Krankenpflegerinnen und -pfleger fordern schon seit geraumer Zeit bessere Arbeitsbedingungen und Karrierechancen, um dem Personalmangel im Sektor langfristig entgegenzuwirken. Die Einführung eines Bachelor-Studiengangs steht zur Diskussion, bald wohl auch im Kabinett.

Die Situation im Pflegesektor war laut den Betroffenen schon vor der Pandemie nicht, wie sie sein sollte. Doch durch die Ausnahmesituation rückte im letzten Jahr die Wichtigkeit der Pflegeberufe in den Alltag der Gesellschaft. Die Überlastung durch die sanitäre Krise machte den Personalmangel sowie versäumte Reformen und veraltete Ausbildungssysteme offensichtlich. In einem oft unkoordiniert wirkenden System fand das Pflegepersonal vermehrt Gehör.

In Luxemburg sind etwa 7.000 Krankenpfleger und -pflegerinnen beschäftigt, rund zwei Drittel von ihnen kommen aus dem angrenzenden Ausland. Bis 2035, also in knapp dreizehn Jahren, werden 40 Prozent der heute arbeitenden Pflegekräfte in Rente sein. Der Handlungsbedarf wird demnach auch der Politik bewusst.

Am 27. November fand ein erstes Treffen zwischen Vertretern der nationalen Vereinigung der Krankenpfleger und -pflegerinnen (ANIL) und Premierminister Xavier Bettel (DP) statt. Am 7. Januar folgte nun eine zweite Unterredung. Diesmal interministeriell, neben dem Premierminister nahmen daran auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), Familienministerin Corinne Cahen (DP), Bildungsminister Claude Meisch (DP) und Sozialminister Romain Schneider (LSAP) teil.

Aufwertung und Anerkennung

Die Forderungen der ANIL sind klar: „Es müssen jetzt auf Regierungsebene Entscheidungen getroffen werden, wie die Politik konkret dafür sorgen kann, dass mehr Pfleger und Pflegerinnen ausgebildet und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden“, fordert Anne-Marie Hanff im Gespräch mit Reporter.lu. Die Vorsitzende der ANIL verlangt die Schaffung eines Bachelor-Studiengangs und die Abschaffung der „BTS“-Ausbildung.

„Eine Ausbildung auf universitärem Niveau hätte mehrere Vorteile“, erklärt Anne-Marie Hanff. Ein höheres Diplom würde den Handlungsspielraum des Pflegepersonals erweitern und der Verantwortung, die es heute schon trage, gerechter werden. „Wir würden effizienter arbeiten, was letztlich auch Kosten sparen würde“, sagt Anne-Marie Hanff und verdeutlicht es anhand eines Beispiels: „Heute darf eine Krankenschwester einen Patienten zwar waschen und an- und ausziehen, ihm aber nicht seine Stützstrümpfe anziehen. Dafür muss sie den Arzt kommen lassen.“

Eine Ausbildung mit anerkanntem Universitätsdiplom könnte aber nicht nur die Schieflage zwischen den Kompetenzen und dem Handlungsspielraum ausgleichen, sondern hätte noch weitere Vorteile: Es gäbe im Land dann zwangsläufig Professoren oder andere Dozenten, die sich mit der Pflege beschäftigten. „Das würde das Innovationspotential verbessern und uns eine bessere Argumentationsgrundlage bieten“, sagt Anne-Marie Hanff. „Und Herr Bettel könnte dann auch die Studien und Statistiken, die er immer wieder in Aussicht stellt, leichter realisieren lassen“, fügt sie hinzu.

Karriereperspektiven schaffen

Laut der ANIL-Präsidentin reicht es allerdings nicht, den Beruf des Krankenpflegers zu akademisieren, um einen Anreiz für junge Leute zu schaffen, diesen Berufsweg einzuschlagen. „Es muss unbedingt auch etwas dafür getan werden, jene Menschen, die sich einmal für diesen Bereich entschieden haben, im Beruf zu halten“, sagt Anne-Marie Hanff. Es gebe zwar keine Zahlen für Luxemburg, doch viele Krankenpfleger würden noch vor ihrem 40. Geburtstag das Berufsfeld verlassen und umsatteln.

„Die Karrierelaufbahnen sind einfach zu flach und einseitig », sagt Anne-Marie Hanff. Im Ausland sei der Beruf des Pflegeexperten, der „infirmière de pratique avancée“, gang und gäbe. Die Perspektive, nach mehreren Jahren Berufserfahrung die vorderste Front und damit bis zu einem gewissen Grad auch die aufreibende Schichtarbeit verlassen zu können, um als erfahrenes Mitglied im Team für Qualitätssicherung, Koordination oder auch interne Ausbildung verantwortlich zu sein, würde sicher mehr Menschen im Beruf halten, so ihre Hoffnung.

« Bei uns in Luxemburg gibt es diese Berufsbilder noch nicht », sagt Anne-Marie Hanff. « Es hängt alles miteinander zusammen: Ohne aufgewertete Ausbildung und erweiterte Karrierechancen fehlen die Anreize. Die Folge: Der Mangel an Personal wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verschlimmern », sagt die Präsidentin abschließend.

Um den Problemen im Gesundheitssystem langfristig entgegenzuwirken, bedarf es also einer politischen Gesamtstrategie. Dass die Ausbildungen im Pflegesektor auf der Agenda des Regierungsrates vom 24. Januar stehen, darf in dieser Hinsicht als Schritt in die richtige Richtung gedeutet werden.


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