Das Escher „Syndicat d’Initiative et de Tourisme“ stand kurz vor dem Aus. Der gemeinnützige Verein verzeichnete in diesem Jahr enorme Verluste – trotz Zuschüssen der Gemeinde von fast einer halben Million Euro. Die Politik schaute dem Missmanagement lange zu.

2022 sollte alles größer, schöner, ausgereifter werden. Das Kulturjahr sollte auch für das „Syndicat d’Initiative et de Tourisme“ von Esch/Alzette außergewöhnlich werden. Wurde es, aber anders als erwartet. Seit 20 Jahren versuchen die Freiwilligen des Kulturvereins, das Image der Stadt durch die Organisation von Events aufzupolieren. Dafür werden sie auch von der Politik unterstützt.

In nur vier Jahren hat die Stadt Esch die Beihilfen für das Syndikat verfünffacht. Während die Gemeinde 2019 noch 90.000 Euro an den Verein überwies, belief sich die Unterstützung für dieses Jahr auf 450.000 Euro. Dennoch reichte das Budget nicht aus. Der Verein musste Aktivitäten an die Stadt abtreten, Reserven von 80.000 Euro aufbrauchen und trotzdem eine außerordentliche Unterstützung von rund 152.000 Euro bei der Gemeinde beantragen. Es hatte offenbar niemand eine Übersicht über die Ausgabenpolitik.

Hohe Verluste, fehlende Kontrolle

In Esch ist das Syndikat auch als « Verschönerungsverein » bekannt. Die Freiwilligen „verschönern“ die Stadt, indem sie den Karneval, den Nikolausumzug oder das Open-Air-Kino im Sommer ausrichten. Profit spielte bei den Veranstaltungen keine Rolle. In den vergangenen Jahren haben sich die Aktivitäten des Vereins ausgeweitet, so organisierte er etwa seit ein paar Jahren auch den Escher Weihnachtsmarkt. Um die Kosten der immer größer werdenden Events zu decken, stiegen auch die Zuschüsse der Gemeinde.

Dieses Jahr hat der Verein zum ersten Mal auch einen „Kölsche Ovend“ veranstaltet. Aufgetreten sind dabei unter anderem die Kölner Kultbands „Höhner“ und « Brings ». Die Veranstaltung sollte im Kontext der Städtepartnerschaft mit Köln stattfinden. Gerechnet wurde mit 2.500 bis 3.000 Gästen. Gekommen sind 500, erklärt Jacques Müller im Gespräch mit Reporter.lu. „Wir hatten schlicht nicht die Einnahmen erhalten, die wir eingeplant haben“, so der ehemalige Vorsitzende des Vereins. Unter anderem das Wetter habe nicht mitgespielt.

Dieses Loch ist entstanden, weil wir keine Kontrollmechanismen für die Ausgaben hatten. »Jean-Marc Assa, Schatzmeister des Vereins

Die Erklärung greift jedoch zu kurz. Bereits früh zeichnete sich ab, dass der Verein durch die Veranstaltungen dieses Jahr in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte. Im Gespräch mit Reporter.lu berichten mehrere Mitglieder der Vereinigung von einer schlechten Vorbereitung, steigenden Kosten und einer fehlenden Finanzkontrolle.

Für die Organisation des „Kölsche Ovend“ bildete sich eine Arbeitsgruppe, an der auch Dan Codello (ehemals LSAP) teilnahm. Nachdem er 19 Jahre Escher Ratsmitglied war, ist er seit März 2021 in der Gemeindeverwaltung für Städtepartnerschaften zuständig. Er sei nur verantwortlich für die Kontaktaufnahme gewesen, nicht aber für die Organisation des Events, erklärt Dan Codello auf Nachfrage von Reporter.lu. Zudem habe er nicht als Vertreter der Gemeinde teilgenommen. Auch Bürgermeister Georges Mischo (CSV) und Schöffe Pim Knaff (DP) weisen die Verantwortung von sich. Das sei allein Sache des Vereins.

