Das Parlament gibt sich neue Regeln, die zu mehr Transparenz bei den Nebeneinkünften von Abgeordneten führen sollen. Doch die schriftlichen Erklärungen der einzelnen Parlamentarier sind nach wie vor lückenhaft. Das zeigen Recherchen von Reporter.lu.
Zwei Schritte nach vorne, einen Schritt zurück. So lässt sich nicht nur das Prinzip der Echternacher Springprozession, sondern auch die Transparenzpolitik des Parlaments beschreiben. Mit der neuen „Déclaration des intérêts financiers“ versuchten die Abgeordneten ihre wirtschaftlichen Interessen offener darzulegen. Während nun leichter nachzuvollziehen ist, welche Funktionen die Abgeordneten neben ihrem Mandat ausüben, wurde ihre finanzielle Situation jedoch undurchsichtiger.
Reporter.lu hat die Anwendung der Transparenzregeln im Parlament in den vergangenen Jahren mehrmals systematisch durchleuchtet. Dabei konnten diverse Versäumnisse und Verstöße gegen den Verhaltenskodex für Abgeordnete festgestellt werden. Die betroffenen Politiker besserten meistens innerhalb kurzer Zeit nach und auch die Parlamentsverwaltung reagierte, indem sie eine Reform der entsprechenden Regeln anstieß.
Heute lässt sich grundsätzlich sagen: Die meisten Abgeordneten haben ihre schriftlichen Erklärungen deutlich detaillierter ausgefüllt als noch vor zwei Jahren. Doch durchgehend gewissenhaft gestaltet sich die Offenlegung ihrer Nebeneinkünfte immer noch nicht.
Mögliche Einflussnahme, keine Kontrolle
Der Sinn des Verhaltenskodexes ist seit seiner Einführung Ende 2014 klar: „Das Ziel ist nicht, das Vermögen des Abgeordneten offenzulegen, sondern den Bürgern die Mittel zu geben, um beurteilen zu können, inwieweit ein Volksvertreter in seinen Entscheidungen frei ist“, erklärte Alex Bodry (LSAP) nach der Verabschiedung der neuen Regeln im Jahr 2014. Allerdings hat der Kodex eine wesentliche Schwäche: Niemand kann die Einhaltung der Regeln kontrollieren. Wenn es um mögliche Interessenkonflikte von Parlamentariern geht, gilt das Prinzip der Selbstkontrolle.
Wie wichtig diese Kontrolle ist, zeigte sich neulich im Parlament. Die Abgeordneten bewilligten am 30. November einstimmig den Ausbau und die Renovierung der Gebäude der « Fondation Kraïzbierg » in Düdelingen. Das Problem: Sowohl Marc Spautz (CSV) als auch Guy Arendt (DP) sitzen im Verwaltungsrat dieser Stiftung. Beide gingen zwar während der Abstimmung aus dem Sitzungssaal, doch ihre Fraktionskollegen Georges Mischo (CSV) und Gusty Graas (DP) stimmten dem Projekt in ihrem Namen zu. Erst nach einer Anfrage von Reporter.lu wurde der Abstimmungsbericht im Nachhinein angepasst, indem die beiden Stimmen handschriftlich abgezogen wurden.
Die Episode verdeutlicht, wie leichtfertig der Umgang mit Interessenkonflikten in Luxemburgs Parlament sein kann. Das Beispiel ist keine Ausnahme, wie bereits Recherchen von Reporter.lu zur Praxis in den Ausschüssen für Finanzen und Wirtschaft zeigten.
Ab wann gilt ein « signifikanter Einfluss »?
Eine Vermischung von Interessen ist etwa auch möglich, wenn Entscheidungen im Parlament Einfluss auf ein Unternehmen haben, bei dem ein Parlamentarier selbst Aktionär ist. Eine klare Regel gibt es hierfür nicht. Der Verhaltenskodex sieht lediglich vor, alle Unternehmen anzugeben, die entweder einen Einfluss auf die Politik des Abgeordneten haben könnten oder in denen der Abgeordnete einen „signifikanten Einfluss“ hat. Doch ab wie vielen Aktien ist dies der Fall? Die Entscheidung trifft letztlich jeder Abgeordnete für sich selbst.
