Lokale Amtsträger sollten wegen ihrer Nebenverdienste Sozialbeiträge nachzahlen. Doch das Parlament gewährte den Betroffenen eine finanziell vorteilhafte Ausnahme. Von der neuen Regelung profitieren auch viele Abgeordnete – und der zuständige Minister.

Eigentlich sollte es um etwas ganz anderes gehen. Vor rund einem Monat verabschiedeten die Abgeordneten das Gesetz zur Erstattung der Kosten der Psychotherapie. Der Text sollte das Vorgehen von Sozialminister Claude Hagen (LSAP) nachträglich legitimieren, nachdem dieser den Tarif selbst festgelegt hatte. Weitgehend unbeachtet blieb bei der Abstimmung im Parlament allerdings ein anderer Artikel des Gesetzesprojekts: Bei der Vergütung von Vertretern des Staates oder von Gemeinden in kommunalen Syndikaten oder sonstigen Gremien sollen keine Sozialabgaben anfallen. Für Lokalpolitiker geht es dabei um viel Geld, denn die Befreiung gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2018.

Aus der Sicht der Parlamentarier handelte es sich um eine reine Formalität. „Es ist unlogisch, dass ein lokaler Mandatsträger als Bürgermeister keine Sozialbeiträge zahlen muss, dies aber dann doch der Fall ist, wenn er seine Gemeinde in einem Syndikat vertritt“, sagt Marc Spautz, CSV-Abgeordneter und Schöffe in Schifflingen, im Gespräch mit Reporter.lu. Vor 2018 war es zudem üblich, dass Gemeindevertreter für ihr politisches Engagement nicht zusätzlich belastet werden. Doch in manchen Fällen legte die Sozialversicherung das Gesetz wohl neu aus. Die Abgeordneten griffen deshalb ein und sicherten somit auch jenen Amtskollegen mit Doppelmandaten, also zum Teil sich selbst, einen zusätzlichen Gehaltsbonus.

Ein einstimmiger Interessenkonflikt

Der Text wurde im Parlament von allen Abgeordneten mitgetragen. „Dieses Projekt wurde weder hier drin noch draußen laut diskutiert, weil wir hier keine umstrittene politische Änderung vornehmen“, sagte Dan Kersch (LSAP) als Berichterstatter zu Beginn der Debatte. Tatsächlich wurde die Einführung einer Erstattung der Psychotherapie durch die Bank von allen Parteien unterstützt. Über die zweite Anpassung des Sozialgesetzbuchs an diesem Tag wurde allerdings kaum gesprochen.

Dass es sich dabei um einen möglichen Interessenkonflikt handelte, war Josée Lorsché (Déi Gréng) daher auch nicht bewusst. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen und Erste Schöffin der Gemeinde Bettemburg ist in drei Gemeindesyndikaten aktiv. „Ich will mich an die Deontologieregeln halten, aber dafür muss ich wissen, was sie sind“, sagt Josée Lorsché im Gespräch mit Reporter.lu.

Wenn jeder Abgeordnete, der in einem Gemeindesyndikat sitzt, nicht mit abstimmen dürfte, hätten wir wahrscheinlich keine Mehrheit zusammenbekommen.“Gilles Baum, DP-Fraktionschef

Wann ein Interessenkonflikt vorliegt, ist im Parlament in der Tat nicht immer klar. Die Geschäftsordnung besagt etwa, dass kein Interessenkonflikt bestehe, wenn es einen Konflikt gibt, weil ein Abgeordneter einer größeren Bevölkerungsgruppe zugehörig ist …