Eigentlich sollte das neue Gutachten zur Covid-Impfpflicht bis Ende Mai vorliegen. Doch die Experten warten auf die Ergebnisse einer neuen Simulation, was die Veröffentlichung des Dokuments weiter verzögert. Dafür zeigen nicht alle Beteiligten Verständnis.
« Das Gutachten kommt », daran bestehe kein Zweifel, sagen auf Nachfrage von Reporter.lu sowohl Dr. Gérard Schockmel als auch Prof. Claude P. Muller, beide Mitglieder des zuständigen Expertenrats. Man habe intensiv daran gearbeitet, so Claude P. Muller. Es sei auch zu 95 Prozent fertiggestellt, mehr als 60 Seiten seien geschrieben, betont Gérard Schockmel.
Der Infektiologe der „Hôpitaux Robert Schuman“ bedauert, dass das Gutachten nicht, wie geplant, Ende Mai vorlegt werden konnte. Aus seiner Tätigkeit in der Industrie sei er gewohnt, angesetzte Termine einzuhalten. Dass dies hier nun nicht der Fall ist, ärgere ihn, so Gérard Schockmel im Gespräch mit Reporter.lu.
In seinen Augen hätte es einer neuerlichen Simulation des Infektionsgeschehens nicht bedurft, um zu einer Schlussfolgerung hinsichtlich einer möglichen Impfpflicht gegen Covid-19 zu kommen, sagt Gérard Schockmel. Doch innerhalb der Expertengruppe habe das Bedürfnis nach einer solchen, zusätzlichen Simulation bestanden, sodass man nun deren Ergebnisse abwarten müsse. Diese Ergebnisse würden wohl bis Ende dieser Woche vorliegen, in der Folge müsse man sie analysieren und sie für die Schlussfolgerungen in Betracht ziehen, so der Infektiologe.
Politik wartet auf Expertenmeinung
Auf ein konkretes Datum für eine Veröffentlichung des Gutachtens wollen sich weder Gérard Schockmel noch Claude P. Muller festlegen. Auch nicht darauf, wie die neuen Empfehlungen der Expertengruppe lauten könnten. Im Januar hatte sich diese noch für eine Impfpflicht für Personen über 50 Jahre sowie für das Personal im Gesundheitswesen ausgesprochen.
Die Regierung will der Empfehlung der Experten folgen, dies hatte Premier Xavier Bettel (DP) im Januar bei der Debatte zur Impfpflicht im Parlament deutlich gemacht. Und auch Ende Mai hatte es auf Nachfrage von Reporter.lu noch aus dem Staatsministerium geheißen: « Wir halten uns an das Gutachten der Experten.“
Dennoch ist unklar, wie die Regierung letztlich entscheiden wird, auch wenn die entsprechenden Gesetzentwürfe mittlerweile vorliegen. Denn trotz starker Bekenntnisse zu Beginn der Debatte dürfte sich die Einführung einer Impfpflicht angesichts der aktuellen Corona-Situation mittlerweile schwierig gestalten. Dies auch, weil die Politik selbst die Pandemie quasi für beendet erklärt hat, wie eine Analyse von Reporter.lu aufzeigte.
« Vorbereitet sein auf den Herbst »
Das Ziel einer Impfpflicht, in welcher Form auch immer, sei es nach wie vor, vorbereitet zu sein für den Herbst, wenn es wieder zu einem erhöhten Infektionsgeschehen mit möglicherweise neuen Virusvarianten kommen könne, erklärt Gérard Schockmel. Seiner persönlichen Auffassung zufolge sei es weiterhin notwendig, jene Menschen zu schützen, bei denen noch ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf infolge einer Infektion bestünde. Und es sei erwiesen, dass dies bei Menschen über 50 Jahre der Fall sei.
Eine Impfung sei nun einmal die beste Präventivmaßnahme bei diesem Virus, so Gérard Schockmel. Ob diese auf freiwilliger Basis erfolge oder aufgrund einer Impfpflicht, das sei dann eine politische Entscheidung. „Wichtig ist, diesmal vorbereitet zu sein, reagiert wurde lange genug“, betont der Infektiologe. Er sei ein Verfechter des Vorsorgeprinzips.
Was eine mögliche Impfpflicht für die im Gesundheitssektor tätigen Personen anbelangt, gelangt Gérard Schockmel zu einer differenzierteren Schlussfolgerung. Die Idee dahinter sei gewesen, vulnerable Patienten vor einer Ansteckung durch das Personal zu schützen. Doch dies lasse sich trotz Impfung bei einer Virusvariante wie Omikron nur sehr begrenzt vermeiden. Insofern stehe eine solche sektorielle Impfpflicht in seinen Augen mittlerweile „auf unsicheren Füßen“, so der Experte für Infektionskrankheiten. Gleichzeitig verweist er darauf, dass man nicht wisse, welche Virusvarianten im kommenden Winter zirkulieren werden. Sicher sei nur: « Covid wird bis auf Weiteres nicht verschwunden sein.“
