Mit der aktuellen Testwoche will die Regierung Infektionsketten brechen. Bisher nahmen viele an der Kampagne teil. Doch die Ziele des Gesundheitsministeriums sind schwer zu erreichen. Indem sich aber auch Geimpfte testen, werden die Feiertage sicherer.

Die Zahl der Neuinfektionen um die Hälfte senken und die vierte Welle brechen: Das ist das sehr ehrgeizige Ziel der Kampagne « Lëtzebuerg test sech ». Vor den Feiertagen will die Regierung gegensteuern, da der Anteil der positiven PCR-Tests aktuell mit über zehn Prozent sehr hoch ist. Diese Rate deute darauf hin, dass viele Fälle unentdeckt bleiben, sagte Thomas Dentzer von der « Direction de la Santé » im Interview mit « RTL ».

« Wir wollen ganz viele Träger des Virus rausfiltern, denn dann sind sie keine Gefahr mehr für andere », erklärte der Direktor der Gesundheitsbehörde, Jean-Claude Schmit, in einem Live-Video am Dienstag. Diese Woche sollen sich Bürger an zwei Tagen mit einem Schnelltest selbst testen. Sollte die Testkampagne Erfolg haben, dann könne man einen Lockdown oder überlastete Krankenhäuser verhindern.

Es geht demnach um viel. Doch ob die Ziele des Gesundheitsministeriums erreicht werden können, ist mehr als fraglich. Die Kommunikation im Vorfeld war lückenhaft und die Tests haben nur eine begrenzte Zuverlässigkeit. Dazu kommt, dass die privaten Labore bei den PCR-Tests bereits vor der Kampagne an der Kapazitätsgrenze waren. Ein solcher Test ist jedoch nötig, um jeden positiven Schnelltest zu bestätigen.

Große Nachfrage der Bürger

Zum Start der Kampagne am Dienstag hatten die Apotheken 148.410 Kisten mit jeweils fünf Tests an Kunden herausgegeben. Das teilte das « Syndicat des Pharmaciens Luxembourgeois » (SPL) auf Nachfrage von Reporter.lu mit. Besonders am Montag haben die knapp 100 teilnehmenden Apotheken einen regelrechten Ansturm erlebt.

Demnach haben knapp 55 Prozent der 270.000 Haushalte ihre per Post zugestellten Gutscheine eingelöst. Viele Bürger nutzten allerdings auch die Tests, die von der Regierung im Frühling verteilt worden waren. Die aktuelle Beteiligung am Testen ist also schwierig einzuschätzen. Positiv wird sich auswirken, dass in den Schulen weiterhin dreimal pro Woche getestet wird.

Es ist ein Experiment. »Jean-Claude Schmit, Direktor der Gesundheitsbehörde

Das Gesundheitsministerium hatte dazu aufgerufen, Fotos von den durchgeführten Tests in den sozialen Netzwerken zu posten. Und tatsächlich folgten Hunderte diesem Appell. Allerdings fanden sich online mindestens genauso viele offene Fragen. So erhielt jeder Haushalt nur fünf Tests, unabhängig davon, wie viele Personen dort leben. Dutzende gaben an, keine Gutscheine erhalten zu haben.

Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) hatte die Kampagne am 29. November bei einem Pressebriefing angekündigt. Die Tests selbst hatte das Ministerium bereits im Sommer gekauft. Ende August wurde der Vertrag mit « Siemens Healthcare SA » über die Lieferung von 3,5 Millionen Schnelltests für 6,6 Millionen Euro unterzeichnet. Das zeigt eine Veröffentlichung auf der EU-Plattform TED. Die Apotheken erhielten laut dem Verband SPL eine Aufwandsentschädigung, die jener entsprach, die die Post für die Verteilung in Rechnung gestellt hätte.