Das Parlament versucht nun in der „Déclaration des intérêts financiers“ zwischen diesen beiden Fällen zu unterscheiden. Damit folgte die Verwaltung dem Wunsch von vielen Abgeordneten. „Es wurde oft gefragt, dass das Formular verständlicher und klarer sein müsse. Das haben wir versucht, mit dieser Einteilung zu erreichen“, sagt Benoît Reiter, stellvertretender Generalsekretär des Parlaments, im Gespräch mit Reporter.lu. In der Frage, was allerdings als „signifikanter Einfluss“ auf ein Unternehmen gilt, konnte auch die Verwaltung keine klare Antwort geben.
Wenn man sich diese Frage bereits stellt, dann empfehlen wir stets, das Unternehmen auch anzugeben. »Benoît Reiter, Parlamentsverwaltung
„Ich habe zwei Anteile von je 100 Euro bei der Genossenschaft ‘Ouni’, das bedeutet aber noch nicht, dass ich einen Einfluss auf das Unternehmen habe“, sagt etwa François Benoy (Déi Gréng) im Gespräch mit Reporter.lu. Seine Fraktion hat demnach beschlossen, nur Unternehmen in den schriftlichen Erklärungen anzugeben, in denen die Abgeordneten mehr als fünf Prozent der Anteile besitzen. „Wir haben uns dafür an den Regeln des Deutschen Bundestags orientiert“, erklärt der Abgeordnete. Vor der Verabschiedung des neuen Formulars hatten die Grünen noch beschlossen, alle Beteiligungen anzugeben. Sprich, auch die Beteiligung des Abgeordneten bei „Ouni“.
Doch auch diese Empfehlung hat ihre Tücken. „Wenn ein Abgeordneter etwa vier Prozent Anteile einer Firma besitzt, während alle anderen Aktionäre weniger haben, dann hat er einen klaren Einfluss auf diese“, meint Benoît Reiter von der Parlamentsverwaltung. Manchmal werde die Verwaltung gefragt, ob ein bestimmtes Unternehmen anzugeben sei. „Wenn man sich diese Frage bereits stellt, dann empfehlen wir stets, das Unternehmen auch anzugeben“, so der stellvertretende Generalsekretär.
Parlamentarische Raiffeisen-Fraktion
Im Umkehrschluss gebe es aber auch Unternehmen, in denen Abgeordnete kaum Einfluss haben, die Nähe zu den Firmen sich allerdings per se auf die Politik auswirken könne. Mehrere Abgeordnete erklärten etwa, Aktien des Satellitenbetreibers „SES“ zu besitzen. Ein weiteres Beispiel sind Anteile an einer bestimmten Bank. Einige Abgeordnete geben diese auch an. Ende August berichtete Reporter.lu über eine Liste mit allen Anteilseignern der „Banque Raiffeisen“. In der Liste befinden sich unter anderem die Parlamentarier Diane Adehm, Laurent Mosar, Françoise Hetto-Gaasch (alle CSV) und André Bauler (DP). Sie geben ihre Anteile von je 25 Euro in den offiziellen Erklärungen als potenzielle Einflussnahme auf ihre Politik an.
Allerdings sind sie nicht die einzigen Abgeordneten mit einer vergleichbaren Verbindung zur Genossenschaftsbank. Aus fast allen Parteien haben Abgeordnete versäumt, diesen Anteil an der Bank in der Erklärung anzugeben. Demnach haben sowohl die beiden Grünen-Abgeordneten Semiray Ahmedova und Carlo Back als auch Mars Di Bartolomeo, Georges Engel und Cécile Hemmen (alle LSAP) Anteile an der « Banque Raiffeisen ». Félix Eischen, Martine Hansen, Octavie Modert (alle CSV) und Jeff Engelen (ADR) verschweigen diesen Anteil in ihren schriftlichen Erklärungen ebenfalls. Dabei handelt es sich um eine Frage der Auslegung des Kodexes. Laut diesem entsteht bei Abgeordneten etwa kein Interessenkonflikt « aus der bloßen Zugehörigkeit einer großen Gruppe von Personen. » Als Kunde einer größeren Bank in Luxemburg ist dieses Kriterium erfüllt. Eine klare Richtlinie, was als « große Gruppe » gilt, gibt es aber nicht.

