Soll ich mich impfen lassen? Diese Frage stellen sich insbesondere schwangere Frauen. Die Regierung empfiehlt eine Covid-19-Impfung für Schwangere ausdrücklich. Doch unter Gynäkologen gehen die Meinungen bei der Abwägung zwischen Risiken und Nutzen stark auseinander. 

Nathalie* war erleichtert, als sie vor gut einer Woche die Einladung zu ihrem Impftermin gegen Covid-19 in ihrem Briefkasten fand. Die Dreißigjährige ist im siebten Monat schwanger und erwartet ihr erstes Kind. Die Angst, sich mit dem Virus zu infizieren, hat auch bei ihr mit der Schwangerschaft deutlich zugenommen.

Ihre Gynäkologin riet Nathalie ausdrücklich zur Impfung und sprach mit ihr über das erhöhte Risiko eines schweren Infektionsverlaufs, und auch von Früh- oder gar Fehlgeburten. Pressebeiträge, die von dramatischen Schicksalen berichten, gaben der Warnung der Ärztin ein Gesicht. Vor knapp zwei Wochen berichtete etwa « L’Essentiel » über den Tod einer an Covid-19 erkrankten Schwangeren in Esch/Alzette. Bisher ist zwar nicht geklärt, ob ein direkter Zusammenhang zwischen der Infektion und dem Tod der jungen Frau besteht. Doch solche Nachrichten können zur Verunsicherung anderer schwangerer Frauen beitragen.

Zwischen Empfehlung und Verunsicherung

Für Nathalie erschien die Impfung daher als lang ersehnter Schutz. Doch ein paar Tage später spricht sie mit einer Freundin, die sich, ebenfalls schwanger, gegen die Impfung entschieden hat. Auch ihre Gegenargumente leuchten Nathalie ein. Vor allem der Fakt, dass es keine Langzeitstudien gibt. Und dass es demnach unmöglich ist, Folgeschäden für sie und vor allem für ihr Baby eindeutig auszuschließen.

Nicht umsonst hielt sie sich zum Schutz ihres Kindes während ihrer Schwangerschaft von nicht unbedingt notwendigen Medikamenten oder auch risikobehafteten Lebensmitteln fern. Da fällt die Entscheidung über eine Impfung, die überhaupt erst seit wenigen Monaten zugelassen ist, nicht leicht. Nathalie ist verunsichert. Ihren Impftermin hat sie zunächst einmal verschoben.

Ich finde es unverantwortlich, einen Impfstoff in der Schwangerschaft zu spritzen, über den es keine verlässlichen Daten gibt. »Ein Gynäkologe

Mit dem Beginn der fünften Phase der nationalen Impfkampagne Anfang April werden Schwangere in Luxemburg prioritär geimpft. Ein Gynäkologe oder Hausarzt verschreibt die Impfung, das Ministerium lädt dann zum Impftermin ein. Seit einem Kabinettsbeschluss von Ende Januar gehören Schwangere offiziell zu der Gruppe besonders gefährdeter Personen. Doch bei den Medizinern, die in direktem Kontakt mit den Patientinnen stehen, gehen die Meinungen über die Zweckmäßigkeit einer Covid-19-Impfung weit auseinander.

Eine Risiken-Nutzen-Rechnung

Der „Conseil supérieur des maladies infectieuses“ (CSMI) hat am 29. März eine neue Stellungnahme herausgegeben, die die Impfung schwangerer Frauen ab der zehnten Schwangerschaftswoche mit einem mRNA-Impfstoff (BioNTech/Pfizer oder Moderna) empfiehlt.

Die Gefahren durch das Virus sind deutlich höher als die Risiken einer Impfung. »Isabel de la Fuente Garcia, « Conseil supérieur des maladies infectieuses »

Aufgrund des aktuellen Wissensstandes könne man davon ausgehen, dass der Nutzen einer Impfung um ein Vielfaches schwerer wiege als die Risiken, heißt es hierzu von Seiten des CSMI. „Die Gefahren durch das Virus sind deutlich höher als die Risiken einer Impfung“, sagt Isabel de la Fuente Garcia, Vize-Präsidentin des Rates und Kinderärztin im « Centre Hospitalier de Luxembourg » (CHL) im Gespräch mit Reporter.lu.

Isabel de la Fuente Garcia hat die jüngste Stellungnahme des CSMI verfasst und beruft sich in ihrer Argumentation auf den neuesten Stand der Wissenschaft. „Natürlich müssen wir die Lernkurve weiter im Auge behalten“, sagt die Ärztin, „doch es spricht heute nichts mehr gegen eine Impfung von Schwangeren. Frauen mit Vorerkrankungen oder einem hohen Expositionsrisiko legen wir sie sogar ausdrücklich nahe.“

Höhere Gefährdung für Schwangere

Laut ersten Forschungsergebnissen ist das Risiko von einem schweren Verlauf von Covid-19 bei Schwangeren deutlich höher als bei gleichaltrigen Frauen. Bereits im letzten Jahr wies eine Untersuchung der US-Behörde « Centers for Disease Control and Prevention » darauf hin, dass Schwangere im Fall einer Erkrankung drei Mal häufiger auf der Intensivstation behandelt oder beatmet werden müssen.