Erfolge in Slowakei und Südtirol

Die Erwartungen der Regierung sind sehr hoch. « Andere Länder und Regionen haben gezeigt, dass es klappt », sagte der Virologe Thomas Dentzer gegenüber « RTL ». In Luxemburg sei mit einem Rückgang von « 30, 40 und bis zu 50 Prozent » der Neuinfektionen zu rechnen, so der Experte des Gesundheitsministeriums gegenüber « Radio 100,7 ». Damit setzt er jedoch hoch an, denn die Faktenlage ist dünn. Auf welche Länder sich Thomas Dentzer bezog, ist unklar.

Bekannt sind vor allem die Testkampagnen in der Slowakei und in der italienischen Provinz Südtirol im November 2020. Die Bevölkerung in beiden Regionen wurde großflächig mit Antigen-Schnelltests getestet. Die Tests wurden aber von Gesundheitspersonal durchgeführt – so wie beim « Large Scale Testing » hierzulande. Die Kampagne in der Slowakei wurde drakonisch durchgesetzt. Wer nicht teilnahm, für den galt ein Lockdown. In Südtirol war die Teilnahme freiwillig.

Klar ist: Sowohl in der Slowakei als auch in Südtirol waren die Massentests ein Erfolg. Die Verbreitung des Coronavirus sank in den teilnehmenden slowakischen Regionen nach einer Woche im Schnitt um 58 Prozent. Nach zwei Wochen lag die Prävalenz 82 Prozent tiefer, so das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie. Bei insgesamt 5,3 Millionen Tests wurden knapp 50.500 positive Patienten entdeckt. In Südtirol war das Resultat ebenfalls beeindruckend, denn die Sieben-Tage-Inzidenz sank von 111 auf 32 einen Monat nach den Tests, so eine Auswertung von Forschern.

Beschränkte Zuverlässigkeit der Tests

Die Wissenschaftler betonen allerdings, dass der Effekt der Testkampagne in der Slowakei nur schwer von anderen, zu dem Zeitpunkt wirksamen, Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unterschieden werden kann. Gleiches bemerkten auch die Forscher, die sich mit Südtirol beschäftigten. Es ist daher kaum möglich, die Ergebnisse aus Südtirol und der Slowakei auf die aktuelle Lage in Luxemburg zu übertragen. Für die Slowakei gingen die Forscher davon aus, dass 70 Prozent der infektiösen Personen durch die Tests entdeckt würden.

Der wohl größte Unterschied ist, dass hierzulande inzwischen 79 Prozent der Jugendlichen und Erwachsenen über zwölf Jahre geimpft sind. Und das hat einen großen Einfluss auf die Zuverlässigkeit der Schnelltests. Denn: Geimpfte und Genesene haben oft eine geringe Viruslast, wenn sie infiziert sind. Dadurch würden die Antigen-Tests weniger Positive entdecken, warnte etwa der Münchner Virologe Dieter Hoffmann im Interview mit dem Magazin « Monitor ». Dass die Tests in der Kampagne von den Personen selbst und nicht durch geschultes Personal durchgeführt werden, senkt die Trefferquote ebenfalls.

Wir werden Ende dieser Woche und die ganze nächste Woche die maximale Testkapazität erreichen. »Stéphane Tholl, « Laboratoires Réunis »

Es hängt allerdings auch deutlich von den jeweiligen Tests ab, wie stark die Genauigkeit abnimmt. Das ergab eine Studie des Paul-Ehrlich-Instituts. Die von der Regierung verteilten Schnelltests des Herstellers « Siemens Healthineers » schneiden dabei relativ gut ab – sind aber nicht in den Top Ten. Siemens gibt eine Sensitivität von 97 Prozent an. Das heißt, bei 97 von 100 Erkrankten kann der Test das Virus im Schnitt nachweisen. Doch die Forscher fanden heraus, dass die Genauigkeit bei geringerer Viruslast auf 75 Prozent sinkt.

