Ob Andy Schleck, Gilles Muller oder Christine Majerus: Luxemburgs Profisportler können immer mehr Erfolge vorweisen. Doch nicht jeder kann davon gut leben. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen den Sportarten sind immer noch enorm.
Über 100.000 Menschen wählten vor einigen Jahren im deutschen Fernsehen ihre besten Sportler des vergangenen Jahrhunderts. Die Wahl war ungewollt bezeichnend: Michael Schumacher und Birgit Fischer. Der eine ist der erfolgreichste Formel 1-Pilot aller Zeiten mit sieben Weltmeistertiteln und 91 Einzelsiegen. Die andere gewann als Kanutin von 1980 bis 2004 bei sechs Olympischen Spielen jeweils mindestens einen Titel, holte insgesamt acht olympische Gold- und vier Silbermedaillen, sowie 27 Weltmeistertitel.
Das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt, dass der eine in seiner 17-jährigen Karriere rund eine Milliarde Dollar verdiente und platziert den 50-Jährigen auch heute noch auf Platz fünf der bestverdienenden Sportler aller Zeiten. Birgit Fischer konnte sich hingegen ihren Beruf nur leisten, indem die Armee sie bezahlte, aber größtenteils vom Dienst frei stellte.
In Luxemburg wurde Gilles Muller von 2014 bis 2017 vier Mal in Folge zum « Sportler des Jahres » gewählt und bei den Frauen ist Christine Majerus seit 2015 ununterbrochene Titelträgerin. Während seiner 18-jährigen Karriere war « Mulles » einer von ganz wenigen Luxemburger Sportprofis. Laut Definition des COSL muss dafür nach Abzug aller Unkosten wie Trainer, Reisen und Ausrüstung noch mindestens der zweifache Mindestlohn übrig bleiben.
Aller Anfang ist schwer – für alle
In all diesen Jahren erspielte sich die ehemalige Nummer 21 der Welt exakt 5.991.874 Dollar an Preisgeld, erklärt aber: « Von dem Preisgeld ist nicht mehr viel übrig. Eine Tenniskarriere kostet sehr viel. » Auch Christine Majerus gehört im Radsport zur erweiterten Weltspitze. Ohne eine ähnliche Unterstützung wie Birgit Fischer durch die luxemburgische Armee könnte die 33-fache Landesmeisterin aktuell aber kaum von ihrem Sport leben.
Für die gleiche Anstrengung, Distanz oder Zeit besteht kein Grund, weniger Preisgeld auszuzahlen. »Christine Majerus, Radrennfahrerin
Christine Majerus erinnert sich an schwierige Anfänge als Profi: „Mein Jahr in Belgien (bei Sengers Ladies Cycling Team, Anm.d.Red.) war ziemlich katastrophal. Ich musste meine Reisen selber bezahlen, eine Kaution für mein Rad hinterlegen. Unsere Preisgelder wurden nicht ausbezahlt und zudem war die Betreuung mehr als dubios. » Im Rückblick sagt sie: « Ohne die Unterstützung der Armee wäre jenes Jahr ganz eindeutig fatal für mich gewesen. »
Auch Gilles Muller weiß von unhaltbaren Zuständen im Tenniszirkus zu berichten: « Es laufen viele Spieler herum, die keine Sponsoren und keine Unterstützung vom Verband haben. Da ist es gelegentlich krass und sie fragen Abends im Club, ob du im Hotelzimmer Platz hast, damit sie für 20 Dollar auf dem Boden schlafen können. » Der ehemalige Tennis-Profi bezieht sich dabei auf die vielen kleinen 10.000 Dollar-Turniere, wo man 80 Dollar für einen Sieg in der ersten Runde erhält.
Positiver Trend für Spitzensportlerinnen
Christine Majerus bewegte sich damals jedoch bereits auf höchstem Niveau und weist auf die Unterschiede zum Radsport der Männer hin: « Sicher gibt es diese Extremfälle auch bei den Männern. Aber nicht auf Worldtourniveau und auch selten bei den Profi-Teams. »
Allerdings glaubt sie, dass sich die Situation bei den Frauen in den nächsten Jahren weiter verbessern wird: « Der Trend ist positiv. Mehr Mannschaften stellen sich professionell auf, so können mehr Mädchen vom Sport leben. Der Unterschied zwischen den besten Teams, die gut organisiert und strukturiert sind, und den kleinen Teams, die eigentlich keine Lizenz erhalten dürften, bleibt zum Teil aber schon groß. »
Natürlich sind auch bei den Männern die Budget- und Gehaltsunterschiede groß, aber auf Worldtour-Niveau kann zumindest jeder Fahrer von seinem Gehalt leben und hat eine optimale Betreuung. Von einem Gehalt wie den kolportierten jährlich drei Millionen Euro, die ein Andy Schleck in seinen besten Jahren verdiente, können weibliche Radfahrerinnen aber nur träumen.
