue Lehrstellen anzubieten. Seit August liegt ein Gesetzesentwurf vor, der Betrieben eine einmalige Prämie von bis zu 5.000 Euro pro Lehrling in Aussicht stellt, sollten sie die Ausbildungen in ihrem Betrieb erweitern oder zumindest aufrechterhalten. Wann das Gesetz in Kraft tritt und somit das erste Geld fließen kann, ist aber noch nicht abzusehen.

Normalerweise werden Schüler ohne Lehrvertrag nicht in die Schulen eingeschrieben. In diesem Jahr ist das anders. Wir brechen hier mit Traditionen. »Véronique Schaber, Bildungsministerium

Um den Druck auf die Jugendlichen, die eine Ausbildungsstelle suchen, zu reduzieren, spielt die Politik auf Zeit: Die Frist, einen Lehrbetrieb zu finden und ein Ausbildungsverhältnis abzuschließen endet für das laufende Ausbildungsjahr normalerweise am 31. Oktober. In diesem Jahr jedoch wurde sie bis zum 31. Dezember verlängert. Der zweimonatige Aufschub soll zumindest die Lahmlegung der Prozeduren während des Lockdowns kompensieren.

Außerdem betont Véronique Schaber, Abteilungsleiterin für die « Formation professionnelle » im Bildungsministerium, dass angesichts der Pandemie eine Grundsatzregel über Bord geworfen wurde: „Normalerweise werden Schüler ohne Lehrvertrag nicht in die Schulen eingeschrieben“, erklärt sie. « In diesem Jahr ist das anders. Wir brechen hier mit Traditionen“, so die hohe Beamtin.

Krisenbedingte Notmaßnahmen

« Das war definitiv eine gute Entscheidung », sag Guy Pütz, Direktor des « Centre national de formation professionnelle continue » (CNFPC) in Esch. « Wir wollen niemanden verlieren. » Im Moment fungieren das CNFPC in Esch und jenes in Ettelbrück als eine Art Auffangstruktur für jene Schülerinnen und Schüler, die zwar in einer Berufsschule eingeschrieben sind, jedoch noch keinen Lehrbetrieb gefunden haben.

Wir versuchen, eine komplette und individuelle Beratung zu gewährleisten. Wir werden die Kinder und Jugendlichen sicher nicht fallen lassen. »Laurent Goedert, Direktor des CNFPC Ettelbrück

An jenen Tagen, die die Schüler und Schülerinnen normalerweise im Betrieb verbringen würden, bietet das CNFPC ihnen nun spezifische Kurse an, die ihnen helfen sollen, bis Ende des Jahres doch noch eine Lehrstelle zu finden. « Sie werden über ihre Rechte und Pflichten in einer Ausbildung aufgeklärt und bekommen Hilfe beim Verfassen von Bewerbungsschreiben und Lebensläufen », beschreibt Laurent Goedert, CNFPC-Direktor in Ettelbrück, das Programm. Angeboten werden aber auch Kurse zur Allgemeinbildung und zur Verbesserung von Sprachkenntnissen.

« Unsere erste Priorität liegt darin, so vielen Auszubildenden wie möglich noch eine Lehrstelle zu vermitteln », sagt auch Guy Pütz aus dem CNFPC in Esch. Manchmal durch Kontakte, manchmal aber auch durch die Umorientierung von Auszubildenden. « Die Vorstellung von einem Beruf und die Realität im Berufsalltag sind oft nicht dieselbe », erklärt er.

Deshalb versuchten sie, Auszubildende auch für Berufe zu begeistern, die ihnen weniger bekannt waren. « Viele von ihnen möchten gerne Automechaniker werden », erzählt er. Die Konkurrenz sei hier aber riesig, das Angebot längst nicht ausreichend für die große Nachfrage. Doch es gebe Berufe, beispielsweise den des Industriemechanikers, die ein ähnliches Profil hätten und gesucht würden. « Wir sind dazu da, die Auszubildenden auch für versteckte Möglichkeiten zu sensibilisieren », sagt der Direktor.

Soziale Hilfen und mehr Flexibilität

Die nächsten Wochen seien entscheidend, sagen die Experten. Dann werde sich zeigen, wie viele der bei ihnen eingeschriebenen Jugendlichen noch vermittelt werden konnten. Doch auch jene, die in diesem Jahr keine Lehrstelle finden, sollen bestmöglich aufgefangen werden. Das Ministerium ist dabei, ein pandemiespezifisches Auffangprogramm für sie auszuarbeiten, das Anfang Januar starten soll.

Unter dem Namen « Fit4Vet » sollen die CNFPC-Einrichtungen Schulungen und Kurse anbieten, um die Schülerinnen und Schüler für das nächste Jahr « fit zu machen », für ihre « Vocation » (Berufung), durch « Education » und « Training ». Das Programm hat weitere, nicht zu vernachlässigende Nebeneffekte: Die Jugendlichen bleiben im Schulsystem eingeschrieben und haben weiterhin Anspruch auf die Sozialleistungen für Schüler. Außerdem tauchen sie als eingeschriebene Schüler nicht in den Zahlen zur Arbeitslosigkeit auf.

« Die Situation ist definitiv schwierig », sagt Guy Pütz. Keiner wisse, ob doch noch ein zweiter Lockdown komme und wie lange viele Betriebe weiterhin auf die Kurzarbeit-Regelung zurückgreifen müssten. « Da fällt es niemandem leicht, sich zu neuen Ausbildungsverhältnissen zu verpflichten », sagt er. Doch gleichzeitig ist er sich auch sicher, dass der Luxemburger Arbeitsmarkt weiterhin große Möglichkeiten bietet. Die Auszubildenden müssten sie nur erkennen, sagt Guy Pütz abschließend. « Die Chancen sind vielleicht aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. »


Lesen Sie mehr zum Thema