Damit ist der Siemens-Test immerhin deutlich zuverlässiger als die in den vergangenen Monaten von der Regierung großflächig verteilten Tests anderer Hersteller. Die an Betriebe verteilten Tests von « Wondfo » haben bei geringerer Viruslast eine Trefferquote von nur 30 Prozent. Die ebenfalls weit verbreiteten Tests von « Lepu » liegen bei 46 Prozent. Klar ist: Die Schnelltests erkennen auch die neue Corona-Variante Omikron.

Labore an der Kapazitätsgrenze

Auf dem Foto, das Premier Xavier Bettel (DP) am Dienstag postete, ist zu sehen, dass er einen « Wondfo »-Test nutzte. Ob er dem Resultat vertraute, ist nicht überliefert. Grundsätzlich gilt: Obwohl falsch-positive Tests selten sind, muss jeder Selbsttest mit einem PCR-Test bestätigt werden.

Das ist ein Problem für die privaten Testlabore. Die Zahl der PCR-Tests liegt seit Ende November bei über 30.000 pro Woche. Warteschlangen vor den Laboren und wenige verfügbare Testtermine waren die Folge.

Im Dezember hat die Nachfrage gegenüber November um 50 Prozent zugenommen, sagt der beigeordnete CEO von « Laboratoires Réunis », Stéphane Tholl. Das Privatlabor kann täglich bis zu 2.500 Tests durchführen. « Seit Dezember sind wir knapp unter unseren maximalen Kapazitäten und werden Ende dieser Woche und die ganze nächste Woche das Maximum an Tests erreichen », erklärt er gegenüber Reporter.lu.

Wie viele positive Fälle durch « Lëtzebuerg test sech » entdeckt werden, ist schwer einzuschätzen. In der Slowakei waren vor einem Jahr knapp ein Prozent der Tests positiv. Nimmt man diesen Anteil als Grundlage und geht man davon aus, dass von den Haushalten, die Gutscheine eingelöst haben, zwei Personen diese Woche jeweils zwei Tests machen, wären das 6.000 positive Resultate und damit auch Tausende zusätzliche Tests.

Die Frage, ob das Gesundheitsministerium im Vorfeld mit den Laboren eine Erhöhung der Kapazitäten besprochen habe, ließ eine Sprecherin des Ministeriums bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Laut Jean-Luc Dourson, Chef des Privatlabors « Bionext », gab es eine solche Absprache nicht, erklärt er auf Nachfrage von Reporter.lu. Stéphane Tholl spricht von einem regelmäßigen Austausch mit der « Santé ».

Das Problem sei nicht die technische Durchführung der Tests, sondern es mangele seit Monaten an Mitarbeitern, die die Proben bei den Patienten entnehmen, betont Jean-Luc Dourson. Bionext hat sein Team für die nächsten Wochen um 20 Mitarbeiter verstärkt, so der Unternehmenschef, um die hohe Nachfrage über die Feiertage zu stemmen.

Geimpfte sollen sich vermehrt testen

Ob die hochgesteckten Ziele von Paulette Lenert erreicht werden, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Trotz langer Vorlaufzeit kommunizierte das Gesundheitsministerium nur spärliche Informationen an die Presse. Fragen von Reporter.lu wurden trotz Einsendung vier Tage vor Redaktionsschluss nicht beantwortet.

« Es ist ein Experiment », meinte Jean-Claude Schmit am Dienstag. Vor allem wies er darauf hin, dass auch Geimpfte vor Familienfeiern einen Schnelltest machen sollten. In den vergangenen Wochen meldeten keine Privatpersonen einen positiven Selbsttest, was darauf schließen lässt, dass sie wenig genutzt werden.

Auch wenn manche sich diese Woche nicht testeten, werden sie das vielleicht noch an den Feiertagen tun. Die Gutscheine können noch bis Ende des Jahres in den Apotheken eingelöst werden, teilte der Verband SPL mit. Diese Information fehlt in den Mitteilungen des Gesundheitsministeriums.