Das Prinzip der Transparenzregeln des Parlaments ist einfach: Die Abgeordneten sind für die Vollständigkeit und Korrektheit ihrer Angaben selbst zuständig. Generell gelten die gleichen Sanktionen für falsche oder vergessene Angaben, die die Geschäftsordnung der Abgeordnetenkammer ohnehin vorsieht. Der Parlamentspräsident könnte etwa einen Abgeordneten öffentlich rügen oder einem Parlamentsmitglied gar verbieten, an bestimmten Ausschusssitzungen teilzunehmen.
Die Parlamentsverwaltung sieht sich indes eher in einer unterstützenden Rolle. Eine effiziente Kontrolle sei kaum möglich, sagt Benoît Reiter. „Wie soll die Parlamentsverwaltung nachvollziehen können, an welchen Unternehmen ein Abgeordneter Anteile besitzt? Die Verantwortung liegt bei ihnen selbst. »
« Frendeskrees » und andere Versäumnisse
In einem Bereich ist eine Kontrolle jedoch nicht mehr nötig. Ehemalige Beamte mussten im alten Formular noch angeben, wie hoch ihr „Traitement d’attente“ oder ihre « Pension spéciale » ausfiel. Nun müssen sie nur noch ankreuzen, ob sie diese Gelder beziehen. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass der Betrag nichts über einen möglichen Interessenkonflikt aussagen würde. In seinem Bericht zum Änderungsvorschlag erklärte Roy Reding (ADR), dass diese Beträge ohnehin gesetzlich festgelegt seien.
Jedoch ist durch die Änderung nicht mehr nachzuvollziehen, wie hoch die tatsächlichen monatlichen Einnahmen eines Abgeordneten sind. Lediglich Yves Cruchten (LSAP) gibt freiwillig seine Bezüge als Ex-Kommunalbeamter an. Demnach soll er jährlich 56.898 Euro zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt erhalten. „Ich persönlich finde es besser, möglichst präzise anzugeben, wie viel Nebeneinkünfte man bezieht, dann lässt man auch keinen Raum für Spekulationen und Anzweifelung“, sagt der designierte Vorsitzende der LSAP-Fraktion im Gespräch mit Reporter.lu.
Den Vorteil einer genauen Angabe der Einkünfte zeigt das Beispiel von Lydie Polfer (DP). Nur weil die Aufwandsentschädigung der Bürgermeisterin der Hauptstadt per Gesetz festgelegt wird, ist es überhaupt möglich, die Angaben zu überprüfen. In den meisten Fällen liegt es aber an den einzelnen Politikern, wie genau sie das handhaben. Yves Cruchten sieht sich denn auch in seiner zukünftigen Position als LSAP-Fraktionschef nicht in der Rolle, die Angaben seiner Parteikollegen zu überprüfen. „Ich habe unsere Fraktionsmitglieder aber daran erinnert, das neue Formular auszufüllen, das ist vielen entgangen“, so Yves Cruchten.
Andere Beteiligungen an Unternehmen oder Organisationen lassen sich durch eine Recherche im Handelsregister nachvollziehen. Die meisten Abgeordneten geben zum Beispiel auch ihre Mitgliedschaft in Parteiorganen an. Die Mitglieder des „CSV-Frendeskrees“ haben diesen Verein in ihrer Erklärung aufgelistet – mit Ausnahme von Paul Galles. Indes geben Mars Di Bartolomeo, Georges Engel, Claude Haagen und Cécile Hemmen ihre Mitgliedschaften im „Frëndeskrees“ der LSAP in ihren schriftlichen Erklärungen nicht an.
