Die Regierung will Solar- und Windenergie in den kommenden Jahren deutlich ausbauen. Doch das Potenzial in Luxemburg ist begrenzt – der meiste Strom wird nach wie vor importiert. Im Energieministerium setzt man deshalb auch auf Kooperationen mit dem Ausland.

Georges Reding gibt sich zuversichtlich: « Wir kommen unseren Zielen langsam, aber sicher näher. » Die Ziele, die der Leiter der Direktion für erneuerbare Energien aus dem Energieministerium meint, sind dabei durchaus ambitiös. Im Vergleich zu 2020 soll sich der Anteil von erneuerbaren Energien am nationalen Strommix bis 2030 mehr als verdoppeln. Von rund 14 Prozent auf 35 Prozent. Es sind Ziele, die die Regierung im nationalen Klima- und Energieplan 2018 erstmals ausformuliert hat.

Doch bereits bei der Frage, was die Ziele konkret bedeuten, wird es etwas kompliziert. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, woher genau der Strom stammt, der in Luxemburg aus der Steckdose kommt.

Zunächst die Grundlagen: Luxemburg verbraucht im Jahr rund 6.500 Gigawattstunden (GWh) Strom. Laut Daten der luxemburgischen Regulierungsbehörde « ILR » ist der Wert seit 2016, trotz einer wachsenden Bevölkerung, relativ konstant. Interessant wird es, schlüsselt man den Stromverbrauch nach Endkunden auf. So verbrauchen Privatkunden, immerhin etwa 262.000 Haushalte, nur knapp 950 GWh im Jahr.

80 Prozent des Stroms werden importiert

Um ein Vielfaches energieintensiver ist hingegen die Industrie: Nur 195 Großkunden verbrauchen gemeinsam 3.800 GWh, also mehr als die Hälfte des gesamten Strombedarfs. Und selbst unter diesen wenigen Abnehmern ragt einer aus der Masse heraus: « ArcelorMittal ». Der Stahlkonzern versorgt sich über ein eigenes Energieunternehmen, « ArcelorMittalEnergy », selbst mit Strom und ist Mehrheitseigner des Netzbetreibers « Sotel », der die bestehenden Werke im Süden des Landes mit Strom versorgt. Sotel selbst gibt an, im Jahr etwa 1.500 GWh Strom nach Luxemburg zu liefern. Sotel ist mit separaten Leitungen an das belgische und das französische Netz angeschlossen, die Industrieanlagen im Süden des Landes werden demnach auch mit Atomstrom beliefert.

Woher der restliche Strom in Luxemburg kommt, darüber gibt ebenfalls der Bericht der Regulierungsbehörde Auskunft. Die klare Antwort: Zum Großteil ebenfalls aus den Nachbarstaaten. Denn rund 80 Prozent des Stroms in Luxemburg werden importiert. Größter Stromexporteur für Luxemburg ist dabei Deutschland, das 2020 insgesamt 5.129 GWh nach Luxemburg lieferte. Dazu zählt jedoch auch der Strom, der vom Pumpspeicherwerk der « SEO » in Vianden erzeugt wird und der an das deutsche Netz angeschlossen ist. Gleichzeitig ist das Luxemburger Netz über eine Überlandleitung mit dem belgischen Netz verbunden. In Luxemburg selbst werden nur rund 1.208 GWh erzeugt.

Die nackten Zahlen offenbaren das Dilemma, in dem sich Luxemburg befindet. Die lokale Energiepolitik hat nur einen begrenzten Einfluss auf den Strom, der in Luxemburg genutzt wird. Dessen ist sich auch Georges Reding bewusst: « Luxemburg kann man mit anderen Metropolregionen in Europa vergleichen, wie etwa Paris oder Amsterdam. Wir sind relativ dicht besiedelt und haben durch unsere Wirtschaftsleistung einen hohen Strombedarf. Gleichzeitig haben wir zur Stromerzeugung aber nur begrenzte Fläche zur Verfügung. Deshalb ist es auch unrealistisch, zu denken, dass wir energie-autark werden könnten. »

Fokus auf Solarstrom

Dennoch sei es wichtig, jenes Potenzial auszuschöpfen, das in Luxemburg zur Verfügung steht, betont der Beamte aus dem Energieministerium. Besonders bei der Erzeugung von Solarstrom ist die Evolution durchaus bemerkenswert. Laut Zahlen des Energieministeriums wurden 2016 nur rund 100 GWh Strom mittels Fotovoltaikanlagen erzeugt. Bereits 2020 hat sich die Produktion stark erhöht, auf nun 160 GWh. Eine Tendenz, die das Energieministerium aktiv unterstützen will. « Unser Ziel bis 2030 sind 1.112 GWh beim Solarstrom », betont Georges Reding.

