Homeoffice, Homeschooling, Haushalt: Mütter und Väter haben in der Corona-Pandemie eine besonders hohe Last zu tragen. Dabei zeigt sich aber, dass eine gerechte Aufgabenteilung kaum möglich ist. Und das, obwohl Frauen oft systemrelevante Berufe ausüben.

Bedroht das Coronavirus die Gleichberechtigung? Während der Pandemie erleben viele Familien einen Rückfall in alte Rollen-Klischees. Solche, wie man sie heute eigentlich nur noch aus den 1950er Jahren kennt. Will heißen: Die Frau bleibt zu Hause, kümmert sich um Haushalt, Kinder – und wenn noch Zeit ist, um den Job. Männer arbeiten dagegen meist wie gewohnt weiter – vorausgesetzt, sie können und dürfen noch arbeiten.

Auch wenn diese Beschreibung übertrieben klingen mag: Sie lässt sich durch die Zahlen zum « Congé pour raisons familiales » untermauern. Seit Beginn des Lockdowns Mitte März hat das « Centre Commun de la Sécurité Sociale » diesen mehrheitlich Frauen gewährt: 23.464 Arbeitnehmerinnen und 16.784 Arbeitnehmer. Dabei haben Frauen 36,3 Prozent ihrer regulären Arbeitszeit in dem Sonderurlaub verbracht, Männer rund 31 Prozent.

Lediglich bei den Freischaffenden fällt der Unterschied zwischen Frauen und Männern kleiner aus. Von 1.409 Freischaffenden haben im März 699 Frauen und 710 Männer den Sonderurlaub für Eltern erhalten. Das Ministerium teilt außerdem mit, dass es für April noch keine konkreten Daten gibt. Hier könnte vor allem der « Chomage partiel » die Zahlen beeinflussen. Wer in Kurzarbeit ist, hat keinen Anspruch auf Elternurlaub.

Keine Kinderbetreuung im Lockdown

Dabei wollte Luxemburg bei der Gleichberechtigung schon weiter sein. Frauen sollen die gleichen Karrierechancen haben wie Männer. Studieren und arbeiten, finanziell unabhängig sein und dadurch auch mehr Freiheiten haben. Der Staat unterstützt diesen Wandel, doch die andauernde Pandemie könnte dauerhaft zu Rückschritten führen.

Eine weitere Hürde ist die Kinderbetreuung. Wer sein Kind in einer mehrsprachigen Struktur unterbringt, hat im Prinzip Anspruch auf 20 Stunden Gratis-Betreuung. Diese Hilfen sind durch die Pandemie jedoch von einem Tag auf den nächsten weggefallen. Kitas, Schulen, Sport- und Musikvereine wurden geschlossen und stellten Eltern vor die Frage, wer sich nun um die Kinder kümmert.

Viel Teil-, wenig Vollzeit

In den meisten Fällen ist die Wahl auf die Frau gefallen. Dabei tritt sie auch im normalen Alltag zugunsten der Familie kürzer. 57 Prozent der berufstätigen Frauen geben an, dass die Familie Hauptgrund für einen Job in Teilzeit ist. Im Jahr 2017 haben 35 Prozent der Frauen in Teilzeit gearbeitet – aber lediglich sechs Prozent der Männer.

Mehr Gleichberechtigung ist somit auch unter normalen Umständen noch längst keine Realität. Bildungsminister Claude Meisch (DP) wies zu Beginn der Krise darauf hin, dass Eltern den « Congé pour raisons familiales » beantragen können – dass man aber auch abwägen sollte, wer in der Krise eher beruflich kürzer treten könnte.

Dass mehr Frauen in Teilzeit arbeiten, führt aber auch zwangsläufig dazu, dass sie durchschnittlich weniger verdienen. Stellt sich die Frage, auf welchen Job eine Familie am ehesten verzichten kann, wenn es drauf ankommt. Wenn die Frau ohnehin oft Teilzeit arbeitet, fällt die Wahl wohl meist auch auf sie.