Einer neuen Studie aus den USA zufolge, bei der 400.000 Schwangerschaften von April bis November 2020 untersucht wurden, steigt das Risiko für einen Herzinfarkt bei an Covid-19 erkrankten Schwangeren um das 27-fache, für den Tod der Mutter um das 28-fache. Eine Impfung schützt laut dieser Studie vor mütterlicher und perinataler Sterblichkeit sowie vor Frühgeburten.

Das Risiko von schweren Covid-19-bedingten Krankheitsverläufen war bei schwangeren Frauen deutlich höher als bei nicht-schwangeren Frauen. »
Studie der « Centers for Disease Control and Prevention »

Ein weiteres Argument: Die besagte Studie zeigt, dass Mütter, die während der Schwangerschaft geimpft werden, die schützenden Antikörper, die sie bilden, durch die Plazenta an ihre Babys weitergeben. Da ihr Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist, brauchen Babys mütterliche Antikörper aus dem Blut oder der Muttermilch, um in den ersten Lebensmonaten gegen verschiedene Infektionen geschützt zu sein. Über das Auftreten von schweren Nebenwirkungen oder gar Folgeschäden einer Impfung sind zum jetzigen Zeitpunkt hingegen keine Daten bekannt.

« Hätte ich vor ein paar Monaten bereits die Wahl gehabt, ich hätte mich sicher impfen lassen », erzählt Maria* im Gespräch mit Reporter.lu. Die junge Mutter hat sich im vergangenen Herbst, als sie im letzten Trimester ihrer Schwangerschaft war, mit dem Virus infiziert. Nach ersten Symptomen wie Husten und Kopfschmerzen wurden die Beschwerden mit der Zeit schlimmer. « Das Schlimmste war die plötzliche, unglaubliche Müdigkeit, die ich auch bis zum Ende der Schwangerschaft nicht mehr los wurde. » Hinzu kam die ständige Angst, die Infektion könne ihrem Baby in irgendeiner Weise schaden. « Meine Stimmung war im Keller », sagt Maria. Gerade in der Schwangerschaft sei man schließlich für jegliche Sorgen besonders anfällig.

Ärzte fühlen sich unter Druck gesetzt

So einleuchtend eine Impfung auf den ersten Blick zu sein scheint, sind weiterhin dennoch viele Fragen offen. Während der aktuelle Wissensstand zwar recht eindeutig auf ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe im Falle einer Infektion während der Schwangerschaft hindeutet, ist die Datenlage über die Verlässlichkeit der heute verfügbaren Impfstoffe bei Schwangeren noch zu dünn.

Hierin liegt auch der Grund, warum die Meinungen innerhalb der Ärzteschaft weit auseinander gehen. Mehrere von Reporter.lu kontaktierte Gynäkologen haben sich nur unter Wahrung ihrer Anonymität bereit erklärt, ihre Positionen zu teilen. „Wir dürfen offiziell nicht gegen die Impfung argumentieren“, sagt sogar eine Gynäkologin, die der Impfung gegen das Coronavirus während der Schwangerschaft kritisch gegenübersteht. Sie verweist auf ein Rundschreiben des Ministeriums, das Gynäkologen nahelegt, die Impfung ausdrücklich zu empfehlen. „Wer dagegen hält, bekommt Probleme und wird diskreditiert“, so die Gynäkologin.

Laut Studien aus den USA sind schwangere Frauen stärker als nicht-schwangere Frauen von schweren Covid-19-Verläufen betroffen. Langfristige Studien über die Risiken einer Impfung von Schwangeren gibt es jedoch nicht. (Foto: Leslie Schmit)

„Normalerweise machen wir, was das Ministerium sagt“, so ein Gynäkologe aus der Bohler-Klinik in Kirchberg. „Wir geben die Empfehlung des Ministeriums weiter, die Entscheidung liegt dann aber weiterhin bei der Patientin“. Der erfahrene Frauenarzt räumt jedoch ein, dass die Frage natürlich sei, „wie man es dreht“. Hat eine Patientin Vertrauen zu ihrem Arzt, wird sie seinen Empfehlungen in den meisten Fällen Folge leisten. Er selbst verschreibt seinen Patientinnen konsequent einen Impftermin: „Schwer krank werden in der Schwangerschaft, das will niemand“, so das ultimative Argument des Arztes.

„Ich finde es unverantwortlich, in der Schwangerschaft einen Impfstoff zu spritzen, über den es keine verlässlichen Daten gibt“, äußert hingegen ein kritischer Gynäkologe seine Bedenken. Er selbst hat noch keiner seiner Patientinnen eine Impfung verschrieben, das könne er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Beim ausdrücklichen Wunsch nach einer Impfung verweist er seine Patientinnen an ihren Hausarzt.