Um dieses Ziel zu erreichen, will man größere Fotovoltaikanlagen durch öffentliche Ausschreibungen gezielt fördern. Die zurückbehaltenen Projekte können dabei über eine Laufzeit von 15 Jahren von einer marktabhängigen Einspeisevergütung profitieren. Aktuell und noch bis Mitte Februar läuft eine Ausschreibung für Anlagen, mit denen 55 Megawatt (MW) Solarstrom gefördert werden sollen. Dabei sind Anlagen auf industriellen Brachflächen und auf den Dächern von Firmengebäuden in Industriezonen anvisiert, aber auch neue Anlagen, die als Überdachungen auf größeren Parkplätzen installiert werden sollen. Zudem unterstützt das Energieministerium Solaranlagen auf Stallungen oder Gewächshäusern in der Landwirtschaft. Die Ausschreibung ist auf Anlagen mit einer Leistung über 200 Kilowatt (kW) ausgerichtet und in einzelne Lose eingeteilt.

Bereits heute erhalte man für größere Bauvorhaben nur noch eine Baugenehmigung, wenn das Dach des Gebäudes "PV-Ready" ist, unterstreicht Georges Reding. Die Kabeltrasse für eine Solaranlage müssen also schon beim Bau vorverlegt werden. So wolle man sicherstellen, dass die Gebäude zukunftssicher seien und der Installation einer PV-Anlage in Zukunft nichts im Weg stehe, so der Beamte aus dem Energieministerium.

Bei Windkraft viele Standorte bereits erschlossen

Ein solche Großanlage hat 2021 auch der Stahlproduzent ArcelorMittal in Differdingen in Betrieb genommen. In Zusammenarbeit mit dem Stromanbieter "Enovos" wurde auf dem alten Kühlbecken eine schwimmende Solaranlage errichtet. Die Anlage soll, laut ArcelorMittal, im Jahr rund 3 GWh Strom liefern und "zur Energieunabhängigkeit des Landes beitragen", wie das Unternehmen in einer Pressemitteilung betont. Der erzeugte Strom wird demnach direkt ins Netz gespeist und nicht in den eigenen Industrieanlagen genutzt.

Etwas weniger ambitioniert als die Ausbauziele bei der Sonnenenergie sind jene bei der Windkraft. In diesem Bereich soll die Produktionsmenge von 211 GWh im Jahr 2020 auf 674 GWh im Jahr 2030 gesteigert werden. "Der Ausbau der Windkraft hängt natürlich von der Standortfrage ab. Und hier muss man sagen, dass die vielversprechendsten Standorte bereits erschlossen sind", erklärt Georges Reding. Demnach sei der Spielraum geringer als bei der Solarenergie. "Dennoch haben wir für dieses Jahr einige Projekte in der Pipeline. Und das nicht zuletzt, weil wir auf die Unterstützung der Gemeinden setzen können. Bis 2030 wollen wir die Kapazität der Anlagen mehr als verdoppeln", betont Georges Reding.

Darauf angesprochen, dass einzelne Projekte auch am Widerstand der Anwohner scheitern, wie etwa jenes in Bürden nahe Ettelbrück, entgegnet der Beamte aus dem Energieministerium: "Das ist eher ein punktuelles Phänomen. In anderen Gemeinden klappt die Zusammenarbeit gut und die Akzeptanz der Anlagen ist kein Thema." Dennoch betont Georges Reding, dass große Windparks, wie in den Nachbarregionen, in Luxemburg wohl eher nicht umgesetzt werden, denn dafür fehle einfach die Fläche, auch weil es hierzulande sehr viele Natura-2000- und Naturschutzgebiete gebe.

Beteiligung an Projekten im Ausland

Wie schwierig der Ausbau der Windkraft sich in Luxemburg gestalten kann, betonte am vergangenen Samstag auch Martin Wienands, Geschäftsführer des lokalen Gas-  und Stromanbieters "Electris" im Gespräch mit "RTL". Der Anbieter plane bereits seit 16 Jahren einen Windpark und mittlerweile seien bereits vier Energieminister mit dem Projekt befasst gewesen, ohne dass es konkreter geworden sei. Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) betonte seinerseits gegenüber "RTL", dass man mittlerweile einen Kompromiss zur Umsetzung des Projekts gefunden habe.

Bleibt die Frage, wie Luxemburg Einfluss auf jenen Strom haben kann, der aus dem Ausland importiert wird. In Deutschland etwa steigt zwar der Anteil von erneuerbarem Strom am Gesamtmix, dennoch wird die Bundesrepublik in den kommenden Jahren einen nicht unerheblichen Teil ihres Stroms aus Erdgas erzeugen. Welchen Einfluss dabei geopolitische Konflikte, wie etwa die Russland-Ukraine Krise, auf den Preis haben können, zeigen die vergangenen Monate. So ist der deutsche Gaspreis im Jahresvergleich um mehr als 200 Prozent gestiegen. Ein Anstieg, der sich letztlich auch auf den Strompreis auswirken dürfte.

Beim Energieministerium setzt man deshalb auf langfristige Kooperation. Ein Ansatz, der bereits im nationalen Energie- und Klimaplan festgelegt wurde, wie Georges Reding betont: "Unser Ziel ist es, uns an Großprojekten zu beteiligen. Sei es der Ausbau der Solarenergie in Südeuropa oder Offshore-Windanlagen im Norden. Luxemburg verpflichtet sich, einen kleinen Teil der Projekte zu tragen und bekommt im Gegenzug einen Anteil des erzeugten Stroms." Letztlich könne der Umstieg auf erneuerbaren Strom nur durch eine enge europäische Partnerschaft gelingen, so Georges Reding zum Schluss.


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