Alle fünf bis sechs Jahre wieder: Auch nach den Gemeindewahlen echauffieren sich Politiker unterschiedlicher Parteien über den vermeintlich nicht respektierten „Wählerwillen“. Der Begriff ist nicht nur schwammig, sondern auch gefährlich. Ein Kommentar.

„De Wielerwëllen muss respektéiert ginn“: Beobachtern der Luxemburger Politik dürfte dieser Satz in ähnlichen Abwandlungen allzu bekannt vorkommen. Die Debatte darüber ist mittlerweile fester Bestandteil der Nachlese von Wahlen im Land. Und sie ist nach wie vor höchst problematisch.

Zunächst gibt es nämlich nie einen einzigen „Wählerwillen“, sondern immer mehrere und sehr unterschiedliche. Wenn man es genau nimmt, gibt es so viele Wählerwillen, wie es Wählerinnen und Wähler gibt. Die Vorstellung von Politikern oder Sympathisanten, wonach sie genau wissen oder entscheiden könnten, wie der einzig wahre « Wählerwille » zu deuten sei, ist also schon an sich eine Anmaßung.

Ein überparteiliches Phänomen

Die entsprechende Begründung hört man vor allem von jenen Politikern, die bei einer Koalitionsbildung leer ausgehen. Ihre Enttäuschung ist zwar nachvollziehbar. Doch die Kritik anhand des „Wählerwillens“ ist es nicht. Das berühmteste Beispiel ist wohl die Stimmungsmache der CSV nach dem Machtverlust von 2013. Bis heute versuchen manche CSV-Politiker bei ihren Wählern die Auffassung zu verfestigen, wonach eine Koalition gegen die stärkste Partei ein Verrat am „Wählerwillen“ gewesen sei.

Der ‘Wählerwille’ ist nicht nur ein Scheinargument, sondern zutiefst populistisch. Denn er schürt letztlich Zweifel an der Legitimität der Demokratie.“

Gleichzeitig scheut sich dieselbe Partei natürlich nicht, auf kommunaler Ebene genauso vorzugehen, wie sie es damals ihren Konkurrenten vorwarf. Dort kommt die gleiche Agitation dann von anderen Parteien. Rezentes Beispiel: Die LSAP legte in Esch/Alzette bei den Wahlen am Sonntag leicht zu und schnitt mit 29,57 Prozent denkbar knapp als stärkste Partei ab. Der „Wählerwille“ zeige, so die sozialistische Argumentation, dass die Escher die LSAP wieder in Verantwortung sehen wollten.

Genauso gut könnte man aber mit dem „Wählerwillen“ argumentieren, dass 70,43 Prozent des Wahlvolkes in der zweitgrößten Stadt des Landes eine andere Partei als die LSAP gewählt haben. Ähnliche Rechnungen könnte man freilich in anderen Gemeinden mit anderen Konstellationen aufstellen …