„Was macht dieser Impfstoff mit dem Immunsystem? Vor allem langfristig? Welche Substanzen gelangen in die Plazenta und damit in die Blutbahnen des Ungeborenen? Und wie ist das mit der in der Schwangerschaft ohnehin erhöhten Thrombosegefahr?“ fragt er. Sollte es zu einem späteren Zeitpunkt zu Komplikationen kommen, könne heute noch niemand einen Zusammenhang zur Impfung herstellen. « Um klare Kausalitäten aufzustellen, braucht es Jahrzehnte, so weit sind wir noch nicht. »

Gespaltene Haltung im Ausland

Ein Blick ins Ausland bestätigt die gespaltene Haltung zur Covid-19-Impfung in der Schwangerschaft. Die meisten US-Bundesstaaten sowie auch Frankreich impfen Schwangere prioritär. Schwere Verläufe einer Erkrankung in der Schwangerschaft seien unbedingt zu vermeiden. Alles deute zudem darauf hin, dass die Impfung keine Gefahr für zukünftige Mütter und ihre Babys darstelle, so die Haltung der französischen « Haute Autorité de Santé ».

Andere Länder sind jedoch durchaus vorsichtiger. Belgien und Deutschland distanzieren sich etwa aufgrund der dünnen Datenlage von einer prinzipiellen Impfempfehlung für Schwangere. Stattdessen setzt die « Ständige Impfkommission » in Deutschland momentan lieber auf den indirekten Schutz: Jede Schwangere kann demnach zwei Kontaktpersonen nennen, die geimpft werden sollen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht sich ihrerseits aufgrund fehlender Daten und Langzeitstudien auch nicht für eine prioritäre Impfung von Schwangeren aus und zieht sie aktuell nur bei erhöhtem Risiko in Erwägung. In ihren Empfehlungen unterstreicht die WHO gleichzeitig, dass die Impfung keine Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit habe. Sie legt Frauen, die planen, schwanger zu werden, eine Impfung nahe. Auch während der Stillzeit spreche nichts gegen eine Impfung.

Keine gesicherten Daten für Luxemburg

Zahlen aus Luxemburg sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht in Erfahrung zu bringen. Das Gesundheitsministerium teilt auf Nachfrage von Reporter.lu mit, dass weder Angaben darüber möglich sind, wie viele Frauen sich während ihrer Schwangerschaft mit Covid-19 infiziert haben, noch dazu, wie viele von ihnen intensivmedizinisch behandelt werden mussten.

Die provisorischen Angaben des Registers für Todesursachen zeigen, dass es bis heute noch keinen Fall von Mutter-Tod in Verbindung mit Covid-19 gab. »Gesundheitsministerium

Auch Daten zu Impfterminen von Schwangeren seien nicht bekannt, so eine Sprecherin des Ministeriums. Es werde keine Unterscheidung zwischen den einzelnen Untergruppen der Impfphase 5b gemacht, heißt es. Die provisorischen Angaben des Registers für Todesursachen zeigten aber, dass es bis heute in Luxemburg keinen Todesfall einer werdenden Mutter gab, der eindeutig in Verbindung mit Covid-19 zu bringen ist.

Für etwas mehr Klarheit kann Isabel de la Fuente Garcia sorgen. Bei den allermeisten infizierten und im CHL behandelten Schwangeren habe es keine Komplikationen gegeben. Einige hätten zwar stationär behandelt werden müssen, jedoch seien Schwangere auf der Covid-Intensivstation bis heute die „absolute Ausnahme“ geblieben.

Ein ständiges Abwägen

Ein mit Covid-19 infiziertes Neugeborenes habe es auf der Station im CHL noch nicht gegeben, ergänzt die Medizinerin. Allerdings habe Isabel de la Fuente Garcia selbst mehrere Fälle behandelt, in denen sich ein Baby in den ersten drei Lebensmonaten angesteckt hatte. Diese sehr jungen Patienten gehörten automatisch zur Risikogruppe und würden immer stationär behandelt.

Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung muss im individuellen Abwägen der Risiken und Nutzen getroffen werden und liegt letztlich immer bei der betroffenen Frau selbst. »Isabel de la Fuente Garcia, « Conseil supérieur des maladies infectieuses »

„Covid-19 bleibt ein gefährliches Virus“, sagt Isabel de la Fuente Garcia. Mit ihrer Empfehlung, schwangere Frauen prioritär zu impfen, wolle sie werdenden Müttern alle Möglichkeiten zugänglich machen, das Leben ihres Kindes so gut wie möglich zu schützen. „Das heißt aber nicht, dass ich generell jede schwangere Frau impfen möchte“, präzisiert Isabel de la Fuente Garcia. « Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung muss im individuellen Abwägen der Risiken und Nutzen getroffen werden und liegt letztlich immer bei der betroffenen Frau selbst. »

Nathalie hat mittlerweile weitere Meinungen eingeholt, Fachliteratur gelesen und schließlich auf ihr Bauchgefühl gehört: Sie wird sich nicht impfen lassen – auch wenn die Entscheidung sicher keine einfache war und sie andere Frauen verstehen kann, die sich anders entscheiden.

*Namen wurde von der Redaktion geändert.