Facetten einer strukturellen Ungleichheit
Eine ungleiche Behandlung von männlichen und weiblichen Sportlern in den meisten Sportarten kritisiert Christine Majerus mit verschiedenen Ansätzen: « Für die gleiche Anstrengung, Distanz oder Zeit besteht kein Grund, weniger Preisgeld auszuzahlen. Spielen, fahren, laufen Männer länger oder weiter können wir gerne über eine proportionale Differenz diskutieren, aber diese Differenz ist im Moment bei weitem nicht proportional. Bei den Gehältern ist der Unterschied für mich noch weniger zu verstehen. Für die gleichen Resultate müssten die Marken oder Teams auch das Gleiche bezahlen. »

Im Wettkampfsport ist das Verhältnis zwischen den Geschlechtern jedoch von Anfang an nicht gewahrt: In Luxemburg hatten 2018 insgesamt 91.045 Menschen in 53 Verbänden eine Wettkampflizenz. Davon waren allerdings nur 21.023 weiblich, also weniger als ein Viertel. Verantwortlich dafür ist vor allem der Fußball mit 36.073 Sportlern und gerade einmal 3.549 Fußballerinnen.
Einzig in den künstlerischeren Disziplinen wie der Gymnastik, dem Eislaufen und dem Tanzen sowie dem Reiten gibt es ein deutliches Übergewicht an Frauen. Wobei das Reiten so ziemlich die einzige Sportart ist, wo Frauen gleichberechtigt gegen ihre männlichen Kollegen antreten dürfen und können.
« Männer sind stärker » reicht als Grund nicht aus
Doch die Ungleichheit ist bis zu einem gewissen Grad durch die Biologie bedingt. Während Frauen in Teilbereichen einige kleinere Vorteile haben können, verfügen Männer in der Regel, und sogar bei gleichem Gewicht und Trainingsstand, über rund ein Drittel mehr Körperkraft. Aus diesem Mehr an Athletik und Kraft eine größere Attraktivität des männlichen Wettbewerbes herzuleiten, widerlegt das Beispiel des Tennis. Hier sind die Preisgelder im Laufe der Jahre angepasst worden und vielen Zuschauern gefällt das Damentennis besser. Zwar wurde auch ihr Spiel in den letzten Jahren deutlich athletischer und kraftvoller, aber weiterhin sind die Ballwechsel länger, das Spiel oft technischer und abwechslungsreicher.
Das Problem ist ganz eindeutig die Medienpräsenz. »Christine Majerus, Radrennfahrerin
Wie so oft wird im Sport aber zuerst vom Fußball geredet. Und hier präsentiert sich der Männerfußball ungleich attraktiver. Was wohl weniger an der größeren Kraft und Schnelligkeit oder einem höheren und dichteren Leistungsniveau liegt. Vor allem die mediale Aufmerksamkeit ist entscheidend. Wie der Vergleich eines nationalen Auftritts des F91 Düdelingen mit einer einzelnen Kameraeinstellung von der Haupttribüne mit den ungleich aufwändiger eingefangenen Bildern der Europa League zeigt.
Interesse und Bekanntheitsgrad als Lösung
Den am Rande der Frauen-WM in Frankreich wieder diskutierten gewaltigen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen erklären Wirtschaftswissenschaftler denn auch nicht mit Athletik oder Schönheit des Spiels, sondern in ihrer Logik von Angebot und Nachfrage. Diese Unterschiede würden sich nun einmal im dominierenden Faktor der Zuschauerzahlen vor dem TV-Gerät und im Stadion sowie im generellen Bekanntheitsgrad widerspiegeln.

Jene Diskussion verfolgt auch Christine Majerus. Durch eine Kopplung von Frauen- und Männer-Fußball-WM beim Rechteverkauf wurden alle Spiele übertragen und die Radsportlerin findet: « Die französischen Medien haben die Wettbewerbe wirklich gut übertragen. Und wenig überraschend sind die auch extrem gut beim Publikum angekommen. » Da seither mehr Frauenfußball gezeigt wird, sieht sie das als guten Beweis: « L’appétit vient en mangeant… »
Im ebenfalls von deutlich mehr Männern ausgeübten Radsport sei die Situation ähnlich, sagt Christine Majerus. « Das Niveau im Frauenradsport ist enorm gut […] Viele sind überrascht, wenn sie das erste Mal einen Weltcup oder eine WM der Frauen sehen. Das Problem ist ganz eindeutig die Medienpräsenz. »
Nur eine Frau in den Top 100
Zwar lagen die Zuschauerzahlen der Frauen-WM weit unter denen der Männer und eine vergleichbare WM- oder EM-Euphorie ist nicht bekannt. Doch hat sich in über einem Jahrhundert in der von (vorwiegend männlichen) Funktionären geprägten Sportwelt einiges getan. 1896 waren bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit nur Männer am Start, 1936 in Berlin war nicht einmal jeder zehnte Sportler weiblich. 1972 in München waren es weniger als jeder fünfte, um 2016 in Rio mit 45 Prozent einen neuen Rekord zu erreichen.
Viele olympische (Rand-)Sportarten können die Sportler – Frauen und Männer – jedoch nur mit staatlicher Unterstützung auf höchstem Niveau betreiben. Auf der Forbes-Liste der 100 bestverdienenden Sportler finden sich 2019 so gerade einmal elf Sportarten. Am lukrativsten sind: Golf, Boxen, Fußball, Motorsport und Tennis. Die Tennisspielerin und 23-fache Grand-Slam-Siegerin Serena Williams ist mit einem Jahreseinkommen von 29,2 Millionen Dollar auf Rang 63 die einzige Frau.