Dieses Selbstverständnis war wohl Teil des Problems. Von mehreren Vereinsmitgliedern heißt es, dass Dan Codello sich aus der Organisation heraushielt und Jacques Müller und Brigitte Bintz die Veranstaltung nach einem späten Anlauf kurzfristig mit sieben weiteren Mitgliedern organisieren mussten. Dabei sind mehrere Probleme aufgetreten.

Ein Schatzmeister auf Weltreise

Die Verantwortlichen setzten für die Buchung der Bands auf das „Atelier“. Im Nachhinein sorgte das für Unmut. „Hat das Atelier auch genug Werbung für die Veranstaltung gemacht?“, fragt sich Jacques Müller. Die Verantwortlichen des Atelier wollen sich indes nicht dazu äußern und verweisen auf die Verantwortung des Vereins. Dass die Einnahmen aus der Veranstaltung unter den Erwartungen bleiben würden, wurde während des Vorverkaufs deutlich. Erst spät wurde für die Veranstaltung geworben. „Wir haben dann noch versucht, Werbung im Ausland zu schalten“, so der ehemalige Vereinsvorsitzende. Genutzt hat es aber wenig.

« Keine Kontrollmechanismen »: Die Organisation des Escher Weihnachtsmarkts war nur eine von vielen Aufgaben des „Syndicat d’Initiative et de Tourisme“. (Foto: Mike Zenari)

Wie viel die kurzfristige Organisation genau kostete, war den Mitgliedern nicht bekannt. Denn über Kosten wurde nicht diskutiert, so ein Mitglied des Vereins. Mit anderen Worten: Der Vorstand verpflichtete sich zu Ausgaben, die zuvor nicht abgesprochen wurden.

Selbst der Schatzmeister war nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden. Das liegt auch daran, dass er gar nicht zulande war. Jean-Marc Assa war während seines Elternurlaubs in den ersten sechs Monaten des Jahres auf Weltreise. Während dieser Zeit habe er lediglich die Überweisungen getätigt. „Dieses Loch ist entstanden, weil wir keine Kontrollmechanismen für die Ausgaben hatten“, sagt Jean-Marc Assa im Gespräch mit Reporter.lu. Für die Kontrolle war eigentlich er zuständig, konnte diese Aufgabe aber durch die Weltreise nicht erfüllen. Das Ergebnis: Eine offene Rechnung für die Technik und das Ticketing von rund 120.000 Euro.

Die Kontrolle über die Finanzen hat man bereits vor dem Debakel des „Kölsche Ovend“ verloren. Einen Monat zuvor organisierte das Syndikat das „Culture Forest Festival“. Ende Mai spielten einige der bekanntesten Luxemburger Musikgruppen im Park Clair-Chêne nahe der Internationalen Schule in Esch. Am gleichen Wochenende fand in der Hauptstadt der ING-Marathon und in Koerich das « Beautiful Decay Festival » statt. Durch die konkurrierenden Veranstaltungen habe es an Gästen gefehlt, erklären mehrere Vereinsmitglieder. Nicht gedeckte Kosten: 30.759,55 Euro.

Ein Verein mit Verbindungen zur Politik

Möglich wurden die Veranstaltungen durch das von der Gemeinde bereitgestellte Budget. Eine Kontrolle der Ausgaben durch die politischen Verantwortlichen gab es allerdings nicht. „Die Beihilfen kriegen Vereine von der Gemeinde. Für die Kontrolle der Finanzen sind sie selbst zuständig“, sagt Schöffe Pim Knaff im Gespräch mit Reporter.lu. Doch das Syndikat ist kein gewöhnlicher Verein. Die Verbindungen zur Escher Kommunalpolitik sind eng.

Zwei Jahre nach den Kommunalwahlen von 2017 kam es auch im Verein zu einem größeren Personalwechsel. Jacques Müller (CSV) übernahm den Vorsitz vom LSAP-Politiker Mike Hansen. Daliah Scholl, im Gemeinderat für die DP, wurde beigeordnete Vorsitzende, Jean-Marc Assa (ebenfalls Kandidat der DP) Schatzmeister und Brigitte Bintz (Mitglied der Escher LSAP-Sektion) Sekretärin. Zwei weitere DP-Kandidaten, ein LSAP- und ein CSV-Kandidat wurden ebenfalls Mitglied des Vorstands.