Lockerung noch keine Lösung

Trotz der seit dem 11. Mai geltenden Lockerungen wird sich am aktuellen Familienalltag aber nur wenig ändern. Vor allem bei Familien mit Kleinkindern. In den « Crèches » wird nicht die gewohnte Anzahl an Kindern betreut werden können. Es wird nur noch Gruppen von fünf Kindern geben, es wird alterniert. Bis auf Weiteres wird so nicht für jeden ein Betreuungsplatz garantiert sein.

Der Leiter einer Kindertagesstätte sagte im Gespräch mit RTL, dass man künftig pro Raum und Erzieher nur noch fünf Kinder betreuen könnte. In vier Räumen werden das insgesamt nur noch 20 der normalerweise 42 anwesenden Kinder sein – also nicht einmal die Hälfte. Ein weiteres Problem laut dem Leiter: Viele Betreuerinnen hätten selbst Kinder und den « Congé pour raisons familiales » beantragt – und könnten somit nicht arbeiten.

Bildungsminister Claude Meisch sagte am Freitag bei einer Pressekonferenz, dass Eltern auch weiterhin für die Betreuung von Kleinkindern bis vier Jahren den Sonderurlaub beantragen können. Eltern sollten « die Wahl » haben, ob sie ihr Kind in die Kindertagesstätte geben oder weiterhin zu Hause betreuen. « So wie es die Organisation innerhalb der Familie erlaubt », so der Minister. Den Elternurlaub könnte man gegebenenfalls auch stündlich oder an ein paar Tagen pro Woche nehmen. Was der Minister aber nicht erwähnte: Auf eine solche Flexibilität muss man sich erst einmal mit seinem Arbeitgeber einigen.

Mutter und « systemrelevant »

Die Rechnung geht demnach für viele Betroffene nicht auf. Solange vor allem Kleinkinder nicht wie bisher betreut werden können, können Frauen auch ihre Arbeit nicht wie bisher wieder aufnehmen. Bleiben die Kinder zu Hause, bleiben es die Mütter wohl auch.

Das Paradox daran: Berufstätige Frauen arbeiten wohl häufiger in Teilzeit, sie arbeiten aber auch häufig in den sogenannten « systemrelevanten » Berufen. Was sie leisten, wird gerade jetzt sichtbar. Alleine der Beruf der Krankenpfleger ist zu 82,3 Prozent weiblich in Luxemburg. Im Centre Hospitalier de Luxembourg sind 75,3 Prozent des Personals weiblich, in den Hopitaux Robert Schuman gar 77 Prozent.

Ähnlich sieht es im Lebensmittelhandel aus. Bei der Supermarktkette Cactus nachgefragt, heißt es, dass insgesamt 2.573 Frauen und 1.809 Männer angestellt sind. Wie viele von den 700 Kassierern aber weiblich sind, lässt sich nur erahnen. Die genauen Zahlen will das Unternehmen nicht preisgeben. Aus Diskretionsgründen, wie es von der Pressestelle heißt.

Alleinerziehende meist Frauen

Während Eltern zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, zu entscheiden, wer sich zu Hause um die Kinder kümmert, stellt sich diese Frage für Alleinerziehende nicht. Statistisch gesehen machten Frauen 2014 ganze 82,7 Prozent der Alleinerziehenden in Luxemburg aus. Sie sind es demnach auch, die häufiger auf Crèches und Maisons Relais für die Betreuung ihrer Kinder angewiesen sind.

Bei den Alleinerziehenden beläuft sich die Zeit der externen Kinderbetreuung im Durchschnitt auf 20 Stunden pro Woche, bei Haushalten mit zwei Elternteilen sind es laut Statec-Informationen 17 Stunden. Allerdings stammen auch hier die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2014. Deshalb ist es gut möglich, dass seit Einführung der 20 Gratis-Stunden auch bei Haushalten mit zwei Elternteilen diese Zahl gestiegen ist.

Den « Congé pour raisons familiales » können auch Alleinerziehende beantragen und ausgezahlt bekommen. Dennoch sind sie wohl momentan einem besonders großen Druck ausgesetzt. Nicht nur müssen sie beruflich kürzer treten. Auch bei der Erziehung und Beschäftigung der Kinder sind sie auf sich alleine gestellt.