Politiker und ihre Immobilien
Im Handelsregister finden sich auch mehrere Immobiliengesellschaften, an denen Abgeordnete beteiligt sind. Diese wurden erstmals alle in den verschiedenen Erklärungen angeben – eine weitere Anpassung der Transparenzregeln, die auf Recherchen von Reporter.lu zurückgeht.
Die Entscheidung, auch sogenannte „Sociétés civiles immobilières“ (SCI) in einer Erklärung anzugeben, galt lange als umstritten. Lydie Polfer (DP) sagte etwa vor fast zwei Jahren gegenüber Reporter.lu, es handele sich hierbei um einen „rein familiären Besitz“, der ihrer Auffassung nach nicht offenzulegen sei. Doch der Ethikrat des Parlaments hielt bereits 2015 fest, dass alle Gesellschaften unabhängig von ihrer rechtlichen Form in den Erklärungen der Abgeordneten zu erfassen sind. Im September besserte das Parlament nach. Die SCI werden nun explizit im neuen Formular erwähnt und müssen angegeben werden.
Ich sehe das eher als Prozess. Das ist sicher nicht der letzte Schritt, den wir gemacht haben, um die Transparenz zu verbessern. »Yves Cruchten, LSAP-Abgeordneter
Acht Abgeordnete mussten ihre Gesellschaften durch die neue Bestimmung in ihrer Erklärung angeben. Demnach gehören Lydie Polfer zwei Gesellschaften, die „SCI Nochale“ und die „SCI Cents“. Aus Letzterer bezieht sie jährlich Einnahmen von mehr als 50.000 Euro. Auch bei anderen liberalen Parlamentariern ist die Gesellschaftsform beliebt. Der DP-Abgeordnete Gusty Graas besitzt etwa Anteile in drei SCI. Für die „SCI Bohnestaat“ kümmert er sich etwa um die Verwaltung von Agrarflächen, die sich im Familienbesitz seiner Frau befinden. Die „SCI Gralo“ wird von seiner Schwester geführt, während die Kinder und die Frau des Abgeordneten Anteile an der „SCI Triple G“ besitzen. Diese wurde erst im April eingerichtet.
Guy Arendt hält indes Anteile an der „SCI Henri Guillaume II“, die er laut dem Handelsregister mit Kollegen der Anwaltskanzlei „Bonn & Schmitt“ teilt. Auch Pim Knaff (DP) ist mit seinen Eltern und seiner Schwester Teilhaber einer SCI. Seine Eltern haben schon vor längerer Zeit eine Wohnung in Paris erworben und diese in eine SCI überführt. In Paris hat auch der Grünen-Abgeordnete Charles Margue über eine SCI eine Wohnung. Laurent Mosar (CSV) teilt mit seiner Familie zwei SCI unter den Namen „Coloragy SCI“ und „Lacoste SCI“. Eine weitere haben die Eltern des Abgeordneten erstellt, Laurent Mosar selbst besitzt Anteile. Die SCI „La Colle sur Loup“ verwaltet eine Wohnung in der Umgebung von Nizza und eine samt Parkplatz in Paris. Lediglich Fernand Etgen (DP) und Stéphanie Empain (Déi Gréng) gaben ihre Immobiliengesellschaften bereits vor der neuen Pflicht an.
Der gesamte Immobilienbesitz kann allerdings nicht erfasst werden, da die neue Regelung nur SCI betrifft. Werden Wohnungen von Abgeordneten nicht über eine Gesellschaft verwaltet, müssen sie auch nicht angegeben werden.
Anmerkung der Redaktion: Laut eigener Aussage ist Djuna Bernard (Déi Gréng) nicht mehr Mitglied von der « Gréng Stëftung » – entgegen anderslautender Informationen im Handelsregister. Demnach ist die « Déclaration des intérêts financiers » der Abgeordneten vollständig. Die entsprechende Passage im Artikel wurde angepasst.