So etwas kommt in den besten Familien vor. »Georges Mischo, Bürgermeister

Die besondere Rolle der Politik im Vereinsleben ist selbst in den Statuten des Vereins verankert. Dort heißt es, die Kommunalverwaltung sei im Vorstand des Vereins vertreten. „Die Gemeinde redet dem Syndikat aber nirgendwo rein“, sagt Bürgermeister Georges Mischo im Gespräch mit Reporter.lu. Auch für ihn liegt die Verantwortung beim Verein, der von seinem Parteikollegen geführt wurde.

Die politischen Verantwortlichen versuchen das Missmanagement des Vereins herunterzuspielen. „Fragen Sie mal die Rockhal, wie dieses Jahr lief. Da sind noch ganz andere Summen im Spiel“, sagt Georges Mischo. Auch Pim Knaff verweist auf die Rockhal, in deren Verwaltungsrat er selbst sitzt. „So etwas kommt in den besten Familien vor“, so Georges Mischo weiter. Diese „beste Familie“, bestehend aus Parteifreunden, wurde nun von der Gemeinde vor der Insolvenz gerettet. Alle Verantwortlichen haben im Verein inzwischen ihre Posten abgegeben.

Gemeinde übernimmt letztlich die Kontrolle

Die Verfehlungen im Frühjahr haben auch Auswirkungen auf das Ende des Jahres. „Sie haben beschlossen, einige Veranstaltungen nicht mehr selbst zu organisieren, sondern in die Hand der Gemeinde zu geben“, sagte Pim Knaff während einer Gemeinderatssitzung am 30. September. Demnach wird der Weihnachtsmarkt künftig allein von der Gemeinde organisiert. Als Grund nannte Pim Knaff den großen Aufwand. Von Mitgliedern des Syndikats heißt es jedoch, dass es auch finanziell nicht mehr tragbar gewesen wäre. „Der Weihnachtsmarkt war eigentlich im Budget für dieses Jahr noch vorgesehen“, sagt Jean-Marc Assa. In den letzten drei Jahren verzeichneten sie ein Defizit in ihrer Bilanz für den Weihnachtsmarkt.

Bürgermeister Georges Mischo bei der Eröffnung des « Escher Krëschtmoart »: Der Schöffenrat fühlte sich für das finanzielle Missmanagement des Kulturvereins nicht verantwortlich. (Foto: Mike Zenari)

Zusätzlich tritt das Syndikat das „Luxembourg Open Air Festival“ an die Gemeinde ab. Demnach werde im nächsten Jahr die finanzielle Unterstützung für den Verein schrumpfen. Diese soll laut Informationen von Reporter.lu etwa 370.000 Euro betragen. Georges Mischo wollte sich nicht dazu äußern, weil man noch in Budgetverhandlungen sei. Mit diesen Geldern könnte das Defizit in den kommenden zwei Jahren ausgeglichen werden, erklärte Pim Knaff während der Gemeinderatssitzung.

Demnach ist das Defizit weit größer, als der Verein selbst in seinem Schreiben an den Gemeinderat zugibt. Sowohl die Vereinigung wie auch die Gemeinde versuchen nun, den Blick nach vorne zu richten. Vor allem habe man eine professionelle Buchführung auf die Beine gestellt, so Pim Knaff in der besagten Sitzung.

Auf politische Unterstützung kann der Verein aber auch in Zukunft hoffen. Der neue Vorsitzende Pedro Oliveira ist Mitglied der LSAP. Mit Carmen Rasquin (Vizepräsidentin) und Romain Keiser (Schatzmeister) haben auch DP und CSV noch Vertraute im Vorstand. Die Verbindung zur Politik bleibt also bestehen. „An unserem Vertrauen in den Verein hat sich nichts geändert“, sagt Bürgermeister Georges Mischo.